Uneinigkeit unter Experten
In Österreich wird der Ruf nach einem Strompreisdeckel immer lauter, gleichzeitig warnen Experten vor negativen Auswirkungen. Auch in der Regierung ist man sich uneinig darüber, welche Maßnahmen gegen die hohen Energiepreise wirksam sein könnten.
Wien, 12. Juli 2022 | Durch den Krieg in der Ukraine steigen die Strompreise in exorbitante Höhen. Viele fordern Gegenmaßnahmen von der Regierung. Eine Maßnahme, die von der SPÖ und mittlerweile auch von Teilen der ÖVP gefordert wird, ist eine Preisdeckelung.
Das klingt nach einer einfachen Lösung, Spanien, Frankreich und Portugal haben sie bereits eingeführt. Aber Ökonomen sind sich uneins darüber, ob Österreich eine Preisdeckelung allein stemmen kann. Sie schlagen stattdessen vor, eine Lösung auf europäischer Ebene zu finden. Was ist nun eine Preisdeckelung und welche Vor- und Nachteile gehen mit ihr einher?
Preisdeckel könnte zum Energie-Sparen motivieren
Wegen des „Merit-Order-Prinzips“, geben die teuersten stromproduzierenden Kraftwerke den Strompreis vor, Gaskraftwerke. Diese werden mit zurzeit sehr teurem Gas betrieben, daher die hohen Energiepreise. Ziel des Energiepreis-Deckels für Strom und Gas ist, einen gewissen Grundverbrauch von Energie mit einem konstanten Höchstpreis zu versehen, der idealerweise dem Grundpreis des Vorjahres entspricht. Die Kosten für die Überschreitung des Grundbedarfs geben dann die Energieversorger vor. Die Verluste, die die Energieversorger einbüßen, gleicht dabei der Staat aus.
Laut dem gewerkschaftsnahen Momentum-Institut könnte eine solche Regelung für Verbraucher ein Anreiz sein, Energie zu sparen. Außerdem hätte der Energiepreis-Deckel eine inflationssenkende Wirkung. Daher fordern das Momentum-Institut, der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) und die Arbeiterkammer (AK) die Umsetzung einer solchen Maßnahme.
An einem Energiepreisdeckel führt kein Weg vorbei! Sind im Austausch mit Gewerkschaften in mehreren europäischen Ländern, tauschen Erfahrungen aus und klopfen verschiedene Ideen ab. Es geht um Gas, Strom und Spritpreise. Situation wird unerträglich! @oegb_at @oegb_eu @etuc_ces
— Wolfgang Katzian (@katzianw) July 8, 2022
Alternative EU-Lösung
Schwachstelle im oben beschriebenen Modell: Die Energieversorger könnten den Aufpreis für die Überschreitung des Grundbedarfs stark erhöhen, um weiterhin Gewinne zu machen. Das hätte Auswirkungen auf Haushalte mit einem niedrigen Einkommen und hohem Energieverbrauch. Gleichzeitig würden mit einer allgemeinen Deckelung auch Haushalte mit hohem Einkommen subventioniert. Christian Egenhofer vom Centre of European Policy Studies (CEPS) sieht im “Ö1”-Mittagsjournal die Umsetzung der Preis-Deckelung in Österreich kritisch. In Spanien und Portugal sei die Begrenzung von Strompreisen durch eine Gaspreis-Deckelung möglich, weil der dortige Markt nicht so stark verwoben mit dem Rest von Nordwesteuropa sei. Er rechnet damit, dass es zu einer europaweiten Gaspreisdeckelung kommt.
Für eine europaweite Subventionierung von Gas-Strom und progressive Stromtarife spricht sich auch WIFO-Chef Gabriel Felbermayr in der “ZiB 2” aus. Hohe Preise würden dazu führen, dass das Angebot steigt und die Nachfrage sinkt. Er lehnt die Idee eines klassischen Strompreis-Deckels ab. Stattdessen hält er es für sinnvoller, Gas für die Stromerzeugung zu subventionieren, wie das in Spanien und Portugal gemacht wird. Das bedeute jedoch laut Egenhofer hohe Kompensationszahlungen an die Gas-Importeure und die Stromerzeuger.
(nw)
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