Diese Woche wird ein Urteil im Prozess gegen Sebastian Kurz wegen Falschaussage in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss erwartet. In gewohnter Manier hat Kurz, der niemals ansteht, die Justiz zu verunglimpfen und die Gewaltenteilung zu untergraben, im Prozess eine Schmierenkomödie geliefert.
Es ist nicht einfach, schlechte Komödien in kurzen Inhaltsangaben zusammenzufassen. Netflix schafft es nicht. Cathrin Kahlweit hat es am 2. Februar in der Süddeutschen Zeitung versucht. Über den Auftritt des russischen Geschäftsmannes Valery Afinogenov im Prozess schreibt sie:
Dessen Geschichte ist so irre, dass man sie mehrmals hören und lesen muss, um sie zu verstehen: Er hat zwar nichts mit Öl zu tun und kannte Schmid nicht. Reiste aber mit einem Kollegen zu einem Treffen mit Schmid nach Amsterdam, wo der mittlerweile wohnt, um diesem einen Job als CEO in einer Ölfirma in Georgien anzubieten. Er habe sich, sagte er dem Richter am Mittwoch via Skype, zwar über Schmid und dessen tadellosen Lebenslauf genau informiert. Aber dass gegen diesen wegen Untreue ermittelt werde, habe er nicht gewusst. Die Bewerbungsunterlagen von Schmid habe er weggeworfen. Über das mysteriöse Projekt in Georgien dürfe er nichts sagen.
Dass der Russe als Zeuge der Verteidigung befragt wurde, liegt nun wiederum an einem “Geständnis”, das der ihm völlig unbekannte Schmid ihm und seinem Kollegen bei einem Spaziergang in Amsterdam gemacht haben soll. Sinngemäß habe Schmid gesagt, er habe bei seiner Aussage über Kurz vor der Staatsanwaltschaft gelogen, weil man ihn unter Druck gesetzt habe.
Das wiederum gab Valerij A. später in Tiflis in der österreichischen Botschaft in einer eidesstattlichen Versicherung an, bei deren Verfassung ihm wer geholfen hat? Ein Anwalt von Sebastian Kurz. Ach ja, er sagte am Mittwoch noch, wörtlich habe Schmid das mit der Lüge nicht gesagt. Wie die Anwälte von Kurz von der ganzen Sache mit Tiflis und Amsterdam und dem geschwätzigen Schmid erfahren haben? Das wisse er nicht. Sein Kollege, der nach ihm hatte befragt werden sollen, meldete sich übrigens kurzfristig krank. Noch Fragen?
Mit seiner Aktion machte Kurz nicht nur sich selbst lächerlich; es ist die Zeit wohl auch im Hinblick auf das gegenwärtige Russland nicht sehr günstig, um hier Spielchen zu spielen. Das Lachen bleibt einem im Hals stecken. Zum Glück lassen sich die Kommentatorinnen in Deutschland und anderen Ländern davon nicht beirren. So schreibt Christina Pausackl in der Zeit:
Sebastian Kurz hat also größtes Interesse daran, die Glaubwürdigkeit von Thomas Schmid zu untergraben. An dieser Stelle kommt ein russischer Geschäftsmann ins Spiel, der mit der Herstellung von Kunstdiamanten seinen Lebensunterhalt verdient. Am 31. Januar, dem zwölften Prozesstag, wurde im Großen Schwurgerichtssaal in Wien Valery Afinogenov, 64, wohnhaft in Moskau, als Zeuge geladen. Die Befragung war mit Spannung erwartet worden.
Dass der frühere Bundeskanzler seine größten Hoffnungen ausgerechnet in einen dubiosen russischen Geschäftsmann setzte, spricht für sich. Aber es passt auch zu einem Land, das selbst zwei Jahre nach Beginn des Ukrainekriegs den Großteil seines Gasbedarfs aus Russland importiert.
Schwerer fällt es den österreichischen Medien, die Dinge beim Namen zu nennen. Wie immer, muss man leider sagen. Wie in den vergangenen siebzig Jahren sind auch heuer im Zusammenhang mit dem Februargedenken Dutzende Artikel aufgetaucht, die über die Dollfuß-Zeit schreiben, es sei »schwierig«, die damals vorgefallenen Dinge zu benennen. Nein. Es ist nur für österreichische Medien schwierig, die der ÖVP untertan sind. Auch in der NZZ, die beileibe keine linke Zeitung ist, wird Dollfuß als »Diktator« und seine Herrschaft als »Faschismus« bezeichnet. Weil es so war.
Ganz gleich verhält es sich mit der jüngeren Vergangenheit. Über Sebastian Kurz, der den Geldhahn für die Medien aufgedreht hat, wird hier immer noch nicht die Wahrheit geschrieben. Als lebten wir noch im Jahre 2018, wird es tunlichst vermieden, seine Verfehlungen und Peinlichkeiten als solche zu bezeichnen. Es werden die alten Ablenkungen bemüht. Bringt die ÖVP einen fehlerhaften Budgetantrag im Parlament ein, so schreibt man: »Wirbel um Budget« oder »Hickhack um Budget«. So lenkt man vom eigentlichen Problem ab und suggeriert, in der Politik werde ohnehin nur gestritten und daran seien schließlich alle schuld. Hätte ein Diktator das Budget im Alleingang beschlossen, hätte es keinen Wirbel und kein Hickhack gegeben.
Exakt in dieser Tonart der Message Control schreibt Christina Traar am 16. Februar 2024 in der Kleinen Zeitung:
Der 23. Februar ist als vorerst letzter Prozesstag im Gerichtsverfahren gegen den früheren Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz und dessen früheren Kabinettschef Bernhard Bonelli avisiert. Unklar war jedoch, ob der erneut geladene Hauptbelastungszeuge und ehemalige Öbag-Chef Thomas Schmid sowie der zweite russische Geschäftsmann einer Befragung zustimmen und sich das Urteil damit verzögert. Wie Gerichtssprecherin Christina Salzborn auf Anfrage der Kleinen Zeitung mitteilte, steht nun fest: Sowohl Schmid als auch der Russe haben einer Befragung zugestimmt.
Letzterer soll sich dazu in der österreichischen Botschaft in Moskau einfinden, bei seinem letzten Termin war der Zeuge überraschend erkrankt.
Die Befragung des anderen Geschäftsmannes hatte bekanntlich für Wirbel gesorgt.
Und auch Schmid, der im Ausland lebt, dürfte via Onlineschaltung befragt werden, da seine Identität dazu nicht extra festgestellt werden muss.
Tja, immer sorgt etwas für Wirbel in Österreich. Wahrscheinlich weil die Österreicher Wirbeltiere sind.
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