Dienstag, Dezember 10, 2024

Rassismusbericht: Mehr Islamfeindlichkeit im Netz – Politik mitverantwortlich

Rassismusbericht:

2021 gab es online fast doppelt so viele Fälle von antimuslimischem Rassismus wie offline. Einen großen Anteil an der steigenden Islamfeindlichkeit hat Österreichs antimuslimische Politik.  

Wien, 06. Juni 2022 | In der U-Bahn tritt eine Frau einer 19-jährigen Schülerin mehrmals mit einem Stiefel ins Gesicht – weil die Schülerin ein Kopftuch trägt. User posten im Internet Aufrufe zu den Waffen zu greifen und schreiben, der Islam gehöre “raus aus Europa”. Lehrer sagen Schülern, sie sollen “zurück in die Türkei gehen”. Hassbriefe, Morddrohungen, beleidigende Beschmierungen religiöser Einrichtungen, das ist antimuslimischer Rassismus in Österreich im Jahr 2021.

Im vergangenen Jahr wurden etwas weniger Übergriffe auf Menschen gemeldet, die als muslimisch wahrgenommen werden, als noch im Jahr zuvor. Während jedoch weniger Übergriffe in der direkten Interaktion gemeldet wurden, stieg die Zahl von Fällen im Internet. Online gab es 2021 fast doppelt so viele Übergriffe wie offline.

Weniger direkt gelebter Rassismus durch Corona

Zu diesem Schluss kommt die österreichische Dokumentations- und Beratungsstelle Islamfeindlichkeit und antimuslimischer Rassismus im mittlerweile siebten Report über Antimuslimischen Rassismus. Dass sich die Übergriffe von der Straße ins Netz verlagert haben, liege, laut Report, vor allem an der Corona-Pandemie, durch die weniger persönliche Interaktion stattfand.

Der Report verzeichnet 1061 Fälle von antimuslimischem Rassismus im Jahr 2021 (1402 Fälle waren es im Jahr 2020). Das sind allerdings nur jene Übergriffe, die gemeldet oder über Medienbeobachtung entdeckt wurden. Die Zahl ist nicht repräsentativ für alle tatsächlich stattgefundenen Fälle. Von einer höheren Dunkelziffer ist auszugehen.

Frauen übermäßig stark betroffen

Doch nicht nur die anhaltende Pandemie-Situation sei für den Rückgang der Meldungen verantwortlich. Die Gesellschaft sei im Allgemeinen zu wenig für das Thema antimuslimischer Rassismus sensibilisiert und Betroffene stießen auf Hürden: Es gebe zu wenige Informationen über Rechte und Meldemöglichkeiten und Betroffene glaubten oft nicht, dass es etwas ändere, Vorfälle zu melden, heißt es von der Dokustelle Österreich.

Die Täter waren überwiegend männlich (fast 80 Prozent), die Opfer überwiegend weiblich (rund 70 Prozent). Als muslimisch wahrgenommene Frauen sind auffällig oft von Ungleichbehandlung, Beleidigung, körperlichen Übergriffen und gefährlicher Drohung betroffen. Von rassistischer Polizeigewalt sind laut Report hingegen doppelt so viele Männer wie Frauen betroffen.

Diese Verteilung auf die Geschlechter sei nicht überraschend. Frauen, die zum Beispiel durch ein Kopftuch leichter als muslimisch wahrgenommen werden, werden laut Report bewusst als Zielscheibe für Rassismus ausgesucht. Frauen werden in Österreich auch eher strukturell benachteiligt.

Politik mitverantwortlich für steigende Islamfeindlichkeit

Die Dokumentations- und Beratungsstelle weist auch darauf hin, dass antimuslimischer Rassismus nicht allein von rechtsextremen Gruppen ausgeht, sondern ein grenzüberschreitendes gesellschaftliches Problem ist. Die Islamfeindlichkeit im Allgemeinen steige.

Großen Anteil daran habe vor allem die antimuslimische österreichische Politik. Bis zu 31 Prozent der gemeldeten oder beobachteten Fälle gehen von Politikern während politischer Amtshandlung aus. Anstiftung zur Gewalt im Internet fiel besonders oft mit politischen Ereignissen zusammen.

Von der Islamlandkarte bis zur Instrumentalisierung von Femiziden

Ein Beispiel ist die sogenannte “Islamlandkarte”, die im Juni 2021 von der Regierung veröffentlicht wurde. Darauf waren muslimische Einrichtungen in ganz Österreich eingezeichnet. In Folge kam es zu einer Flut an Hasskommentaren in den Online-Kommentarforen von Zeitungen.

Potenzielle Täter fühlten sich bestärkt und diskutierten online offen, wie man gegen diese Einrichtungen vorgehen könne. Fälle von antimuslimischem Rassismus wurden auch vermehrt an Orten gemeldet, die auf der Islamlandkarte eingezeichnet waren.

Hinzu kommt, dass Frauenmorde politisch und medial instrumentalisiert wurden, um Stimmung gegen Muslime zu machen. Die Empörung und der Aufschrei waren immer dann am größten (und führten zu rassistischen Übergriffen), wenn der Täter als muslimisch gesehen wurde. Zur Einordnung: Von 31 Femiziden in Österreich im Jahr 2021 wurden sieben von Männern begangen, die als muslimisch gelesen werden.

(sm)

Meldemöglichkeiten und Beratung für Betroffene

Dokustelle Islamfeindlichkeit und antimuslimischer Rassismus

ZARA – Zivilcourage & Anti-Rassismus-Arbeit

Initiative für ein Diskriminierungsfreies Bildungswesen (IDB)

Titelbild: pixabay

Autor

  • Stefanie Marek

    Redakteurin für Chronik und Leben. Kulturaffin und geschichtenverliebt. Spricht für ZackZack mit spannenden Menschen und berichtet am liebsten aus Gerichtssälen.

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