Samstag, Juli 27, 2024

Ausgerechnet: Heizungstausch – Den Gashahn endgültig abdrehen

Ausgerechnet:

Wer mietet, kann seine Gasheizung nicht einfach tauschen, muss aber die hohen Gaskosten schultern. Mietabschläge könnten Vermieter zum Heizungstausch motivieren, von Gasheizungen müssen wir uns möglichst schnell verabschieden.

Joel Tölgyes

Wien, 23. Juli 2022 | Die Wartungsarbeiten sind abgeschlossen, durch die Pipeline Nord Stream 1 fließt wieder etwas Gas aus Russland nach Europa. Den Gashahn kann Putin trotzdem nach seinem Belieben auf- oder zudrehen. Kontrollierte Liefereinschränkungen und die Unsicherheit am Gasmarkt, die damit einhergeht, treiben den Gaspreis weiter hoch. Besonders mit Blick auf den Herbst wird das zum Problem: Mehr als jeder vierte Haushalt in Österreich heizt mit Gas.

Gegen die Klimaerhitzung sind hohe Gaspreise gar nicht einmal so schlecht. Wollen wir weg von fossilen Energieträgen, kommen wir nicht darum herum, Energie einzusparen und auf klimaverträgliche Verkehrs-, Strom- oder Heizsysteme umzusteigen. Und das möglichst rasch. Hohe Preise können ein dafür notwendiges Signal setzen. Mit der CO2-Steuer wollen wir genau das bewirken: Eine Änderung hin zu klimafreundlichem Verhalten aufgrund der steigenden Kosten.

Klimapolitisches Schneckentempo fällt uns jetzt auf den Kopf

Die klimapolitische Debatte hat sich jedoch viel zu lange allein auf die CO2-Bepreisung fokussiert. Hohe Gas- und Ölpreise wären der beste Weg, um Emissionen zu reduzieren, so der langjährige Tenor. Damit sind andere Elemente der Klimapolitik in den Hintergrund gerückt, etwa klare Verbote klimaschädlicher Technologie. Der Ausbau klimafreundlicher Infrastruktur – vom Windrad für erneuerbare Energie bis zur Bahnlinie für CO2-arme Mobilität – ist ein Jahrzehnt lang gestockt. Das fällt uns jetzt auf den Kopf. Damit stehen wir vor viel zu rasant steigenden Preisen, während es an verfügbaren Alternativen mangelt, die schon längst da sein könnten.

Ein Beispiel ist das Heizen: Hier war man lange Zeit zu zögerlich. Doch auch beim neuen Entwurf des Erneuerbaren-Wärme-Gesetzes ist eine gewisse Halbherzigkeit zu spüren. Verboten wird der Einbau von Gasheizungen ab nächstem Jahr – allerdings lediglich im Neubau. Bestehende Gasheizungen dürfen noch bis 2040 bleiben. Bei Gebrechen dürfen sie sogar gegen nigelnagelneue Gasheizungen getauscht werden.

Mieter müssen schlucken

Das Resultat dieser politischen Versäumnisse: Eine Million Haushalte in Österreich werden nach wie vor mit Gas beheizt. Bewohner von Eigenheimen können ihre Gasheizungen gegen andere Heizsysteme tauschen und bekommen mit Förderungen von Bund und Ländern einen großen Teil der Kosten ersetzt – gut fürs Klima und die Geldbörse. Rund die Hälfte der Gasheizungen steht jedoch in Mietwohnungen. Mieter bleiben auf ihren Gasheizungen sitzen und müssen die exorbitant hohen Gaspreise schlucken. Für den Heizungstausch verantwortlich wären die Vermieter, aber sie kümmern die horrenden Heizkosten herzlich wenig.

Die – in diesem Fall ungeplanten – Preissignale treffen also die Falschen. Das ließe sich ändern. Deutliche Mietabschläge für Wohnungen mit Gasheizungen würden helfen. Fällt die Miete plötzlich um 200 Euro niedriger aus, werden so manche Vermieter aufwachen und sich informieren, ob die Gasheizung gegen Fernwärme, Wärmepumpen oder andere nachhaltige Heizungen getauscht werden kann.

Der Wert sinkt

Gleichzeitig verändern die hohen Gaspreise den Wert von Mietwohnungen mit Gasheizung. In Wahrheit ist jede Wohnung mit Gasheizung jetzt weniger wert, weil das Leben darin viel teurer geworden ist. Das sollte sich in niedrigeren Mieten widerspiegeln. Um ordnungspolitische Maßnahmen werden wir dennoch nicht herumkommen: Um uns aus Abhängigkeit von fossilen Energieträgern – und damit vom russischen Gas – zu befreien, müssten das Erneuerbare-Wärme-Gesetz verschärft und Gasheizungen deutlich früher verboten werden. Preis-Anreize sind zwar schön, mögen auch generell helfen. Aber ohne einen eindeutigen Auftrag des Staates – mit kräftigen Geboten und klaren Verboten – wird zu wenig zu langsam für den Klimaschutz passieren. Dafür sind Gesetze da.

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Joel Tölgyes ist Klima-Ökonom am Momentum Institut. Er hat Public Economics an der Freien Universität Berlin studiert. Er beschäftigt er sich mit den Verteilungsaspekten der Klimakrise und mit der Frage, wie wir unser Wirtschaftssystem ökologischer und nachhaltiger gestalten können.

Titelbild: APA Picturedesk

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