Am Freitag überschlagen sich die Meldungen zur europäischen Gasversorgung. Italien meldet, Russland habe dem Land 50 Prozent der Gaslieferung gekürzt, Frankreich erhält überhaupt kein russisches Gas mehr über die Pipelines.
Paris/Moskau/Rom, 17. Juni 2022 | Am Freitag ploppten mehrere Eilmeldungen in den europäischen Nachrichtenagenturen auf – sie drehten sich um Gaslieferungen und betreffen nach derzeitigem Stand Frankreich und Italien.
Nur noch die Hälfte nach Italien
Der russische Energiekonzern Gazprom drosselt Italien die Lieferung von Erdgas. Nach Angaben des teilstaatlichen Gasversorgers Eni sagte Gazprom am Freitag 50 Prozent der bestellten Liefermenge zu. Eigentlich habe Italien an diesem Tag 63 Millionen Kubikmeter Gas aus Russland bestellt. Schon in den vorigen Tagen waren die Gaslieferungen gedrosselt worden: am Mittwoch um 15 Prozent und am Donnerstag um 35 Prozent der bestellten Mengen.
Gas-Stopp aus Russland für Frankreich
Frankreich erhält überhaupt kein russisches Gas mehr über Pipelines. Wie der französische Netzbetreiber GRTgaz am Freitag mitteilte, ist dies bereits seit Mittwoch der Fall und zudem der “Unterbrechung des Gasflusses zwischen Frankreich und Deutschland” geschuldet. Der russische Gazprom-Konzern hatte in den vergangenen Tagen seine Lieferungen in eine Reihe von EU-Staaten gedrosselt.
Weniger als ein Viertel seines Gasbedarfs deckt Frankreich mit Gasimporten aus Russland. Das Land ist deutlich weniger abhängig von russischem Gas als andere europäische Staaten und verfügt über vier LNG-Terminals. Außerdem stammen 70 Prozent der französischen Stromerzeugung aus Atomkraft, viele Franzosen heizen mit Strom.
In Österreich: Vorbereitung auf Ernstfall?
In Österreich warnt indes die chemische Industrie vor Lieferausfällen und ihren Folgen. Die Gefahr eines Gas-Stopps sei in Anbetracht der reduzierten Lieferungen aus Russland in den vergangenen Tagen deutlich gestiegen.
Das Klimaministerium hatte am gestrigen Donnerstag mitgeteilt, die Lage zu beobachten. Anzeichen für einen Lieferstopp sehe man aber derzeit nicht. Man stehe auch mit der OMV in engem Kontakt. Der Öl- und Gaskonzern hatte am Donnerstag gesagt, der russische Lieferant Gazprom habe über eine Reduzierung informiert. Die Versorgung der Kunden sei aber sichergestellt.
Auch Tschechien betroffen
Gazprom hatte in dieser Woche bereits zwei Tage lang Gaslieferungen durch Nord Stream zurückgefahren und zur Begründung auf Verzögerungen bei der Reparatur von Gas-Kompressoren verwiesen. Von der Lieferstörung ist neben Österreich, Italien und Frankreich und Tschechien betroffen. Eine Lösung der Lieferstörungen zeichnet sich laut Gazprom-Chef Alexej Miller nicht ab. Zur Reparatur der Gas-Kompressoren fehlten wichtige Ersatzteile, die von Kanada wegen der bestehenden Sanktionen gegen Russland nicht geliefert werden könnten.
Wie voll sind die internationalen Gas-Speicher?
Österreichs Gasspeicher sind zu 40,2 Prozent gefüllt, in Deutschland sind es 56,3 Prozent und im EU-Schnitt 52,4 Prozent, geht aus den Zahlen der Interessenvereinigung der Speicherunternehmen AGSI von vorgestern hervor. Tschechien kommt gar auf 70,5 Prozent, Ungarn hingegen nur auf 36,5 Prozent. Allerdings hat Österreich im EU-Vergleich relativ hohe Gasspeicher-Kapazitäten, die ungefähr dem Verbrauch eines ganzen Jahres entsprechen. Die Speicher des Nicht-EU-Mitglieds England sind zu 94 Prozent voll. Ganz anders sieht es in Schweden aus, mit gerade einmal 11,3 Prozent.
(red/apa)
Dieser Artikel wurde um 13 Uhr ergänzt.
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