Samstag, Juli 27, 2024

Schilling und Kogler: Im Auge des Wirbelfurzes

Die Affäre „Schilling“ trifft die Grünen in einem besonders gefährlichen Moment.

Lena Schilling war mehr als ein Notnagel. Die Erleichterung muss groß gewesen sein, als die Parteispitze das „Ja“ von Schilling in der Tasche hatte. Im Frühjahr 2024 war sie die ideale Spitzenkandidatin: die junge Frau, die sich als Öko-Aktivistin einen Namen gemacht hatte; die Kolumnistin der „Kronen Zeitung“, zu der die Grünen bisher kaum Zugang hatten; und das politische Leichtgewicht für einen Wahlkampf „mit Herz“ und ohne Kritik an der ÖVP-Koalition.

Jetzt ist Lena Schilling für die Grünen über Nacht zum Schwergewicht geworden. Am Beginn eines Wahlkampfes lohnt es sich nachzusehen, wie es weitergeht.

Eine Schmutzkübelkampagne?

Bis heute haben Werner Kogler und Sigi Maurer auf begründete Fragen alle Antworten verweigert. „Schmutzkübelkampagne“ – das hört man sonst von Parteien wie ÖVP und FPÖ, wenn sie in der Sache selbst nichts mehr zu gewinnen glauben.

Einige Kübel stammen wohl aus dem Grünen Klub selbst. Der entscheidende Vorwurf kommt vom Ehepaar Bohrn-Mena. Sie werden anwaltlich durch Peter Zöchbauer vertreten. Er gilt als einer der härtesten Medienanwälte, der vom ÖVP-nahen Kripo-Chef Andreas Holzer bis zu Novomatic gezeigt hat, was er kann.

Bis jetzt hat niemand nachgefragt, was Schilling mit ihrem „Mafia“-Vorwurf gegen die Unternehmensgruppe der Bohrn-Menas meinte und was ihre Aufgabe dort war. Unabhängige Journalistinnen und Journalisten werden für die Aufklärung sorgen, zu der die Grünen nichts beitragen wollen. Aber wie geht es weiter?

Viele haben eine Angst: dass die Grünen bei der Europawahl schwer verlieren und die einzige Stimme für ernsthafte Klimapolitik noch leiser wird. Die Angst ist berechtigt. Nachdem sich die Parteispitze für Aussitzen und Durchtauchen entschieden hat, können die Grünen selbst nicht mehr viel aus ihrem Wahlkampf machen. Sie können nur hoffen, dass es andere härter trifft. Die FPÖ mit Harald Vilimsky und der Buchhaltung der FPÖ Wien scheint da eine Bank zu sein.

Der nächste Wahlkampf

Schilling selbst wird wahrscheinlich Abgeordnete im EU-Parlament. Wie Sarah Wiener vor ihr verschwindet sie dort aus der Aufmerksamkeit, weil die schon in den nächsten Wahlkampf wandert. Der droht für die Grünen besonders schwer zu werden, aus mehreren Gründen:

  1. Die Grünen haben den Moment verpasst. Es hätte viele Gründe gegeben, aus der Koalition mit der ÖVP auszusteigen. Anfang Dezember 2023 hätte Schluss sein müssen: als ÖVP- Ministerin Karoline Edtstadler den Klimaplan der Regierung hinter dem Rücken der grünen Umweltministerin „zurückzog“ und dafür sorgte, dass Österreich als einziger EU-Staat bis heute keinen hat.

Das wäre der Tag für das grüne Ultimatum gewesen: Einstieg in den Klimaplan oder Ausstieg aus der Regierung. Diesen Konflikt hätten die Grünen gewonnen – so oder so. Schon damals haben sie sich für „Aussitzen“ entschieden.

  • Die Grünen sind führungslos. Als Werner Kogler zur Schilling-Verteidigung ansetzte, war den Anwesenden schnell klar, dass er keinen Plan hatte. Er schimpfte, weil er nicht wusste, was er sagen sollte.
  • Der kommende Wahlkampf kann zum Überlebenskampf werden. Wer soll ihn führen? Kogler, Maurer und Gewessler haben sich an Schilling gekettet. Wenn noch mehr ans Tageslicht kommt, wird ihr Problem noch größer. Nur Alma Zadic hält sich heraus.
  • Vor den Nationalratswahlen zittert die Hälfte der grünen Abgeordneten um ihre Zukunft. Sie sehen zu, wie ein Mandat nach dem anderen von einer gelähmten Parteispitze verspielt wird. Der Druck im grünen Kessel steigt.
  • 2019 hat Werner Kogler die Grünen aus einem selbstgegrabenen Loch auf den höchsten Gipfel ihrer Parteigeschichte geführt. Jetzt wird der Blick auf das nächste Loch frei. Der Wind pfeift um die Ohren, der „Furz“ hat sich zum Wirbelfurz gesteigert.

Hätten die Grünen im letzten Jahr einiges richtig gemacht, wären sie im September 2024 der natürliche Gegenpol zur drohenden Übermacht der FPÖ. So sind sie eine Hoffnung, die es kaum mehr gibt. Eine Alternative zu ihnen ist nicht in Sicht, weil von SPÖ bis Neos und KPÖ niemand Klimapolitik ernst genug nimmt.

Lena Schilling wird sich nach Brüssel retten. Kogler, Maurer und Gewessler müssen in einen Wahlkampf, in dem jeder Stein um den Hals einer zuviel sein kann. Möglicherweise ist das ein Gemurkse, bei dem nicht einmal ein Gefurze hilft.

p.s. (10.15 Uhr): Im Gegensatz zu den Grünen geht die FPÖ planmäßig vor. In der ersten TV-Debatte setzte sich Harald Vilimsky genüsslich in Lena Schillings Schatten. Die Delikte, die ihm die Staatsanwaltschaft vorwirft, wiegen weit schwerer als das, was Schilling die Kandidatur verpatzt. Aber darüber wird niemand reden, solange die Grünen in der Gemurkse-Falle strampeln.

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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