»Weg in eine andere Staatsform«
Clemens Jabloner war Justizminister in der Übergangsregierung Bierlein, die auf die türkis-blaue Regierung Kurz I folgte. Diese wäre ein “erster Weg in eine andere Staatsform” gewesen, analysierte der Jurist nun im Rahmen einer Podiumsdiskussion.
Wien, 05. Juli 2022 | Vergangenen Freitag kam es im Rahmen eines Symposiums des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte zu einer Podiumsdiskssuion über “Vertrauen in Politik und Rechtsstaat”. Mit dabei war Clemens Jabloner, Justizminister während der Übergangsregierung unter Kanzlerin Brigitte Bierlein, die nach dem Zerfall von Türkis-Blau für ein halbes Jahr lang die Geschäfte übernommen hatte.
“Aufgeblähte Kabinette”, “wenig qualifizierte Personen”
Das “profil” veröffentlichte Montagfrüh Auszüge aus seiner Rede. Jabloner ließ dabei kein gutes Haar an der über das Ibiza-Video gestolperten Kurz-Strache-Regierung. Der Jurist kritisierte unter anderem die damaligen Entwicklungen, über Generalsekretäre die Beamtenschaft an die politische Leine zu nehmen. Diese hätten schon lange vorher ihren Anfang genommen und unter Kurz I ihren Höhepunkt erreicht. Man könne der Verwaltung vieles vorwerfen, aber zwei Dinge wären davor immer außer Streit gestanden, so Jabloner: “Es gab keine systematische Korruption und eine hohe Fachkompetenz war gewährleistet.”
“Doch in der Regierung von Kurz I waren die Kabinette aufgebläht, mit oft wenig qualifizierten Personen, die gleichzeitig Gruppenleiter im Ministerium wurden, besetzt. Höhepunkt war die Installierung von Generalsekretären, die von der Politik gegen den Beamtenapparat in Stellung gebracht wurden”, zitiert die Wochenzeitung den Ex-Justizminister. Ein Mitglied der Regierung hätte ihm damals gesagt, “dass damit der Minister im Schmutz herumwühlen und die parteipolitischen Agenden durchkriegen kann”.
“Weg in eine andere Staatsform”
Dies hätte problematische Charaktere angelockt. Dass viele Generalsekretäre schlussendlich einen “ganz unrühmlichen Abschied genommen haben”, sei kein Zufall gewesen. Die Art, wie unter Kurz I regiert wurde, sei ein “erster Weg in eine andere Staatsform” gewesen.
Jabloner kritisierte auch den Überfall auf das Bundesamt für Verfassungsschutz im Jahr 2018. Dieser sei der Ausgangspunkt für viele weitere Krisen gewesen. Auch die politisch durchgesetzte gestaffelte Familienbeihilfe und die Steuersache mit dem Unternehmer Siegfried Wolf seien Tiefpunkte in der Ära Kurz I gewesen.
Nach der Rede Jabloners herrschte Stille im Saal. “Irgendjemand muss das ja sagen”, sagte dieser nach der Veranstaltung.
(mst)
Titelbild: APA Picturedesk