So langwierig auch manche U-Ausschuss-Tage sein können, so skurril und unterhaltsam sind manche Episoden, die sich dort abspielen.
Wien, 29. Dezember 2022 | Das Jahr neigt sich dem Ende zu, der ÖVP-Korruptions-Untersuchungs-Ausschuss geht allerdings im neuen Jahr noch in die Verlängerung. Dennoch wagt ZackZack schon einen Rückblick auf den U-Ausschuss. Denn neben langwierigen Geschäftsordnungsdebatten, serieller Antwort-Entschlagung und der einen oder anderen fragwürdigen Ladung gab es einige skurrile und witzige U-Ausschuss-Momente.
Sobotkas Mikrofon-Manipulation
Der erste Befragungstag am 2. März begann direkt verspätet, Auskunftsperson Bundeskanzler Karl Nehammer und Medienleute mussten warten. Der umstrittene U-Ausschuss-Vorsitzende und erste Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) hatte die Tonanlage so programmieren lassen, dass nur er das Wort via Mikrofon erteilen und auch wieder nehmen konnte. Normalerweise liegt es in der Macht der Sprechenden selbst, ihr Mikrofon per Knopfdruck ein- und auszuschalten.
Der Beginn des #OevpKorruptionsUA verzögert sich, weil #Sobotka die Tonanlage so umstellen ließ, dass er allen das Mikro aufdrehen muss, um zu sprechen, und es allen abdrehen kann, wann er will.
— Florian Steininger @fsteining@mas.to (@FSteinin) March 2, 2022
Es folgte prompt die erste Geschäftsordnungsdebatte des Ausschusses – ein Omen, könnte man rückblickend meinen. Alle Fraktionen bis auf die ÖVP sprachen sich gegen Sobotkas Ton-Reform aus, die Anlage musste wieder in den Originalzustand versetzt werden.
Schrei-Duell: Krainer versus Sobotka
Wäre es nach allen Fraktionen bis auf die ÖVP gegangen, hätte Wolfgang Sobotka dem U-Ausschuss gar nicht vorsitzen dürfen. Schließlich geht es um mutmaßliche Korruption von Personen in der und um die ÖVP. Bereits während des Ibiza-U-Ausschusses waren Zweifel über seine Unabhängigkeit aufgekommen. Aber Sobotka blieb.
Das führte zu allerlei Unmut abseits der Fraktions-Tische der ÖVP, der sich immer wieder in lautstarken Protesten gegen Sobotkas Vorsitzführung ergoss. Zu einem regelrechten Schrei-Duell kam es etwa im Juni. SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer riss der Geduldsfaden, weil Sobotka trotz mehrerer Meldungen der Abgeordneten zur Geschäftsordnung keine Stehung anordnen wollte – bei über zwei Meldungen ist das zwar nicht ausdrücklich vorgesehen, aber üblich geworden. Krainer protestierte, Sobotka unterbrach die Sitzung und verließ den Raum.
ÖVP-Anwalt fliegt raus
Unfreiwillig den Raum verlassen musste der Vertrauensperson von Kurz-Vertrautem Gerald Fleischmann. Denn Anwalt Klaus Ainedter von der Kanzlei Ainedter & Ainedter, die mehrere ÖVP-Beschuldigte vertritt, unterstützte „Mr. Messagecontrol“ augenscheinlich gar zu sehr bei seiner Aussage gegenüber dem U-Ausschuss. Eine Vertrauensperson darf die Auskunftsperson beraten, sie aber nicht von sich aus in ihrem Antwortverhalten beeinflussen. Die Fraktionen beschwerten sich beim Vorsitzenden, Sobotka ermahnte die beiden. Letztlich stimmten die Abgeordneten kurz vor Ende der Befragung dafür, dass Ainedter den Saal verlassen musste.
Fleischmann ist übrigens seit Ende November ÖVP-Kommunikationschef, trotz laufender Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsanwaltschaft (WKStA) gegen ihn. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Sobotka genervt von Karner
Immer wieder brachten Auskunftspersonen alle Anwesenden an die Grenzen der Geduld, durch immergleiche ausweichende Antworten oder Entschlagungen. Als Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) auf Fragen immer wieder mit eher mehr als weniger derselben Leier antwortete („Ich bin seit 6. Dezember 2021 Innenminister, im Untersuchungszeitraum war ich Zweiter Landtagspräsident in Niederösterreich und engagierter Bürgermeister in Textingtal. Ich habe dazu keine Wahrnehmung“, reichte es sogar Wolfgang Sobotka. Als Karner dazu ansetzte eine weitere Frage mit seinem auswendig gelernten Biografie-Auszug zu beantworten, unterbrach Sobotka ihn leicht genervt mit: „Wissen wir schon.“ Kurzes Schweigen Karners, dann endlich eine passende Antwort auf die Frage. Na bitte, geht doch.
Hofers Kragen platzt
Auch Sobotkas Vorsitz-Vertretungen kamen dann und wann ans Ende ihrer Geduld. Die Bulldozer-Fragepraxis von ÖVP-Abgeordnetem Peter Weidinger kam bei Vorsitzendem Norbert Hofer (FPÖ) gar nicht gut an. Wieder und wieder forderte Weidinger die Auskunftsperson auf, eine Frage zu beantworten, die aber nichts mit Untersuchungsgegenstand und -zeitraum zu tun hatte. Hofer intervenierte und stellte fest, dass er die Frage nicht zulasse. Weidinger war das herzlich egal, er machte weiter, Hofer platzte der Kragen. „Ich bin ja ein umgänglicher Mensch, aber sie können ja nicht permanent Fragen stellen, wenn ich schon vorher sage, ich lasse sie nicht zu. Das hat ja so keinen Sinn“, brach es aus ihm heraus.
Rätsel um Laptop-Spaziergang gelöst
Die Befragung von Finanzminsterium-Kabinettchef Clemens-Wolfgang Niedrist machte ungewöhnliche Schlagzeilen. Denn endlich wurde das Fortbewegungsmittel des wohl berühmtesten Laptops des Landes geklärt. Gernot Blümels Laptop, laut Blümel ein privater, den er mit seiner Partnerin gemeinsam nützte. Dieser war nämlich zum Zeitpunkt der Hausdurchsuchung bei Blümel von dessen Partnerin nicht im Kinderwagen spazieren geführt worden, sondern in der Wickeltasche – versehentlich, wie Niedrist angab.
Kurz fürchtet sich vor eigener Aussage
Bei seiner Befragung vor dem U-Ausschuss antwortete Ex-Kanzler Sebastian Kurz ausschweifend bis ausweichend und fing Diskussionen über die ihm gestellten Fragen an. Als NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper sein Interesse an der Wahrheitsfindung infrage stellt, beteuert er, dieses sei vorhanden. Seine wortreichen Auskünfte im letzten U-Ausschuss hätten ihm allerdings ein Verfahren wegen angeblicher Falschaussage eingebracht, so Kurz. Daher habe er seine Strategie angepasst. Man könnte glauben, er sieht die Verantwortung für dieses und etwaige andere Verfahren also bei anderen, konkret Krisper, die ihn angezeigt hat, und nicht bei sich.
Schmid sammelt Beugestrafen
Als Thomas Schmid Anfang November endlich vor dem U-Ausschuss erschien, ließ er sofort alle Hoffnungen platzen, dass er neue Erkenntnisse liefern könnte. „Ich werde keinerlei Fragen beantworten“, sagte er eingangs. Er begründete das mit einer Interpretation eines Verwaltungsgerichtshof-Urteils: Eine Auskunftsperson dürfe auch dann die Aussage verweigern, wenn sie bereits vor den Behörden ausgesagt habe – im konkreten Fall vor der WKStA. Vorsitzende Doris Bures (SPÖ) und Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl folgten Schmids Interpretation nicht und ließen seine allgemeine Entschlagung nicht durchgehen. Schmid blieb aber stur und kassierte dafür einen Beugestrafen-Antrag nach dem anderen.
Die Geschichte endete letztlich mit einer weiteren Enttäuschung, aber nicht für Schmid. Denn Anfang Dezember stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass er nur einzelne, eher unwichtige Fragen hätte beantworten müssen. Die Beugestrafe: 800 Euro.
Na geh, wär sich fast mit dem Klimabonus ausgegangen.
— Thomas Muehl (@pinkytm) December 2, 2022
ÖVP-Argumentations-Akrobatik
ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger übte sich so manches Mal in Argumentations-Akrobatik, um auszuführen, wieso diese oder jene Frage nicht zulässig sei. Eines seiner Meisterstücke: Ex-SPÖ-Funktionäre zu befragen falle deshalb in den Untersuchungsgegenstand, weil „mit der ÖVP verbundene Personen“ schließlich auch Koalitionspartner sein könnten. Weder Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl noch die Vorsitzenden Selma Yildirim (SPÖ) und Norbert Hofer (FPÖ), konnten sich für Hangers Kunststück begeistern. „Eine interessante Wortmeldung, die mich nicht überzeugt hat“, hielt Hofer (FPÖ) fest.
Altruismus der ÖVP-Funktionäre
Wiederholt waren Interventionen von „mit der ÖVP verbundenen Personen“ Thema im U-Ausschuss. Sobotka betonte etwa, Interventionslisten rein unter einem Dienstleistungsgedanken geführt zu haben. Sein Ex-Kabinettschef Michael Kloibmüller schlug denselben Ton an: Bewerbungen und Wünsche seien Bürgeranliegen, er verstehe das Kabinettsbüro als Dienstleister. Alle Bürger hätten das Recht, sich bei jenen zu melden, deren Gehälter sie mit ihren Steuern zahlen. Auch ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger war stets bemüht, Interventionen als „per se nichts Schlechtes“ darzustellen. Anliegen zu Postenbesetzungen kämen von verschiedensten Seiten – Omas, Eltern, Lebenspartnern, Bürgermeistern – und seien ganz normal. Im Februar hatte er selbst öffentlich gesagt, auch er selbst führe eine Interventionsliste. Ganz im Dienst des Volkes unterwegs also, die Volkspartei.
Was war das heute im #ÖVPUA bei Befragung von BK Nehammer?! Es passt zur „vollen Aufklärung“ à la ÖVP, die wir in den letzten Wochen erleben: nur einräumen, was unwiderlegbar schriftlich vorliegt- und das noch verharmlosen („Bürgeranliegen“, „üblich“)- Rest wird blockiert. 🧵
— Stephanie Krisper 🇪🇺🇺🇦 (@steffi_krisper) March 2, 2022
(pma)
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