Dienstag, April 30, 2024

Missstände im Seniorenheim aufgedeckt – Kein Einzelfall

Das Ausmaß des Pflegenotstands in Österreich zeigt sich nach einem Bericht über Missstände in einem Senecura-Pflegeheim in Salzburg erneut. Das Unternehmen ist nicht zum ersten Mal mit solchen Vorwürfen konfrontiert.  

Wien, 08. September 2022 | Faulende Wunden und Dehydrierung: Ein Bericht der Volksanwaltschaft nach einer Kontrolle in einem Seniorenheim des größten profitorientierten Pflegeheimanbieters Senecura in Salzburg-Lehen schockiert. Bewohner des Heims mussten unter menschenunwürdigen Zuständen leben, hieß es im “Ö1-Morgenjournal” am Donnerstag sowie in den „Salzburger Nachrichten“. Die Volksanwaltschaft fordert nun bessere bundeseinheitliche Qualitätsstandards für die Heime und deren Kontrolle.

Keine Konsequenzen nach erster Kontrolle

Der unangekündigte Kontrollbesuch der Kommission der Volksanwaltschaft soll nach einer anonymen Beschwerde des Heimpersonals im April diesen Jahres im „Senecura Sozialzentrum“ stattgefunden haben. Danach konnten die Hinweise über gravierende Zustände und grobe Mängel bestätigt werden. Das Personal sei überlastet und leide unter enormem Stress, die Bewohner würden schlecht behandelt werden, so die Erkenntnisse der Kommission. Wenige Wochen zuvor hatte es bereits eine Kontrolle von der Landesaufsicht gegeben, wonach allerdings keine wirksamen Maßnahmen ergriffen worden waren. Nach dem alarmierenden Bericht der Volksanwaltschaft gab es einen weiteren Besuch der Heimaufsicht.

Bewohner schwer vernachlässigt

Laut dem Bericht, der den Medien vorliegt, wurden die Bewohner des Hauses unterernährt und dehydriert vorgefunden. Eine Bewohnerin wog laut einer Aussendung der Volksanwaltschaft 42 Kilogramm und habe keine ordentliche Wundpflege bekommen, so dass „vom Wundgeschehen ein Fäulnisgeruch“ ausging und durch die offene Wunde der Steißknochen zu sehen war. Außerdem soll die Frau keine ausreichende Menge an Schmerzmitteln bekommen haben. Die Kommission spricht von „gefährlicher Pflege“ und kritisiert, dass der private Heimträger nicht gehandelt habe. „Verbindliche aufsichtsbehördliche Maßnahmen wurden nicht gesetzt“, so Volksanwalt Bernhard Achitz.

Nicht das erste Mal

Bei den jüngsten Vorwürfen handelt es sich um keinen Einzelfall. Ende Juli 2022 ließ ein Seniorenheim im Pongau den Vertrag mit dem börsennotierten Unternehmen Senecura nach massiven Beschwerden von Angehörigen der Bewohner über mangelhafte Pflege vorzeitig beenden.

Im Februar 2022 sorgte ein Buch des französischen Journalisten Victor Castanet über die dramatischen Zustände in den Pflegeheimen von Orpea, des größten und teuersten Anbieters in Frankreich, für große Aufregung. Orpea hatte 2015 Senecura übernommen und ist daher auch in Österreich stark vertreten. Danach gerieten auch die österreichischen Pflegeheime ins Visier. Senecura wies jegliche Vorwürfe zurück und versicherte eng mit Aufsichts- und Kontrollbehörden zusammenzuarbeiten. Dem widerspricht jedoch der aktuelle Bericht der Volksanwaltschaft.

Seit Jahren werden von Gewerkschaften bundeseinheitliche Reformen gefordert, die Fortschritte sind jedoch schleppend. „Einen massiven Personalmangel gibt es in der gesamten Branche. Gerade deswegen müssen private Unternehmen wie Senecura von den Bundesländern stärker kontrolliert werden“, hatte Roman Hebenstreit, Vorsitzender der Gewerkschaft Vida nach dem Skandal im April gefordert. Nach dem Bericht der Volksanwaltschaft verlangt auch diese „bundeseinheitliche Regelungen für qualitative Mindeststandards sowie bundeseinheitliche Maßstäbe für die Aufsichts- und Kontrolltätigkeit der Länder“.

Fragwürdiges Geschäftsmodell

Dass gewinnorientierte private Betreiber Pflegeinstitutionen übernehmen, weil die Regierung in diesem Bereich Einsparungen macht, wird von Experten kritisiert. Senior Scientist an der TU Wien, Leonhard Plank, meint dazu gegenüber “Arbeit & Wirtschaft”, man habe die Denkweise adaptiert, dass private Unternehmen mit kritischer Infrastruktur besser umgehen könnten. Das seien jedoch keine Bereiche, in denen gewinnorientiert agiert werden sollte. Diese Geschäftsmodelle zugunsten der Privatinvestoren seien zum Nachteil der Allgemeinheit.

(nb)

Titelbild: ZackZack/ Christopher Glanzl

Nura Wagner
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15 Kommentare

  1. Bezüglich Senecura hatte ich bisher eigentlich gute Erfahrungen gemacht.
    Eine enge Angehörige von mir wurde dort bestens betreut, dann aber in einer REHA durch bis heute nicht aufklären könnenden Umständen völlig überraschend zu einem Krankenhausaufenthalt gezwungen und dort sofort in die Intensivstation gebracht, wo sie dann bis heute nicht nachvollziehbar starb.
    Die obligatorisch sein müssenden und bereits zugesagt gewesene Obduktion der Leiche wurde verhindert, obwohl bereits die Staatsanwaltschaft bereits ermittelte, in dem bis heute nicht nachvollziehbar der Leichenverbrennungstermin einfach vorgezogen wurde.
    Auch der Patientenanwalt erhielt bis heute keine wirkliche Aufklärung und gab dann auch irgendwann auf, zumal die STA auch noch die Ermittlungen einstellte…

    Das ist unser Österreich mit einem unfassbaren und vermutlich gar nicht mehr vorstellbaren Behördendauerversagen und weiter ohne einer entsprechenden und endlich sichtbaren und nachhaltigen Reaktion darauf…

  2. die noch leiwanderen pflegeeinrichtungen sind sog. gemeinnützige GmbHs. da kommt noch der finanzielle förderungsabrieb dazu. da kann zb ein autistisches kind von kärnten in eine steirische pflegeeinrichtung gesteckt werden. über nach von PFST0 in 5 gehievt werden und dann stecke man den pflegling noch 13 tage/monat zb in ein psychospital. kassiere alles an alimenten, kinderbeihilfen, pflegezuschüssen und treibe die alleinerziehende mutter in den wirtschaftlichen ruin. diese hat ihren CAD-job gekündigt – einen schulwartjob angenommen und wurde von der gemeinde UNTER kollektiv bezahlt.. unterm strich war der bub sportliche 80k im monat wert sic! und das mim krankenhaus trifft sich auch günstig – weil man den pflegeschlüssel in der betreuten einrichtung sehr sehr niedrig halten konnte UND das beste: der betroffenen mussten über 55K schadensersatz geblecht werden UND null konsequenzen für die vertragsbediensteten….

  3. “Senecura wies jegliche Vorwürfe zurück und versicherte eng mit Aufsichts- und Kontrollbehörden zusammenzuarbeiten.”
    Derartige Statements spiegeln die gesellschaftliche Situation rund ums Vertrauen sehr deutlich wider, als ob die Ehrlichkeit keinen Wert im Wertesystem darstellt.

  4. Die Erklärung von fehlenden Qualitätsstandards als Ursache für diese Menschenrechtsverletzungen, welches es so nach dem zweiten Weltkrieg wohl noch nie in diesem Lande gegeben hat, ist die Verhöhnung der Opfer und ihrer Angehöriger zur Potenz!
    Aber auch beim Massnahmenvollzug hat man bis heute nicht reagiert.
    Dieses Land ist nur mehr schwer zum fremdschämen und weiter keine dafür angemessene Vorgangsweise und den notwendigen und sofortigen Konsequenzen daraus in Sicht.

    Meiner Meinung nach nicht nur ein Rücktrittsgrund des Gesundheitsministers, der Justizministerin und der gesamten Regierung, sondern auch des das alles schon lang wissenden Bundespräsidenten, welcher in seinen Schönwetterreden das alles auch noch in einem Wahlkampf verschweigt?

    Was muss noch in diesem Land passieren, bis es wieder so funktioniert wie ein funkionierender Rechtsstaat MINDESTENS funktionieren muss!

  5. Die haben in den letzten Jahren mehr Securities als Pflegekräfte eingestellt, damit man den ganzen bürokratischen Corona Überwachungsstaat kontrollieren kann. Wer vor 2 Jahren eine Pflege Ausbildungsoffensive gefordert hat wurde gerne als Coronaleugner oder Schwurbler abgestempelt. Die Impfung war ja der einzige Weg aus der Pandemie. Komischer weise sind wir noch immer nicht rau aus der Pandemie und Windeln wechselt die Impfung auch keine.

  6. Ich bevorzuge die 24-h-Pflege zuhause. Wir haben mit organisierten rumänischen Pflegern/Pflegerinnen gute Erfahrungen gemacht, die sich jeweils im 2-Wochentakt abgewechselt haben. Das geht zwar ein bisschen ins Geld, ca. 3T p.m. + div. Haushaltskosten, aber die Rundumbetreuung ist sichergestellt und ich muss die Pflegeperson nicht aus dem gewohnten Umfeld herausreissen. Für ein paar Monate sollte das leistbar sein, zumal dem auch die Pension und Zuschüsse gegenüberstehen. Und vor der intensiven Phase kann man auch mit einer fliegenden Betreuung, die 1-2x pro Tag nach dem Rechten sieht und kleine Hilfeleistungen anbietet, das Auslangen finden.

  7. Die Entstehung von Druckgeschwüren ist eigentlich ein schwerer Pflegefehler, häufig verursacht durch Unkenntnis und Zeitmangel sowie mangelhafte Ausstattung. Warum man so jemanden nicht ins Krankenhaus schickt ist unverständlich. Womöglich damit niemand was mitbekommt von den Missständen im Heim? Gerade heute hat mir jemand einen Fall geschildert, wo eine Person von einem privaten Altenheim derartig ausgenommen wurde, dass am Ende dann ein Armenbegräbnis stand…

    • Im Krankenhaus hat man auch kein Personal diese bettlägrigen Fälle zu versorgen!
      Auch verwechseln viele die Heime mit einem Quasi-Krankenhaus.
      Aufmerksame Beobachtung von Veränderungen des Gesundheitszustands sind von zu Hause allemal besser zu bewerkstelligen.
      (Man entschuldige die etwas verwurschtelte Formulierung.)

  8. Frau mit offener Wunde bis zum Steißbein
    Als “besonders dramatisch” wurde über den Fall einer nur mehr 42,5 Kilo schweren Frau berichtet, die unter starken Schmerzen litt. Bei der Beobachtung eines Verbandswechsels wurde “ein massiver Dekubitus mit Beteiligung des Steißknochens und einer etwa zwei Hände großen Hauttasche freigelegt”. Vom Wundgeschehen sei bereits Fäulnisgeruch ausgegangen. Der Frau sei vor dem Verbandswechsel weder ein Schmerzmedikament angeboten, noch sei sie nach aktuellen Schmerzen gefragt worden. Es sei auch keine professionelle Reinigung der Wundränder erfolgt. Zudem sei aus der Pflegeaufzeichnung nicht hervorgegangen, wann der Dekubitus mit dem Arzt im Haus zuletzt besprochen worden sei. “Die Kommission stufte die Situation … als lebensbedrohlich ein und befürwortete einen sofortigen Transfer in eine Krankenanstalt.

  9. Na da kann man sich nur noch festhalten wenn sich der Sozialstaat zurückzieht und dadurch versteckte Subventionen generiert für gewinnorientierte Pflegeinstitutionen.
    Den Rest der Katastrophe erledigt dann der Pflegeschlüssel…..

  10. “Dass gewinnorientierte private Betreiber Pflegeinstitutionen übernehmen, weil die Regierung in diesem Bereich Einsparungen macht, wird von Experten kritisiert.” Damit ist alles gesagt, finde ich. Ursache und Wirkung in einem Satz zusammengefasst.

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