Samstag, Dezember 7, 2024

NEOS wittern Lähmung von Antikorruptionsbehörde durch ÖVP

Die Opposition, allen voran die NEOS, vermutet, dass das Bundesamt für Korruptionsprävention und -bekämpfung über Jahre hinweg systematisch ausgeblutet worden ist. 

Wien, 14. Juli 2022 | Die Opposition, allen voran die NEOS und deren U-Ausschuss-Fraktionsführerin Stephanie Krisper, wie auch die Grünen vermuten, dass das Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) systematisch lahmgelegt werden sollte – unter Federführung des türkis geführten Innenministeriums (BMI).

Mehrere Stellen sind nicht oder nur interimistisch besetzt, es gibt Doppelzuständigkeiten und die Arbeitsstunden, die zur Verfügung stehen, sind rückläufig. Das bestätigte am Mittwoch vor dem ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss Otto Kerbl, der die Behörde seit zwei Jahren leitet, ebenfalls interimistisch.

Die Antikorruptionsbehörde gilt als polizeiliches Gegenstück zur Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und arbeitet mit dieser immer wieder zusammen – eine professionelle und kooperative Zusammenarbeit, wie Kerbl sagte. Das BAK untersteht formell dem BMI. Kerbl betonte aber, es gebe keinerlei Berichtspflichten an das Ministerium und konkrete Anfragen zu Ermittlungen seien ihm nicht erinnerlich.

Direktorat seit zwei Jahren nicht fix

2020 war der damalige BAK-Direktor Andreas Wieselthaler wegen Vorwürfen sexueller Belästigung innerhalb des BMI versetzt worden. Mit Juli 2020 hatte Kerbl die Stelle geschäftsführend übernommen, sein Vorgänger hatte sich karenzieren lassen. Erst im März 2022 ist das Direktorat neu ausgeschrieben worden, die Bewerbungsfrist hatte im April geendet.

Zu den Bewerbern oder deren Anzahl war bisher nichts an die Öffentlichkeit gedrungen. Vor dem U-Ausschuss sagte Kerbl, er selbst habe sich auch beworben. Die NEOS vermuten, dass er zuvor gezielt für die Stelle in Position gebracht worden war.

Punktgenauer Masterlehrgang

Otto Kerbl hatte im Dezember 2018 seinen Masterlehrgang „Anti-Corruption Studies“ an der Internationalen Anti-Korruptions-Akademie (IACA) in Laxenburg abgeschlossen. Bezahlt hatte den Lehrgang das Innenministerium (BMI). Brisant: In einer Anfragebeantwortung des Innenministeriums an die NEOS vom 5. Juli 2022 sind alle Lehrgänge, die das BMI übernimmt, inklusive deren Kosten aufgelistet.

„Anti-Corruption Studies“ sind nicht darunter. Kerbl sagte vor dem U-Ausschuss, dass seines Wissens nach auch sein ehemaliger Chef Wieselthaler denselben Lehrgang bezahlt bekommen hatte.

Eine Nähe zur ÖVP wollte er sich nicht nachsagen lassen. Als Vertrauensperson hatte er jedenfalls Martin Huemer mitgebracht, der bereits auch diversen ÖVP-Ministern zu Seite gestanden ist. Spät in Kerbls Befragung kam dann heraus, dass er Mitglied des Linzer Wirtschaftsbunds ist, einer ÖVP-Teilorganisation, wenngleich die Mitgliedschaft seit 2019 ruhend ist. Außerdem ist er Teil der Fraktion Christlicher Gewerkschafter.

Mehrere Stellen offen oder interimistisch besetzt

Die Leitung des BAK ist nicht die einzige Stelle in der Behörde, an der es derzeit keine oder keine fixe Besetzung gibt. Die NEOS vermuten, dass das BAK im Laufe der Jahre bewusst gelähmt worden ist. Von den drei Abteilungen des BAK haben zwei nur eine interimistische Leitung, eine seit April gar keine. Denn die betreffende Abteilungsleiterin war in Pension gegangen, Kerbl hat ihre Aufgaben übernommen.

Die Beamtin wäre nach Kerbl geladen gewesen, für ihre Befragung war es aber letztendlich bereits zu spät. Eine Aussage Kerbls lässt vermuten, dass es zwischen ihm und der pensionierten Mitarbeiterin Konfliktpotential gegeben hatte. Kerbl sagte auf die Frage, wie sein Verhältnis zu ihr gewesen sei, er habe sich stets um ein konstruktives Dienstverhältnis bemüht. Mehr dazu wird wohl im Herbst von ihr selbst zu hören sein.

Auch für zwei der insgesamt neun Referate, die den Abteilungen untergeordnet sind, gibt es derzeit keine Leitung. Eines der Referate wird derzeit von einem Abteilungsleiter mitgeführt. Kerbl betonte, das BAK sei voll handlungsfähig. Er räumte aber ein, dass in den vergangenen Jahren die zur Verfügung stehenden Arbeitsstunden zurückgegangen sind. Er sprach von Rekrutierungsschwierigkeiten. Dass einige Stellen längerfristig nur interimistisch besetzt seien, habe dienstrechtliche Gründe, etwa, dass Planstellen formell nicht frei seien, beispielsweise aufgrund einer Karenz.

Fünf BAK-Ermittler für Ibiza-Komplex

Seit die WKStA der SOKO Ibiza das Vertrauen und die Ibiza-Ermittlungen entzogen hatte, ist das BAK mit den Ermittlungen betraut. Für den Ibiza-Ermittlungskomplex sind dort fünf Personen zuständig. Das konnte Kerbl dem Abgeordneten David Stögmüller (Grüne) nach einem längeren Blick in seine Unterlagen sagen.

Damit liegt der Fall jetzt da, wo er, auch nach Einschätzung Kerbls, von Anfang an hingehört hätte. Die Einrichtung der SOKO nach der Ibiza-Affäre hatte damals, berichtet Kerbl, Verwunderung in der Antikorruptionsbehörde ausgelöst. Die Frage, ob für die Ibiza-Ermittlungen nach wie vor Beamte des Bundeskriminalamts zurückgegriffen würde und die ehemalige SOKO damit Akteneinsicht hätte, konnte Kerbl nicht beantworten. Er sei angeblich nicht so eng in den operativen Dienst eingebunden.

(pma)

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Pia Miller-Aichholz

    Hat sich daran gewöhnt, unangenehme Fragen zu stellen, und bemüht sich, es zumindest höflich zu tun. Diskutiert gerne – off- und online. Optimistische Realistin, Feministin und Fan der Redaktions-Naschlade. @PiaMillerAich

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