Freitag, März 21, 2025

Grünes Licht für NATO-Beitritt von Schweden und Finnland – Unter Erdoğans Bedingungen

Unter Erdoğans Bedingungen

Seit Finnland und Schweden um einen NATO-Beitritt angesucht hatten, hatte die Türkei blockiert. Auf Druck der USA gibt es nun eine Einigung und grünes Licht – nach Zugeständnissen an die Türkei.

Berlin/Kiew/Moskau/Helsinki, 29. Juni 2022 | Die Türkei hat ihre Blockade-Haltung gegen den NATO-Beitritt von Schweden und Finnland aufgegeben. Das verkündete Dienstagabend NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg zum Auftakt des NATO-Gipfels, der aktuell in Madrid stattfindet. Der Gipfel steht im Zeichen des Ukraine-Krieges und der Aufnahme der beiden nordischen Staaten.

Nach einem Spitzentreffen am Dienstagnachmittag hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan sein Veto zurückgezogen. Die beiden NATO-Länder in spe mussten der Türkei dafür allerdings Zugeständnisse machen, die besonders vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs schmerzhaft sind.

Erdoğan stellte Bedingungen, die USA machten Druck

Die Einigung im Streit mit der Türkei ist laut dem Sicherheitsexperten Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin auf US-amerikanischen Druck zustandegekommen. Das sagte Kaim am Mittwoch im “Ö1”-Morgenjournal. Zahllose Gespräche zwischen Schweden, Finnland und der Türkei waren zuvor ergebnislos geblieben.

Schweden und Finnland letztlich sagten zu, ihr Waffenembargo gegen die Türkei zu beenden. Zusätzlich versprachen die beiden Länder, bei der Terrorismus-Bekämpfung eng mit der Türkei zusammenzuarbeiten. Und sie willigten ein, auch gegen mit der kurdischen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) verbündete Gruppen und Netzwerke vorzugehen und sie in keiner Weise zu unterstützen. Explizit genannt wurde diesbezüglich die syrisch-kurdische Volksmiliz YPG.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte, kein anderes NATO-Mitgliedsland habe so viel terroristische Brutalität erlebt wie die Türkei, nicht zuletzt durch die PKK. Diese gilt auch EU-weit als Terror-Organisation. Erdoğan hatte EU-Staaten immer wieder vorgeworfen, neben Mitgliedern der PKK auch Angehörigen anderer kurdischer Organisationen Schutz zu gewähren, welche aus Sicht der Türkei terroristisch sind.

„Erhebliche Stärkung“ des Militärbündnisses

Die Norderweiterung bezeichnete Kaim als eine “erhebliche Stärkung” des Militärbündnisses. Der niederländische Premier Mark Rutte hatte zuvor gesagt: “Heute ist eine Gelegenheit zu zeigen, dass die NATO wieder da ist.“ Kreml-Chef Wladimir Putin “bekommt jetzt mehr NATO”, ergänzte der britische Premier Boris Johnson.

Die Ostsee wird durch die NATO-Norderweiterung zu einem “NATO-Binnenmeer”, wie der Sicherheitsexperte Kaim es ausdrückte. Dadurch sei möglich, einen Neuverteilungsplan für Nordosteuropa zu erstellen. Zudem ist der Beitritt von Schweden und Finnland seiner Ansicht nach ein “Gewinn” für die NATO, weil die beiden Länder eine Wehrpflicht hätten und hohe Militärausgaben tätigten. Finnland könne rund 900.000 Wehrkräfte aktivieren.

Historische Wehrpolitik-Wende

Finnland und Schweden hatten bislang an ihrer Neutralität festgehalten. Schweden ist seit über 200 Jahren neutral, Finnland seit 1948. Doch der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hatte die Bedrohungslage stark genug verändert, dass die beiden Staaten Anfang Mai die Aufnahme in die NATO beantragten und damit in ein Militärbündnis. Ankara blockierte aber überraschend den Prozess.

Schon im Vorfeld des Gipfels hatte NATO-Generalsekretär Stoltenberg eine drastische Aufstockung der schnellen Eingreiftruppe der NATO bekanntgegeben. Statt bisher 40.000 Soldatinnen und Soldaten soll sie künftig 300.000 umfassen. Diese Eingreiftruppe soll im kommenden Jahr einsatzfähig sein. “Sie werden in ihren eigenen Ländern stationiert, aber schon bestimmten Staaten und Gebiete zugewiesen und verantwortlich sein für die Verteidigung dieser Gebiete”, sagte Stoltenberg. Natürlich hingen Details von den einzelnen Staaten ab, die diese Kräfte stellen sollen.

(pma/apa)

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Pia Miller-Aichholz

    Hat sich daran gewöhnt, unangenehme Fragen zu stellen, und bemüht sich, es zumindest höflich zu tun. Diskutiert gerne – off- und online. Optimistische Realistin, Feministin und Fan der Redaktions-Naschlade. @PiaMillerAich

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