Donnerstag, Mai 2, 2024

Edtstadler vergleicht Beschuldigtenstatus mit »ziviler Todesstrafe«

Gegen zahlreiche ÖVP-Poltiker wird derzeit ermittelt. Verfassungsministerin Karoline Edtstadler zog dazu am Mittwoch einen gewagten Vergleich.

Wien, 04. August 2022 | Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) tritt für eine Stärkung der Beschuldigtenrechte ein, mit einem fragwürdigen Vergleich. “Wenn ein Beschuldigtenstatus einer zivilen Todesstrafe gleichkommt, dann mache ich mir große Sorgen um Österreich”, meinte sie am Mittwoch im APA-Interview. Reformbemühungen des Justizministeriums gingen ihr “zu langsam”. In Sachen Amtsverschwiegenheit plant sie für den Herbst eine Offensive. Bisher angekündigt wurde ein Informationsfreiheitsgesetz, nach mehr als zweieinhalb Jahren Türkis-Grün, ist es allerdings immer noch nicht umgesetzt.

Viel Kritik an Justizressort von Edtstadler

Ebenfalls auf der langen Bank liegt aktuell der Bundesstaatsanwalt. Zuletzt war vom Justizministerium ein Zwischenbericht vorgelegt worden, wobei sich ein Gremium an der Spitze der Weisungskette als favorisierte Lösung herauskristallisierte. In diesem Punkt bremst allerdings Edtstadler: “Einer Kollegialbehörde kann ich weniger abgewinnen.” Rote Linie für die Verfassungsministerin ist, dass etwas besseres herauskommt, als es das derzeit schon gibt. Dafür müsse der Bundesstaatsanwalt dem Parlament gegenüber in Verantwortung stehen. Die Details dazu seien noch offen, wie so vieles, betonte Edtstadler, nicht ohne hinzuzufügen, dass sie vom Justizressort noch gar nicht in politische Verhandlungen eingebunden worden sei.

Mäßig zufrieden scheint die Verfassungsministerin auch mit den Bemühungen des Justizressorts bezüglich der Ausweitung der Beschuldigtenrechte. Edtstadler stört etwa die Dauer der Verfahren, die für Beschuldigte sowohl wirtschaftlich auch von ihrem persönlichen Ruf zum Problem wird. Man müsse effizientere Verfahren finden, damit Beschuldigte nicht ewige Beschuldigte seien. Einmal mehr warb sie auch für eine zeitgemäße Neuregelung, was die Möglichkeit zur Handyauswertung angeht, wo man über Jahre und Jahrzehnte ohne richterliche Bewilligung alle Inhaltsdaten hernehmen könne, während es bei der telefonischen Überwachung ganz enge Regeln gebe.

Edtstadler sieht bei Entlastungspaketen noch Verbesserungsbedarf

Nicht aufgeben ist sichtlich die Devise der Ministerin, was die Situation ihrer in den Umfragen tief gestürzten Volkspartei angeht: “Der Hoffnung kann man Vorschub leisten, indem man für die Menschen arbeitet.” In Zeiten der Krisen sei es für Regierende aber immer schwierig, das sehe man aktuell in Italien, Frankreich oder Bulgarien. Alle Lösungen würden nie allen reichen.

Allerdings sieht auch Edtstadler Verbesserungsbedarf. Die Entlastungspakete könnten noch treffsicherer werden, wie etwa die 150 Euro Energiekostenausgleich. Da sei sie “gegen die Gießkanne”. So etwas sei auch der Schnelligkeit geschuldet, aber man müsse schauen, ob die Entlastung dann auch tatsächlich bei denen ankomme, die es auch bräuchten. Insgesamt warb sie jedoch um Verständnis, seien die Herausforderungen aktuell doch “riesengroß”. Man habe nicht immer sofort alle Lösungen in der Schublade, manchmal komme man auch drauf, etwas sei nicht die schlaueste Lösung gewesen und man versuche eine andere.

(apa/bf)

Titelbild: HANS PUNZ / APA / picturedesk.com

Benedikt Faast
Benedikt Faast
Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.
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37 Kommentare

  1. Spannend, dass gerade eine Vertreterin der ÖVP ständig davon schwafelt, was alles den rechtsstaat gefährden würde. Erinnert mich irgendwie an den Hangar. Der leidet ja auch unter dem Geisterfahrersydrom!

  2. Wenn ihr der Beschuldigtenstatus schon problematisch vorkommt, dann möge sie mal den UNGEIMPFT-Status probieren. Da sind dann auch noch die meisten Grundrechte dahin.

  3. Conny Bischofberger , Herr Kurz wie üben Sie ihre Rolle als Vater an ihrem neuen Wohnsitz aus ?…Kurz , ich freue mich auf die Besuchstage……

  4. Als Richterin hatte sie nicht so viel Mitleid mit den Beschuldigten. Es ist ein Fall bekannt, in dem sogar die Staatsanwaltschaft GEGEN die verhängte Strafe berufen hat, weil diese unverhältnismäßig hoch war. Naja die Beschuldigten waren auch politische Aktivisten der Opposition, da kannte die Frau Richter kein Pardon.

  5. Jetzt plötzlich setzt sich die ÖVP für Betroffenenrechte, Privatsphäre und Datenschutz ein?

    Dann besteht ja sicherlich kein Problem, z.b. den Abruf von biometrischen Fotos aus diversen Registern wieder auf NUR gerichtliche Straftaten bei zumindest staatsanwaltlichem Beschluss zu beschränken, wobei dabei natürlich eine Verständigungspflicht im Nachhinein auch dabei sein sollte, wie bei anderen StPO-Zwangsmassnahmen – statt wie seit 2020 unkontrollierten Zugriff für nicht nur jede Polizeibehörde, sondern sogar jede Verwaltungsbehörde (BH, Magistrat…) bereits bei Verwaltungsübertretungen und natürlich ohne, dass die betroffene Person, wenn sie unschuldig ist JEMALS davon erfährt.

    Gilt diese Regelung dann eigentlich auch für den Pöbel oder nur für Politiker einer Regierungspartei, die in ihrer Bezeichnung “Volkspartei” vorgibt, dem Volk zu dienen?

    Es ist dringend an der Zeit, die Bananen in der Republik ein letztes Mal abzuernten und alle Polit-Affen in den Zoo zu bringen.

    • Oh das sind natürlich jetzt schon wunderbare Fakten. 🙂 Ja, da haben Sie schon ganz recht. Die von Ihnen genannten Gesetze, Verordnungen sind zu einem guten Teil verfassungsfeindlich, betreffen die Privatsphäre intim. Aber damals dachten die ja noch alle, dass sie eine faschistische Republik draus machen können und da gehört die behördliche Datenweitergabe an alle dazu, damit ja alle gefügig werden und bleiben, weil ja jeder alles abrufen kann. Und wir habens geschluckt und wieder vergessen. Ich auch. Dafür danke. Aber jetzt gerade ist sich die faschistische Republik nicht ausgegangen. Jetzt muss man die eigenen Leute schützen, weils irgendwo doch noch sowas wie Justiz gibt. Aber wer weiß, wie es in 2 Jahren aussieht? Drum wird das nicht abgeschafft. 🙁

      • Ja Gott sie Dank haben wir es zumindest offiziell noch nicht geschafft zu einer faschistischen Republik erhoben zu werden und können uns Gott sei Dank noch auf unsere bereits viel geliebten Wahldemokratie noch weiter ausruhen, wo wir gerade wieder über mehrere sogenannten Scheinwahlen dem alten und gut bewährte “System” einen neuen bunten Farbanstrich verpassen dürfen

  6. Unfassbare Frau mit unfassbaren Forderungen und schon lange nicht nur schwer rücktrittsreif, sondern anklagewürdig wegen vorsätzlichem Verfassungsbrechen!

    Wie kann Jemand welcher den verfassungswidrigen, menschenrechtswidrigen und schwer kriminellen Immunitätserlass nicht kritisiert und weiter schützt nun auch noch die Beschuldigten schützen wollen, nach dem die meisten ohnehin schon immun sind? (Vermutlich nach dem Motto Angriff ist die beste Verteidigung?)

    Das ist schon schwer pervers und historisch in der Geschichte Österreichs und werden wohl noch unsere Enkel und Urenkle in der Schule zukünftig lernen müssen.

    Aber die Opposition, welche wohl selber schwerer Nutznieser davon ist, ist nach wie vor komplett abgetaucht und unser Mafiapräsident sowieso schon immer…

    Aber auch die Mainstream Medien schweigen weiter, ausser dem förderlosem Aufdeckerjournal Zackzack

  7. Noch viel mehr Sorgen mach ich mir um Österreich wenn eine ehemalige Vertreterin von Justitia und aktuelle Ministerin die Beugung des Rechts als legitim betrachtet und gegen Instanzen vorgeht die Solches abstellen wollen.

    • KICKL & EDTSTADLER
      derStandard 23. Jan 2019
      Wien – Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) stellt die Europäische Menschenrechtskonvention und das rechtsstaatliche Prinzip infrage. Im Interview mit Susanne Schnabl im ORF-“Report” am Dienstagabend erklärte er: “Ich glaube immer noch, dass der Grundsatz gilt, dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht.” Tatsächlich ist im Bundes-Verfassungsgesetz aber festgehalten: “Die gesamte staatliche Verwaltung darf nur auf Grundlage der Gesetze ausgeübt werden.” Kickl ist als Minister Teil der Verwaltung, die Gesetze macht das Parlament.

      • Die EMRK in Frage stellen ist übel, sie in Österreich auszusetzen, wie es die letzten 2 1/2 Jahre geschehen ist, ist natürlich gut.

  8. Wenn es die schwarz/türkise Mafia betrifft ja dann müssen wir über die Änderung der Beschuldigtenrechte nachdenken!!!. NEIN ordentliches Verfahren und jetzt mein Traum Pyjama gestreift und eine Eisenkugel am rechten Fuß das es auch politisch passt.

  9. eigentlich stell ich mir nur eine frage

    “hams der schon komplett ins hirn gschissn?!”

    aber joa
    das frag i morgen die schwarzen beim wirtn

  10. | “Der Hoffnung kann man Vorschub leisten, indem man für die Menschen arbeitet.” |

    Billiger, populistisch normativer Duktus, im Volksmund “Dampfplauderei” genannt.
    (“Es könnt’ ja Vieles so viel einfacher und schöner sein, wenn’s so gemacht würde, wie es sich gehörte.”)

    | In Zeiten der Krisen sei es für Regierende aber immer schwierig, das sehe man aktuell in Italien, Frankreich oder Bulgarien.|

    Dass wir im int. Vergleich zuzügl. aktuell einen der höchsten Werte im Korruptionsindex aufweisen, scheint in ihren Betrachtungen großzügig vernachlässigbar zu sein.

    | Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) tritt für eine Stärkung der Beschuldigtenrechte ein […] “Wenn ein Beschuldigtenstatus einer zivilen Todesstrafe gleichkommt, dann mache ich mir große Sorgen um Österreich”, meinte sie…|

    Dass sich GANZ Österreich eben(falls) um dieses “Österreich” Sorgen macht, angesichts dieser endlos-Skandal-Saga, scheint dieser “Betoniererin” völlig entgangen zu sein!?

    • Danke für die differenzierte Auflistung. Hab mir bei der “zivilen Todesstrafe” gedacht: Lange Verfahren haben nur Reiche und Korrupte. Deren Anwälte schauen, dass sie lang werden. Eine Akzeptanz eines Schuldspruchs ist nicht drin. Unter diesem Aspekt bedeutet Abkürzung der Verfahren “daschlogen”. Ein Diebstahl, ein Einbruch, eine Rauferei sind ja schnell endverhandelt. Also: Kleine Delikte – kurze Verfahren.

      Wären die der Korruption Beschuldigten jemals geständig, ginge es auch sehr schnell.

      • Yep, Sir!
        Ich sehe in dieser vom inhaltlichen Niveau her bestenfalls als populistisch launige Festzeltrede zu bezeichnende “Ansage” dieser “Partei-Beton-Bremse” NUR in präventiver Argumentationslinie gerichtet und keineswegs als korrektive, operativ intentierte Verbesserungsvorschläge zum erwünschten effizienzerhöhten Ablauf abzuhandelnder (verurteilender) Gesetzesübertretungen auf begründet faktischer Verdachtslage fussend…
        (dass institutionalisiert nepotistischer Kohle(n)-Schacher mit potent pekuinärem Background spielend verschleppt wird / werden (kann), liegt in der Natur der Sache – die Kohle die dabei draufgeht, haben sie zuvor ja schon illegal – noch zu beweisend – bei Seite geräumt…)

  11. Mascherlposten Quotenfrau. So notwendig wie ein Kropf.
    Wenn ich der in die Augen schauen, läuft es mir kalt den Rücken runter. Der Blick ist eiskalt und verschlagen.

  12. Schlechte Nachrichten: IM Karner arbeitet angeblich an einer Verordnung, mutmaßlich um Opfer von Hetze besser zu schützen, deshalb hat er anscheinend keine Zeit im ORF zum Interview aufzutauchen. Mich beschleicht eine böse Vorahnung…..

  13. Naja, die Justizministerin ist mir in letzter Zeit nur wegen dem Cevapcici in ihrer Heimat in Erinnerung. Mir scheint, dass das die passivste Ministerin der letzten Jahrzehnte ist und dies trotz der massiven Probleme in der Justiz. Man muss sich nur ansehen, wie die ÖVP die WKSTA bekämpft um zu erahnen, was da alles schief läuft.

    • Leider kann Zadic Gesetze nur mit der ÖVP umsetzen und die ÖVP scheint bekanntermaßen wenig Interesse daran zu haben gewisse Dinge zu ändern……

    • Zumindest hat die Frau Zadic keinen Schaden für den Rechtstaat angerichtet sondern versucht, sich so gut es geht neutral zu verhalten, auch wenn sie kein Richter ist und die Justiz vor den Angriffen der ÖVP zu schützen.

      Ein ÖVP-Justizminister würde zusammen mit einem ÖVP-Innenminister und den entsprechenden Netzwerken schon dafür sorgen, dass Kritiker einen Tierschutz-Prozess 2.0 bekommen, denn die sehen im Staat nicht ein Gemeinschaftsorgan sondern einen Machtappart und eine geladene Pistole, die man Kritikern und Gegnern an den Kopf setzen kann, abgesehen davon, dass sie den Staat auch als Bergwerk inkl. Konzession zur Ausbeutung der Ressourcen sehen.

      • Das stimmt schon, aber wirklich zusammengebracht hat sie nichts bislang. Also, die Gesetze, die von ihr kommen, die kippen ja gerade vor dem EuGH. Kann man auch dem Dränger Kurz zuschreiben, aber es war und ist so vieles zu tun in der Justiz, dass das einfach wirklich wenig ist. Sehr wenig. Von einer Justizreform weit entfernt. Und wenn man sie öffentlich sprechen hört, gewinnt man nicht den Eindruck, dass sie ein reformerisches Ziel hat, also weiß, wohin sie will. Und das ist in unserer augenblicklichen Lage ein Desaster.

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