Freitag, Dezember 13, 2024

Die lange Liste der Boris Johnson-Fettnäpfchen

“Partygate”, Spendenaffäre und übergriffige Parteifreunde: Die Liste der Skandale und Affären rund um den britischen Premierminister Boris Johnson ist lang.

Wien, 06. Juli 2022 | Nach dem jüngst überstandenen Misstrauensvotum wegen zahlreicher Partys in der Downing Street während des Corona-Lockdowns bringt der Rücktritt mehrerer Regierungsmitglieder Johnson nun erneut in Bedrängnis.

Luxusrenovierung

Im April 2021 geriet Johnson wegen der luxuriösen Renovierung der Wohnung, die er mit seiner Familie in der Downing Street 11 bewohnt, unter Druck. Der Premier versicherte, er habe für die Arbeiten “persönlich” bezahlt. Später stellte sich aber heraus, dass die Renovierung maßgeblich mit Mitteln aus einer Privatspende an die Tories bezahlt worden war. Da die Spende nicht ordnungsgemäß deklariert worden war, wurde Johnsons Partei mit einer Geldstrafe belegt.

Luxusurlaub

Im Mai 2021 wurde eine parlamentarische Untersuchung zur unklaren Finanzierung einer Urlaubsreise des Premierministers eingeleitet. Johnson hatte über Weihnachten 2019 mit seiner damaligen Verlobten und heutigen Ehefrau Carrie Symonds auf der Privat-Insel Mustique Urlaub gemacht. Die Kosten für den Aufenthalt wurden von dem Geschäftsmann David Ross bezahlt, der auch Spender von Johnsons Konservativer Partei ist. Nach einer monatelangen Untersuchung kam der zuständige Parlamentsausschuss zu dem Schluss, dass Johnsons Angaben zur Finanzierung der umstrittenen Luxus-Reise korrekt gewesen seien.

Lobby-Affäre

Im Dezember 2021 musste der konservative Abgeordnete Owen Paterson wegen einer Lobbyismus-Affäre zurücktreten. Johnson hatte sich Anfang November in die Affäre eingeschaltet und versucht, ein Disziplinarverfahren gegen den Tory-Politiker zu stoppen – musste dann aber angesichts der Empörung in den eigenen Reihen einen Rückzieher machen. Patersons Wahlkreis, der über Jahrzehnte eine Hochburg der Tories war, verloren die Konservativen bei der Nachwahl an die Liberaldemokraten.

Corona-Politik

Auch wegen seiner Corona-Politik sah sich Johnson scharfer Kritik ausgesetzt. Im Mai 2020 geriet sein Top-Berater Dominic Cummings wegen mutmaßlicher Verstöße gegen die Corona-Auflagen unter Druck. Der Premierminister stellte sich trotz der öffentlichen Empörung hinter seinen Vertrauten, der schließlich im November seinen Rücktritt verkündete. Später kam es zum Zerwürfnis zwischen Johnson und Cummings, der dem Premier daraufhin “katastrophale” Versäumnisse in der Corona-Pandemie vorwarf.

Auch in einem Parlamentsbericht wurde dem Regierungschef ein schlechtes Zeugnis für seinen Umgang mit der Corona-Pandemie ausgestellt. Das Hinauszögern eines Lockdowns zu Beginn der Pandemie war demnach “eines der größten Versäumnisse im Bereich der öffentlichen Gesundheit” in der Geschichte des Landes.

Empörung löste auch ein angebliches Zitat Johnsons aus, mit dem er sich im Herbst 2020 gegen einen dritten Corona-Lockdown gewehrt haben soll. “Keinen verdammten Lockdown mehr – sollen sich doch die Leichen zu tausenden stapeln”, zitierte ihn die Zeitung “Daily Mail”. Johnson bestritt die Aussage.

Partygate

Die Affäre um zahlreiche Partys am Regierungssitz während des Corona-Lockdowns führte im Juni zu einem parteiinternen Misstrauensvotum gegen Johnson. Der Premierminister überstand die Abstimmung. 32 Stimmen fehlten am Ende, um Johnson zum Rücktritt zu zwingen. Johnson entschuldigte sich mehrfach für die illegalen Partys, lehnte einen Rücktritt aber ab.

Wegen seiner Teilnahme an einer der Feiern wurde Johnson mit einer Geldstrafe belegt – und ging damit als erster amtierender britischer Premierminister in die Geschichte ein, der wegen eines Gesetzesbruchs bestraft wurde. Die hochrangige Beamtin Sue Gray zog in ihrem Untersuchungsbericht zur Partygate-Affäre ein vernichtendes Fazit: Die Regierungsspitze sei für die Verfehlungen während des Corona-Lockdowns verantwortlich, folgerte sie. Gray kritisierte vielfache Regelverstöße und “exzessiven Alkoholkonsum” am Regierungssitz.

Belästigungsvorwürfe gegen konservative Politiker

Anfang Juli trat der stellvertretende Parlamentarische Geschäftsführer der Tories, Chris Pincher, zurück, nachdem er zwei Männer sexuell belästigt hatte. Dabei wurde bekannt, dass es bereits in der Vergangenheit Vorwürfe gegen ihn gegeben hatte. Ein Regierungssprecher hatte zunächst dementiert, dass Johnson von den alten Vorwürfen gegen Pincher gewusst habe. Nach Angaben eines ranghohen früheren Beamten war Johnson aber bereits 2019 über einen entsprechenden Vorfall informiert worden. Der Premier wurde daraufhin der Lüge bezichtigt. Johnson erklärte, rückblickend sei die Ernennung Pinchers ein Fehler gewesen.

Mitte Mai war bereits ein konservativer Abgeordneter unter Vergewaltigungsverdacht vorübergehend festgenommen worden. Ebenfalls im Mai wurde ein früherer Tory-Abgeordneter wegen sexuellen Missbrauchs eines Minderjährigen zu eineinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Ende April war außerdem ein konservativer Parlamentarier zurückgetreten, nachdem er im Parlament auf seinem Handy Porno-Videos geschaut hatte.

(apa)

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Benedikt Faast

    Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.

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