Wolf-Chats:
ÖVP-Kabinettsmitarbeiter als Hure der Reichen, ein millionenschweres Geburtstagsgeschenk für Sigi Wolf und ein Posten für eine Unterschrift.
Wien, 22. Dezember 2021 | 2016: Der Industrielle Sigi Wolf schuldet dem Staat laut Prüfung des Finanzamts elf Millionen Euro. Doch Wolf ist im ÖVP-Finanzministerium bestens vernetzt. Er will nicht mehr als sieben Millionen bezahlen und interveniert bei Finanzminister Hans Jörg Schelling und dessen Generalsektretär Thomas Schmid.
Der berichtet am 31. Oktober an Minister Schelling: „Haben heute Einigung mit Sigi geschafft. Er zahlt zwischen 7 und 8 Millionen Euro nach.“ Den Beteiligten ist bewusst, dass der Republik dadurch Millionen entgehen. „Teurer Geburtstag“ schreibt Schmid – Wolf wurde am 31. Oktober 1957 geboren.
Doch Wolf hat mit seinem vier-Millionen-Geschenk vom Steuerzahler noch nicht genug: „Er rief mich mehrmals an und wollte auf 6 runter“, meldet Schmid an Schelling. Doch zu diesem Zeitpunkt sei eine weitere Intervention nicht mehr möglich gewesen.
Das Kreuz mit den Zinsen
„Nur wenige Tage nach Bescheiderlassung begann“ wie die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in ihrem Ermittlungsakt zur Causa ausführt, „ab Jänner 2017 eine weitere intensive Phase der Intervention“. Diesmal geht es um Zinsen in Höhe von 680.000 Euro, die Wolf schuldig war. Die sollen ihm nachgesehen werden.
Doch dafür gibt es laut Expertise der zuständigen Finanzbeamten keinen Grund. Schmid beauftragt Kabinettsmitarbeiter K. zu „versuchen was geht.“ Über den Einfluss reicher Industrieller auf die ÖVP-geführten Ministerien macht sich Schmid keine Illusionen: „Vergiss nicht – du hackelst im ÖVP-Kabinett! Du bist die Hure für die Reichen.“ K. nimmt die ihm zugedachte Rolle leicht: „Danke, dass wir das so offen besprechen können!“
Doch die zuständige Fachabteilung legt sich quer „und beharrte darauf, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Genehmigung im Falle der Antragstellung nicht vorlägen.“
Die Komplizin
Also finden Schmid und Wolf eine willfährige Beamtin als mutmaßliche Komplizin für ihren Plan. Die Finanzamtsmitarbeiterin K. will Karriere machen. Dafür sagt ihr Schmid seine Unterstützung zu, sobald sie Wolfs Problem aus dem Weg geschafft hätte. Wolf und Beamtin K. besprechen die Angelegenheit auch persönlich – auf einer niederösterreichischen Autobahnraststätte.
Sigi und die „liebe Helga“ werden handelseins. Nun tritt, so vermutete die WKStA, der damalige Sektionschef und heutige Chef der Finanzmarktaufsicht Eduard „Edi“ Müller auf den Plan, um Beamtin K. die Leitung ihres Wunschfinanzamts zu verschaffen. „Sie will Baden (…) Bitte der Edi soll draufbleiben!“ schreibt Wolf an Schmid.
Als K. dann endlich zum Hearing für den Wunschposten eingeladen wird, hält sich Wolf auf dem Laufenden. „War das Hearing unserer Dame für Baden gestern ok?“, will er von Schmid wissen. „Klar,“ antwortet der.
Als K. erfährt, dass ihre Beförderung auf Schiene ist, bedankt sie sich bei Wolf: „Nochmals thanks!!!!!!! Scheine dem Herrn Bundesminister als Vorständin vorgeschlagen zu sein.“ Wolf freut es. „With pleasure“, schreibt er zurück.
K. will „vor Steuerbetrug schützen“
Im Juli bekommt Wolf, was er will. K. setzt ihre Unterschrift unter einen Nachlass in Höhe von 629.941 Euro. Gut einen Monat später erhält sie ihren Traumjob. Hocherfreut gibt sie den „Niederösterreichischen Nachrichten“ ein Interview: „Natürlich freue ich mich auf die neue Aufgabe, weil sie auch Herausforderung und Ehre zugleich ist. Immerhin ist dieses Finanzamt das größte Landfinanzamt in ganz Österreich.“ sagt K. Sie kündigt ausgerechnet an, die Wirtschaft durch „Bekämpfung des Steuerbetrugs“ schützen zu wollen. Dafür werde sie „alles tun.“
Der Deal fällt 2019 bei einer Routineüberprüfung des Finanzamts auf. Jetzt erst erfährt die zuständige Abteilung im Ministerium, dass sie 2017 übergangen wurde. Sie hebt den Bescheid auf. Die Sache ist derzeit beim Bundesfinanzgericht anhängig.
Und die vier Millionen „Geburtstagsgeschenk“ für Wolf? Sie dürften dem Staat endgültig entgangen sein. Vom Finanzministerium erhielt ZackZack bis Erscheinen des Artikels keine Stellungnahme. Die WKStA ermittelt wegen Bestechung bzw. Bestechlichkeit gegen Sigi Wolf, Thomas Schmid und Helga K. Es gilt die Unschuldsvermutung.
(tw/bf/bp)
Titelbild: APA Picturedesk