Montag, September 9, 2024

Warum Walter Rosenkranz als Volksanwalt untragbar ist – Gastkommentar

Gastkommentar

Bei der Bundespräsidentenwahl unterlag er klar, als Volksanwalt wird er bleiben: Walter Rosenkranz. Warum der FPÖ-Mann in seiner Funktion untragbar ist, erklärt Bini Guttmann anhand erschütternder Fakten.

Bini Guttmann

Wien, 12. Oktober 2022 | Der FPÖ-Politiker Walter Rosenkranz wird nicht neuer österreichischer Bundespräsident. Mit lediglich rund 18 Prozent im Vergleich zu Alexander Van der Bellens 56 Prozent war der Rechtsaußen-Kandidat im Endeffekt doch recht weit von einer möglichen Stichwahl entfernt. Das sind gute Nachrichten für unser Land.

Kontrolle für Rosenkranz

Die schlechte Nachricht ist jedoch, dass Walter Rosenkranz weiter einer von drei Volksanwält:innen bleiben wird. Und das zumindest bis Mitte 2025. Denn als vom Parlament berufener Ombudsmann, der die öffentliche Verwaltung und die Einhaltung von Menschenrechten kontrollieren soll, ist Rosenkranz gänzlich ungeeignet. Ganz im Gegenteil: Es ist Rosenkranz, der Kontrolle braucht.

Walter Rosenkranz ist bereits lange in der Politik. Von 2008 bis 2019 saß Rosenkranz für die Freiheitlichen im Nationalrat. Unter Türkis-Blau war Rosenkranz sogar FPÖ-Klubobmann, ehe er 2019 Volksanwalt wurde. Noch länger als in der Politik bewegt sich Rosenkranz in rechtsextremen Kreisen.

Seit seiner Jugend ist Rosenkranz Mitglied bei der deutschnationalen, schlagenden Burschenschaft Libertas und bei einer schlagenden Schülerverbindung, der Jungmannschaft Kremser Mittelschüler Rugia. Organisiert ist die Libertas in der militant-rechtsextremen Deutschen Burschenschaft (DB).

Als in dieser 2011 eine Auseinandersetzung über die Beibehaltung des sogenannten Arier-Paragraphen geführt wurde, bezeichnete die Libertas eine mögliche Abkehr vom „Volksbezogenen Vaterlandsbegriff“, einer Chiffre für „weiß und christlich“, als Verrat am innersten Wesen der Burschenschaft, wie das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) recherchierte.

Neonazi-Förderung als „Diffamierung“

Doch die Libertas glaubt nicht nur wie die Nazis an den Arier-Paragraphen, sie ehrt und fördert dies aktiv. So vergab die Burschenschaft von Rosenkranz ihren „Carl von Hochenegg-Preis“ (für „herausragende Taten im Sinne des national-freiheitlichen Gedankens“) an den neonazistischen Bund Freier Jugend (BFJ) und förderte diesen finanziell.

Laut dem Verfassungsschutz waren die Tätigkeiten des BFJ  „von zentraler Bedeutung für die Entwicklung des Rechtsextremismus in Österreich“. Walter Rosenkranz selbst tat übrigens Kritik an der finanziellen Förderung der Neonazis als „reine Diffamierung” ab.

Nicht nur seine Burschenschaft, auch Rosenkranz selbst huldigt gerne die Verdienste bekannter Nazis. Wie Recherchen von „Puls24“ zeigen, schrieb Rosenkranz 2009 einen Beitrag für den Sammelband „150 Jahre Burschenschaften in Österreich“ von Martin Graf. Dort enthalten ist eine Liste unter dem Titel „Burschenschafter als Leistungsträger in Österreich zwischen 1918 und 1938“.

Darunter finden sich Personen, die schon zu dieser Zeit aktive (illegale) Nationalsozialisten waren, und zwischen 1938 und 1945 nicht nur als Nazis die Karriereleiter hinaufkletterten, sondern auch schwere Verbrechen begingen.

Nazis als „Leistungsträger“

So zum Beispiel Hans Stich, von Rosenkranz als „Generalstaatsanwalt für Wien und Niederösterreich“ geehrt. In dieses Amt gehoben wurde er 1939 von den Nazis, die ihn ebenfalls zum SA-Standartenführer machten. Während der von Rosenkranz angeblich betrachteten Zeit zeichnete sich Stich vor allem dadurch aus, dass er bereits 1930 illegales NSDAP-Mitglied wurde. Was die Nazis 1939 prompt belohnten.

Stich erwirkte zahlreiche Todesurteile gegen Menschen im Widerstand und war zu Kriegsende an der Hinrichtung von 44 Gefangenen beteiligt. Dafür wurde Stich – als einziger Staatsanwalt(!) – sogar nach dem Krieg verurteilt. Eine reife Leistung im damaligen Nachkriegsösterreich, das die juristische Verfolgung von Naziverbrechern als „erstes Opfer“ größtenteils ignorierte.

Ebenfalls auf der Liste ist Mirko Jelusich, 1931 der NSDAP beigetreten, laut Rosenkranz „Redakteur der Deutsch-Österreichischen Tageszeitung“. Ausgelassen hat der Volksanwalt, dass es sich bei dieser Zeitung um eine NS-Zeitung handelte, die 1933 mit dem Untertitel „Hauptblatt der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei Adolf-Hitler-Bewegung“ erschien.

Ein weiterer „Leistungsträger für Österreich“ ist für Rosenkranz der 1933 der NSDAP beigetretene Dichter Hans Giebisch, der in der von Rosenkranz betrachteten Zeit vor allem auf den Anschluss hinarbeitete, und seine Haltung auch nach 1945 nicht änderte.

Konfrontiert mit den Mitgliedern seiner Liste in einem sehenswerten Interview mit Corinna Milborn, verteidigte Rosenkranz die geehrten Nazis sogar, anstatt sich von ihnen zu distanzieren oder Reue zu zeigen.

Das überrascht wenig. Denn im selben Sammelband huldigt der Volksanwalt nicht nur NSDAP-Kriegsverbrechern, sondern liefert auch eine Erklärung für den grassierenden, gewalttätigen Antisemitismus auf Österreichs Unis vor 1938: Grund für den studentischen Antisemitismus sei die Tatsache gewesen, dass „überdurchschnittlich viele Juden Hörer an den Universitäten waren“.

Personenschützer aus Küssel-Umfeld

Ebenso problematisch ist Rosenkranz‘ Nähe zu heutigen rechtsextremen Gruppierungen. So bewegt sich einer seiner Personenschützer im Umfeld des verurteilten Neonazis Gottfried Küssel. Rosenkranz selbst trat bei der neofaschistischen „Identitären Bewegung“ auf.

In der Berichterstattung um den FPÖ-Bundesparteitag am 17. September 2022 wurde bekannt, dass auch der dort eingesetzte Türsteher ein bekanntes Mitglied der Identitären ist, die unter anderem finanzielle Unterstützung vom rechtsextremen Christchurch-Attentäter erhielt, der 2019 51 Menschen in zwei Moscheen ermordete.

Doch damit nicht genug: Rosenkranz hat noch mehr Verbindungen zum organisierten Rechtsextremismus. So verfasste der jetzige Volksanwalt 2011 einen Artikel für die rechtsextreme „Aula“.

Auch wenn es um den russischen Angriffskrieg in der Ukraine geht, vertritt Rosenkranz stramm rechte Positionen: so tritt er für ein sofortiges Ende aller Sanktionen ein, trotz der andauernden schweren Kriegsverbrechen Russlands. Gebildet hat er diese Meinung möglicherweise mit Hilfe des rechtsextremen „Suworow Instituts“, dessen Co-Begründer, Putin-Propagandist Patrick Poppel – der 2018 den Wien-Besuch des faschistischen Putin-Intimus Alexander Dugin eingefädelt hat – er mitten im Wahlkampf traf.

Hüter der Bürger- und Menschenrechte?

Trotz alledem wurde und blieb Rosenkranz Volksanwalt. Die Volksanwaltschaft prüft einerseits die öffentliche Verwaltung und geht als Ombudsstelle Beschwerden von Bürger:innen nach. Andererseits ist sie als Nationaler Präventionsmechanismus im Rahmen der von der UN-Generalversammlung verabschiedeten „Pariser Prinzipien“ für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte in Österreich verantwortlich.

Als einer von drei Volksanwälten ist Walter Rosenkranz also für die Einhaltung von Menschenrechten, unter anderem von Geflüchteten, Asylwerbenden und Menschen mit Behinderungen, verantwortlich.

Gleichzeitig huldigt er aber Nazis und pflegt rege Kontakte mit ihren ideologischen Nachfolgern, also jene, die die Gruppen, die Rosenkranz schützen soll, wohl als „unwertes Leben“ sehen. Das ist ungeheuerlich und sollte im Täterland Österreich nicht möglich sein.

Verantwortlich ist Rosenkranz auch für die Kontrolle der Polizei, wo gerade besonders viel Aufsicht notwendig wäre. Denn während der Corona-Pandemie ignorierte diese lange das Gefahrenpotential das von der verschwörungsideologischen Szene ausging, nur um sie später – teilweise fast im Wochentakt – quasi ungestört durch Wien marodieren zu lassen.

Und das, während es regelmäßig zu Angriffen auf Journalist:innen kam, und die Jüdische Gemeinde sich gezwungen sah, ihre Mitglieder davor zu warnen, während „Corona-Demos” die Straße zu betreten.

Doch gerade hier könnte bei Rosenkranz ein Konflikt bestehen: Als Unterstützung für seinen Präsidentschaftswahlkampf gründete sich ein „Überparteiliches Personenkomitee“, angeführt von Hannes Brejcha, seines Zeichens einer der Köpfe der „Corona-Demos“. Einer, der sich gern mal an Umsturzplänen gegen Regierung und Präsident beteiligt und Vertrauter von Neonazi Gottfried Küssel ist.

Volksanwaltschaft hat Konstruktionsfehler

Insgesamt gibt es drei Volksanwält:innen. Die drei stimmenstärksten Parteien im Nationalrat dürfen jeweils eine oder einen für sechs Jahre nominieren, Rosenkranz sitzt dank seiner Partei FPÖ in der Ombudsstelle. Zur Verantwortung gezogen werden können die Volksanwält:innen nur für die durch ihre Amtsführung erfolgten schuldhaften Rechtsverletzungen.

Politische Verantwortlichkeit, also die Möglichkeit des Nationalrats, eine:n Volksanwält:in abzusetzen, gibt es derzeit keine. Das ist schon ein grundsätzliches Problem. Seit Jahren fordern Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International eine breite öffentliche Ausschreibung, die Maximierung der Anzahl potenzieller Kandidaten, die Einbindung der Zivilbevölkerung in das Auswahl- und Ernennungsverfahren sowie eine Ernennung auf Grundlage objektiver und transparenter Kriterien.

Walter Rosenkranz ist als Volksanwalt jedenfalls untragbar. Wer es mit der Verantwortung Österreichs aus der Shoah und dem Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus ernst meint, muss dafür sorgen, dass Rosenkranz nicht weiter im Amt bleiben darf und sich so etwas nicht wiederholen kann. Dazu bedarf es einer Verfassungsänderung – wofür die Regierung gemeinsam mit SPÖ und NEOS eine Mehrheit hätte.

Walter Rosenkranz ist zum Glück weit davon entfernt gewesen, Präsident zu werden. Er bekleidet allerdings immer noch ein wichtiges und einflussreiches Amt. Jemand, der offenbar Nähe zu Nationalsozialisten pflegt, diese huldigt und in Schutz nimmt, und sich mit ihren ideologischen Nachfolgern trifft und zusammenarbeitet, darf in Österreich nicht für die Einhaltung von Menschenrechten zuständig sein.

Bini Guttmann ist Mitglied des Exekutivkomitees des Jüdischen Weltkongress (WJC). Bis 2021 war er Präsident der European Union of Jewish Students (EUJS), der demokratischen Vertretung der 160.000 jungen Juden und Jüdinnen Europas. Davor war Bini Guttmann drei Jahre lang Präsident der Jüdischen österreichischen Hochschüler:innen (JöH).

Foto: Daniel Shaked (zVg).

Titelbild: ZackZack/Christopher Glanzl

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