Ein Ergebnis, das für manche überraschend kam: Knapp mehr als die Hälfte lehnten in St. Leonhard die geplante Gletscherehe der Skigebiete Pitztal und Ötztal ab. Jetzt nehmen die Grünen die ÖVP in die Pflicht.
Innsbruck/Imst/St. Leonhard im Pitztal, 18. Juli 2022 | Nach dem Aus für den Zusammenschluss der Pitztaler und Ötztaler Skigebiete durch das Nein der Bevölkerung von St. Leonhard im Pitztal bei einer Volksbefragung haben die Tiroler Grünen auf Änderungen im Raumordnungsprogramm gedrängt. Dort sollen laut Landtagswahl-Spitzenkandidat Gebi Mair die als “Erweiterungsflächen” ausgewiesenen Gletscher-Flächen herausgenommen werden. Umgesetzt werden soll diese Änderung noch durch die bestehende schwarz-grünen Koalition, drängte Mair.
Damit nahm er Koalitionspartner ÖVP in die Pflicht. “Der Sinneswandel der Bevölkerung in Sachen Gletscherschutz ist jetzt da und die Landespolitik soll diese Signale hören”, meinte Mair am Montag bei einer Pressekonferenz in Innsbruck. Aktuell bestehe die generelle Chance, “in neue Zeiten zu gehen” und die ÖVP hätte die Möglichkeit, “dabei mitzugehen”, so der grüne Klubobmann.
Richtung “klimaneutral” diskutieren
Man dürfe die Verantwortung jedenfalls nicht nur auf die Einwohner von St. Leonhard im Pitztal abschieben, die das seit 2016 geplante und schließlich stillgelegte Projekt endgültig zu Fall brachten. “Es gibt eine gesamtpolitische Verantwortung, auf dieses Stimmungsbild zu reagieren”, so Mair. Neben den notwendigen Änderungen in Raumordnungsprogramm, um den “Gletscherschutz außer Frage zu stellen”, will man mit dem Koalitionspartner auch baldigst etwa über das Seilbahn- und Skigebietsprogramm diskutieren und generell in Richtung “klimaneutraler Tourismus” vorstoßen, kündigte Mair an.
“Nicht überraschend”
Neben den Tiroler Grünen reagierte auch die oppositionelle “Liste Fritz” auf das “Gletscherehe”-Aus. Für diese kam das “Nein der Pitztaler Bevölkerung nicht wirklich überraschend”. Das Votum reihe sich in ein in eine “Grundstimmung in Tirol, die Menschenschutz und Naturschutz vor Wirtschaftsmacht und Lobbyinteressen stellt”, erklärte Klubobmann Markus Sint in einer Aussendung.
Vor dem “Gletscherehe”-Aus und der Volksbefragung hatte es jedenfalls bereits eine Petition “Nein zur Gletscherverbauung Pitztal-Ötztal” mit rund 170.000 Unterschriften gegeben. Deren Initiator sprach am Montag erneut davon, dass die Zerstörung durch den Skigebiet-Zusammenschluss “massiv” gewesen wäre.
Auf die Frage “Soll der Skigebiet Zusammenschluss Pitztal-Ötztal gebaut werden?” antworteten am Sonntag 353 Stimmberechtigte in St. Leonhard mit “Nein” (50,36 Prozent), 348 (49,64 Prozent) waren dafür (Wahlbeteiligung: 59 Prozent). Gleich darauf erklärten die Verantwortlichen der Pitztaler Gletscherbahn, das Interesse an der Fortführung des Projektes verloren zu haben. “Die Zustimmung der Standortgemeinde war für uns von Anfang an die Grundvoraussetzung dafür, einen Zusammenschluss mit dem Ötztaler Gletscher bzw. mit dem Skigebiet Sölden anzudenken und zu planen”, hieß es seitens der Bahn.
Großes Bündnis gegen die “Gletscher-Ehe”
Der Gegenwind gegen die “Gletscher-Ehe”war jedenfalls massiv gewesen. Eine Allianz bestehend aus WWF, Alpenverein und WWF hatte sich vehement gegen die Fusion gewehrt. Bei einem Investitionsvolumen von 130 Millionen Euro wären beim Zusammenschluss drei neue Seilbahnen und 60 Hektar zusätzliche Pisten vorgesehen gewesen. Die “Gletscher-Ehe” lag allerdings bereits seit Jahren auf Eis. Eine für Anfang 2020 anberaumte mündliche Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) war zuletzt vertagt worden. Die UVP war ruhend gestellt, aber – weil einige Unterlagen nicht mehr dem neuen Stand entsprächen – nicht abgeschlossen worden, hatte Landesumweltanwalt Walter Tschon auf eine APA-Anfrage im April mitgeteilt.
(apa/red)Titelbild: APA Picturedesk