Sonntag, Mai 19, 2024

U-Ausschuss: Streit um »parteiische« Verfahrensanwältin

U-Ausschuss:

Eine Verfahrensanwältin hat der ÖVP Dokumente der SPÖ ausgehändigt, die nicht öffentlich gemacht werden sollten. Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl urteilt, sie habe der ÖVP offensichtlich einen Vorteil gewähren wollen.

Wien, 13. Juli 2022 | Streit im U-Ausschuss: Eine Verfahrensanwältin soll unrechtmäßig SPÖ-Dokumente an die ÖVP weitergegeben haben und damit ihre Unparteilichkeit nicht gewahrt haben. Das geht aus einem Aktenvermerk hervor, den Verfahrensrichterin Christa Edwards und ihr Kollege Wolfgang Pöschl unterzeichnet und am 4. Juli an Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) adressiert haben.

Die Anwältin nahm am 12. Juli zu den Vorwürfen Stellung. Sie sehe es „als grundsätzliche Frage der Fairness, dass in das vorgelegte Dokument alle Ausschussmitglieder Einsicht haben.“ Um Fragen stellen zu können, müssten alle denselben Wissensstand haben, insbesondere die befragte Auskunftsperson.

Die Befragung von Wolfgang Sobotka verspätete sich um eine halbe Stunde, weil die Vorsitzende Doris Bures (SPÖ) den U-Ausschuss über die Stellungnahme der Verfahrensanwältin informierte. Laut SPÖ hatte Sobotka das im Vorfeld verabsäumt und stattdessen nur ein Mail an Bures schicken lassen.

Blätter der ÖVP „zugesteckt“

Es geht um einen Vorfall vom 30. Juni, während der Befragung von Paul Unterhuber, Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Demox. Der Referent von Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl beobachtete demnach, dass die Verfahrensanwältin zwei Blätter eines von der SPÖ vorgelegten Dokumentes der ÖVP „zugesteckt“ habe. Die SPÖ-Fraktion wollte diese eigentlich wieder einsammeln. Man hatte ein mehrseitiges Dokument ausgeteilt, dann festgestellt, dass zwei Blätter personenbezogene Daten enthielten und wollte diese zurückholen.

Infolgedessen wurde eine Stehung angeordnet, um festzustellen, ob die „Rückholaktion“ gerechtfertigt war. Auf dem Weg zur Stehung hat die Verfahrensanwältin laut Referent die relevanten Seiten von dem an Unterhuber ausgeteilten Dokument abgerissen, gefaltet und dem ÖVP-Abgeordneten Kurt Egger „zugesteckt“. In der Stehung wurde dann tatäschlich festgestellt, dass die betreffenden Seiten eingesammelt werden sollten. Referenten der ÖVP hatten laut der schriftlichen Schilderung in der Zwischenzeit den Inhalt studiert. Die ÖVP gab die Seiten der Verfahrensanwältin zurück, diese händigte sie der SPÖ wieder aus.

Verfahrensrichter: „Wollte ÖVP Vorteil gewähren“

Ein Referent meldete den Vorfall Verfahrensrichterin Edwards und Verfahrensrichter Pöschl. In Pöschls Schreiben an Sobotka hält dieser fest, dass es nicht zur Aufgabe der Verfahrensanwältin gehöre, „einer Fraktion Dokumente eigenmächtig zukommen zu lassen“. Der Verfahrensanwältin sei bewusst gewesen, dass es sich offenbar um Informationen gehandelt habe, die die SPÖ den anderen Fraktionen nicht zukommen lassen wollte (Aufgabe der Verfahrensanwältin ist laut Verfahrensordnung darauf zu achten, dass die Verfahrensordnung eingehalten wird. Wird die Verfahrensordnung verletzt, muss sie das dem Vorsitzenden und dem Verfahrensrichter melden. Es handelt sich dabei um eine ausschließlich beratende Funktion).

„Die Vorgangsweise der Verfahrensanwältin lässt erkennen, dass sie damit der ÖVP einen Vorteil gewähren wollte. Sie hat damit die für ihre Funktion erforderliche Äquidistanz nicht eingehalten“, urteilt Pöschl.

Verfahrensanwältin: „Alle müssen denselben Wissensstand haben“

In ihrer Stellungnahme gibt die Verfahrensanwältin zu, Egger „das Dokument“ gegeben zu haben. Dieser habe wissen wollen, was drinstehe. Sie beschwert sich aber auch darüber, dass eine SPÖ-Mitarbeiterin ihr das Dokument entreißen habe wollen, sie habe sich „gegen den Angriff“ gewehrt und das Dokument vorerst behalten. Ihrer Ansicht nach sei es „offensichtlich Grundlage der Befragung“ von Unterhuber gewesen.

Sie habe nicht eingesehen, wieso sie und die Auskunftsperson den Inhalt nicht kennen sollten. Sie sehe es als „grundsätzliche Frage der Fairness“ an, dass alle Ausschuss-Mitglieder Einsicht in das vorgelegte Dokument und dadurch denselben Wissenstand hätten.

Fragen im U-Ausschuss nicht zugelassen

Die Befragung Wolfgang Sobotkas (ÖVP) vor dem U-Ausschuss wollte Grünen-Fraktionsführerin Nina Tomaselli nützen, um ihn zu dem Vorfall zu befragen. Einige der Fragen wurden allerdings mehrfach von der Vorsitzenden Doris Bures (SPÖ) zurückgewiesen, mit dem Hinweis darauf, dass dies nicht vom Untersuchungsgegenstand gedeckt sei.

(pma)

Titelbild: APA Picturedesk

Pia Miller-Aichholz
Pia Miller-Aichholz
Hat sich daran gewöhnt, unangenehme Fragen zu stellen, und bemüht sich, es zumindest höflich zu tun. Diskutiert gerne – off- und online. Optimistische Realistin, Feministin und Fan der Redaktions-Naschlade. @PiaMillerAich
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5 Kommentare

  1. Die Verfahrensanwältin will vermutlich demnächst Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichtes werden. Die Stelle ist derzeit ausgeschrieben und steht laut Sideletter der türkis/grünen Regierung der ÖVP zu. Da darf frau es sich halt nicht verscherzen!

  2. Wer kann jeder Anwältin ein laut diverser Printmedien zur Last gelegtes Verfehlen, das offensichtlich dem Schutz der “Familie” dient, richtig zuordnen?
    A) Poppenwimmer
    B) Aicher
    C) Weiß
    D) Oberhofer
    E) List
    1) Maulwurf, Verräterin
    2) Ließ sich bei Presseaussendung von einer Kanzlei helfen, die Beschuldigte in den von ihr kristisierten Verfahren vertritt
    3) Lopatka-Bruder-Prozess
    4) Spricht für jemanden einen Beschuldigten-Status aus ohne Prüfung eines ev. Anfangsverdachtes
    5) Steckt im UA 2 Seiten mit vertraulichen Daten unter der Hand der ÖVP zu

  3. Genau dieses Verhalten der Verfahrensanwältin zeigt das Problem unserer Justiz überdeutlich auf:
    Die ÖVP Günstlinge sitzen an allen Schnittstellen der Justiz.

    Genau so parteiisch sehen auch die Entscheidungen durch die parteinahe Justiz aus!

    Wir sind leider ein korrupter Staat geworden.

  4. Die Övp muss weg. Die einzige Möglichkeit daß es in unserem Land ruhiger wird. Soviel Unfähigkeit und Korruption bringt keine Partei zusammen wie diese schwarze Brut.

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