Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) begrüßte mit dem islamistischen Erdogan-Intimus Oğuz Üçüncü einen Vertreter der radikalen Millî Göruş-Bewegung im Parlament. Einen Tag zuvor wurde ein österreichischer Staatsbürger aus politischen Gründen am Flughafen in Istanbul verhaftet.
Nur einen Tag nachdem der Präsident der Alevitischen Föderation aus Österreich, Mehmet Ali Çankaya, kurz vor der Rückreise nach Wien am 12. Februar am Istanbuler Flughafen verhaftet wurde, empfing Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka einen Parteifreund des türkischen Machthabers Recep Tayyip Erdoğan, Oğuz Üçüncü. Das berichtete zuerst das Onlineportal “Fass ohne Boden”.
Islamismus willkommen
Üçüncü, den Sobotka offiziell im Parlament empfing, leitete die Europaabteilung der islamistischen Millî Göruş -Bewegung. Heute ist er Abgeordneter in der Türkei für die Erdoğan-Partei AKP. Millî Göruş ist eine türkisch-islamische Bewegung, die laut Dokumentationsstelle Politischer Islam „die „Ordnung des Westens“ als zu überwindendes System betrachtet“. Sie pflegt enge Verbindungen zur radikalen Muslimbruderschaft und ist in Österreich und Deutschland eng mit Bildungseinrichtungen und Moscheen vernetzt.
In Deutschland wird die Millî Göruş-Bewegung vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Die Zentrale der Bewegung, die „Islamische Gemeinschaft Millî Görüş e.V.“ hat ihren Sitz in Köln. In Österreich existieren Netzwerke vor allem in Oberösterreich und Wien.
Neben Sobotka war auch die Vorsitzende der österreichisch-türkischen Freundschaftsgruppe, SPÖ-Abgeordnete Selma Yildirim, beim Empfang zugegen.
Österreichischer Staatsbürger verhaftet
Diplomatische Brisanz gewinnt der offizielle Empfang Üçüncüs angesichts einer Verhaftung am Istanbuler Flughafen, die am Vortag stattfand. Dort wurde Mehmet Ali Çankaya, Ehrenvorsitzender der „Frei-Aleviten“ in Österreich scheinbar ohne Angabe von Gründen an der Rückreise nach Österreich gehindert. Offiziell wird ihm „Terrorismus-Propaganda“ vorgeworfen – ein häufiger Vorwurf des türkischen Regimes gegen Oppositionelle. Seither wird er von türkischen Behörden festgehalten.
Çankaya besitzt die Österreichische Staatsbürgerschaft. In einer Presseaussendung prangern die „Frei-Aleviten“ die „rechtslose Vorgehensweise“ der türkischen Polizei an. Die Verhaftung Çankayas „reiht sich ein in eine lange Reihe von unrechtmäßigen und demokratiefeindlichen Bemühungen Alevitinnen und Aleviten in der Türkei weiterhin zu unterdrücken“.
Die „Frei-Aleviten“ forderten die Türkei auf, das Verfahren gegen ihren Ehrenvorsitzenden einzustellen. Von der Österreichischen Politik erwarteten sie sich „entschiedene Schritte einzuleiten, um unseren Ehrenvorsitzenden rasch und wohlbehalten zurück nach Österreich zu holen.“
Im Telefongespräch mit ZackZack unterstrichen die „Frei-Aleviten“: „Wir reden hier von einem österreichischen Staatsbürger, der seit Jahren seinen Lebensmittelpunkt in Österreich hat und einen wichtigen wirtschaftlichen Beitrag leistet. Wir erwarten uns deshalb von der österreichischen Politik mehr Unterstützung in der Sache“.
In Presseaussendungen forderten die Grünen und der Viezbürgermeister Wiens, Christoph Wiederkehr (NEOS), die Freilassung Çankayas.
Dass Sobotka am nächsten Tag den AKP-Abgeordneten Üçüncü im Parlament empfing, bewertete man bei den „Frei-Aleviten“ im Gespräch „auf keinen Fall“ als Signal der Unterstützung.
Wir wollten von Sobotka wissen, warum er einen AKP-Abgeordneten mit Millî Göruş-Verbindungen ins Parlament einlädt und was er gegen die Verhaftung Çankays unternommen hat. Bis zur Veröffentlichung des Artikels erhielten wir auf unsere kurzfristige Anfrage keine Antwort.
Titelbild: GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com