Samstag, Juli 27, 2024

Putztrupp “türkis”: Pilnagate-Spuren zu Sobotka

Seit die illegale Aktion der niederösterreichischen Kripo aufgeflogen ist, bedroht „Pilnagate“ erste Spitzen der ÖVP. Aber Nehammers und Sobotkas Partei will nicht sich selbst, sondern Gesetze ändern.

Ein Handy, ein Laptop, ein USB-Stick – davor haben die Spitzen der ÖVP derzeit die größte Angst. Viele sind überzeugt: Auf dem USB-Stick, den Christian Pilnacek Tag und Nacht mit sich trug, hat der verstorbene Justiz-Sektionschef seine politische Lebensversicherung abgespeichert. Der Stick gilt als verschwunden.

Den privaten Laptop hat der Kripo-Suchtrupp aus St. Pölten noch immer nicht gefunden. Von Sobotka bis Nehammer weiß keine der ÖVP-Spitzen, was sich dort auf der Festplatte findet.

Stümperhaft und illegal

Nur das Handy hat die Partei-Kripo sichergestellt. Das war möglicherweise ihr größter Fehler. Die Aktion „Sicherstellung“ wenige Stunden nach Pilnaceks Tod war ebenso stümperhaft wie illegal. Seit wir auf ZackZack die Fakten über das türkise „Pilnagate“ veröffentlicht haben,  steht der Suchtrupp aus St. Pölten selbst im Mittelpunkt erster Untersuchungen.

Für das, was sich die Beamten des Landeskriminalamts Niederösterreich gleich nach dem Fund des toten Sektionschefs geleistet haben, gibt es wahrscheinlich nur zwei passende Begriffe: „Pilnagate“ und „Amtsmissbrauch“. Dieser Verdacht hat folgende Gründe:

1. Die Beamten haben offensichtlich versucht, eine Obduktion zu verhindern und dazu Druck auf die Ärztin ausgeübt.

2. Sie haben Pilnaceks Lebensgefährtin dessen Handy, Schlüssel und Brieftasche unter Verletzung gesetzlicher Bestimmungen abgenommen. Die für eine Sicherstellung notwendige Anordnung durch die Staatsanwaltschaft haben sie nicht vorgezeigt. Es scheint sie gar nicht zu geben.

3. Deshalb konnten sie die Gegenstände auch nicht der Staatsanwaltschaft übergeben. Im „Kurier“ hat das Landeskriminalamt bestätigt, dass alles „der Witwe“ überlassen wurde.

4. Aber Kriminalbeamte sind keine Handyeintreiber für Hinterbliebene, sondern Ermittlungsorgane der Staatsanwaltschaft. Egal wo man bei der Aktion in Rossatz hinschaut, das alles wird wohl ein Fall für die WKStA.

Die Beamten haben noch weit mehr angestellt. In den nächsten Teilen unserer Serie „Polizeifall Pilnacek“ kommen dazu die Fakten.

Drei Innenminister

Aber warum riskieren niederösterreichische Kriminalpolizisten Ermittlungen gegen sich selbst? Als erfahrene Beamte haben sie gewusst, was sie tun. Vielleicht haben sie geglaubt, dass in Niederösterreich für die ÖVP noch immer alles geht. Doch diesmal geht endlich einmal alles schief.

Demnächst kommen die ersten parlamentarischen Anfragen von SPÖ und FPÖ und Sachverhaltsdarstellungen an die WKStA. Dann können entscheidende Fragen geklärt werden:

  • Wer hatte von Pilnaceks Datenträgern das Schlimmste zu befürchten?
  • Wer hatte die Möglichkeit, der Kripo in St. Pölten einen Auftrag zu geben?
  • In wessen Büro liegt jetzt der St. Pöltner Kripo-Akt?
  • Wer musste mit allen Mitteln Pilnaceks Datenspuren vernichten?

Seit dem Jahr 2000 kontrolliert die ÖVP das Innenministerium. Ein amtierender Ressortchef und zwei Ex-Innenminister und haben dort immer noch viel zu sagen: Gerhard Karner, Karl Nehammer und Wolfgang Sobotka. Die meisten Spuren führen zum Nationalratspräsidenten.

Nasen stopfen

Von den Schmid-Chats und den BMI-Chats bis zum Pilnacek-Handy stehen überall Handys, Festplatten und Gerichtsakten im Mittelpunkt. Die ÖVP hat die Nase voll. Die Devise scheint klar: „Wir müssen endlich dafür sorgen, dass Medien wie ZackZack Grenzen gezogen werden. Wenn sie überall ihre Nasen reinstecken können, müssen wir ihnen die Nasen stopfen.“

Den politischen Putztrupp hat die gelernte Staatsanwältin Karoline Edtstadler übernommen. Sie versucht, mit einer gesetzlichen Chat-Zensur Partei und Parteifreunde zu schützen. Wenn unabhängige Medien der ÖVP ständig auf alles draufkommen, haben die Partei und ihre Spitzen zwei Möglichkeiten: die Gesetze wieder zu achten – oder sie zu ändern.

Die Grünen überlegen, ihr eine letzte Räuberleiter zu machen. Unaufgefordert gebe ich ihnen einen guten Rat: Helft bei der parlamentarischen Aufklärung von Pilnagate. An der Seite der ÖVP ist auch für euch nichts mehr zu gewinnen.

Geändert um 14.00 Uhr

Links:

Pilnagate 1: „Wir wollen Handy, Schlüssel und Computer!“

Pilnagate 2: Sobotka im Cavalluccio

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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