Montag, April 29, 2024

Rechtsterrorismus: Anklage gegen Wiener Mitglied der “Feuerkrieg Division”

Ein junger Österreicher war Teil des internationalen Neonazi-Netzwerkes „Feuerkrieg Division“. In Chatgruppen tauschte er sich über Anschlagspläne aus. Nun gibt es eine Anklage. Der Wiener befindet sich seit Anfang April wieder in U-Haft.

Es sind derart menschenverachtende und ekelhafte Inhalte, dass man sie großteils nur indirekt wiedergeben mag: Über Monate “amüsierten” sich die Mitglieder des Online-Netzwerkes „Feuerkrieg Division“ über das Vergasen und Erschießen von Jüdinnen und Juden oder das Morden von schwarzen Menschen, teils bebildert mit selbstgemachten Sujets und Memes.

Der Gruppe ging es dabei aber nicht bloß um “Belustigung”. Die User, die aus verschiedenen europäischen Ländern und den USA stammten und Pseudonyme wie „Siegheil_88“ oder „Heydrich“ wählten, tauschten sich über Gewaltfantasien, Waffenbeschaffung und Bombenbaupläne aus. Und darüber, wie man am besten zu einem „Saint“ – also zu einem „Heiligen“ – werden könnte. Damit gemeint: Rechtsterroristische Massenmörder wie Anders Breivik oder Brenton Tarrant. Mitten unter den Gruppenmitgliedern: Ein junger Österreicher, HTL-Absolvent aus Wien, Username „v00rm“.

Wie ZackZack erfuhr, hat die Staatsanwaltschaft Wien nun gegen den Wiener Anklage erhoben. “Wir können bestätigen, dass eine entsprechende Anklage bei Gericht eingebracht wurde”, sagt Behördensprecherin Nina Bussek. Es gehe um Delikte nach §3g Verbotsgesetz sowie um Verhetzung, Aufforderung zu mit Strafe bedrohten Handlungen und der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Anfang April wurde über ihn Untersuchungshaft verhängt, nachdem er sich lange Zeit auf freiem Fuß befand.

Hausdurchsuchung erst 2023

Erste Hinweise zu dem Wiener gab es bereits im Frühjahr 2020: Damals wurde der Verfassungsschutz von ausländischen Partnerdiensten informiert, dass sich in dem Online-Netzwerk offenbar auch ein damals 17-jähriger Österreicher bewege. Die Gruppe, die einerseits über Telegram NS-Propaganda verbreitete, Mitglieder rekrutierte und die sich dann in privaten Kanälen auf den Plattformen Discord oder Riot-Chat zusammenschloss, existierte seit 2019. Ab Jänner 2020 kam es dann in verschiedenen Ländern wie den USA, Kroatien, Estland oder Deutschland zu Festnahmen von durchwegs sehr jungen Männern und Teenagern.

In Österreich dauerte es länger: Erst im Mai 2023 hatte man den jungen Mann lokalisiert und machte bei ihm eine Hausdurchsuchung. Die Ermittler der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) fanden umfangreiches NS-Material und Waffen – einerseits einige “Airsofts” aber auch ein echtes Gewehr samt Munition. Bemerkenswert: Während es in anderen Ländern in der Regel zu Verhaftungen kam, blieb der Österreicher zunächst auf freiem Fuß.

Bei der Hausdurchsuchung in Wien gefundenes NS-Material und Waffen. Quelle: DSN

Erst kurz vor Weihnachten, am. 21. Dezember, nahm man ihn dann für einige Wochen in Untersuchungshaft, das im Mai sichergestellte Material ließ auf “Tatbegehung oder Wiederholungsgefahr” deuten, so die Begründung der DSN. Anfang Februar wurde er dann aber wieder enthaftet. Wie die Staatsanwaltschaft Wien nun gegenüber ZackZack bestätigt, ist er seit April wieder in U-Haft – ein ziemliches Hin und Her also. Zwar spricht die DSN über die “Feuerkrieg Division” von einer rechtsterroristischen Gruppierung, Terrordelikte oder eine Anschlagsplanung wird ihm seitens der Anklage aber nicht vorgeworfen. Geleakte Chats zeigen hingegen, dass sich der Wiener sehr wohl darüber mit Gleichgesinnten austauschte.

Geleakte Chats zeigen Rolle des Österreichers

Das 2020 zerschlagene Netzwerk war damals offenbar auch von Antifa-Aktivisten unterwandert, die die monatelangen Chats der Plattform “Riot Chat” absaugten, ZackZack liegt das riesige Datenleak vor. Eine Sichtung davon zeigt, dass der Wiener dort durchaus eine führende Rolle einnahm. Als er im Jänner 2020 den Gruppenchat mit den Worten “Hail Victory” betrat, war er den anderen Mitgliedern offenbar bereits aus anderen Kanälen bekannt. Schon wenige Minuten später stellte er ein Propagandavideo in die Gruppe, sowie einen Download-Link mit PDFs, Bildern und “Anleitungen”, der mittlerweile nicht mehr abrufbar ist.

Tage später erkundigt sich einer der User über Tipps, wie und wo man am besten “berühmt” bzw. ein “Saint” – also “Heiliger”- werden könnte. Laut Experten wie auch dem Deutschen Bundesamt für Verfassungsschutz handelt es sich bei “Saint” um einen Code für Rechtsterroristen wie Anders Breivik, die wegen ihren Taten in diesen Netzwerken verehrt werden. “v00rm” aus Wien hatte auf die Frage seines Chatpartners jedenfalls eine verstörende Antwort: “Meine Traumreise wäre ein jüdischer Gebetsort.”

An anderer Stelle sprach “v00rm” auch über Österreich. Er wünschte sich ein “Bürgerkriegsszenario” und sah dies mit dem Aufschwung rechter Parteien auf einem realistischen Weg. Auch rechtsextreme Gruppierungen wie die “IBÖ”, also die Identitäre Bewegung Österreichs, erwähnte er in diesem Zusammenhang. Als in der Gruppe ein Artikel eines linken Journalisten diskutiert wurde, schlug der Wiener vor, dem Autor einen Schweinekopf zu schicken, falls dieser Muslim sei. Über die österreichische Justizministerin, die er als “eine ausländische Frau” bezeichnete, schrieb er wirre Zeilen.

Als am 26. Februar allmählich das Land von den ersten Corona-Fällen erfasst wurde und der Wiener gerade von einem Skiurlaub zurückkam, äußerte “v00rm” erneut Terrorpläne: “Falls das System heruntergefahren wird, wem soll ich zuerst einen Besuch abstatten? Soll ich mit den Muslimen ein Gebet sprechen oder den jüdischen Menschen bei einem ihrer Treffen und diesem eine explosiven Wendung geben?” Anfang März wurde die Gruppe dann endgültig dicht gemacht, mehrere Mitglieder waren bereits verhaftet worden.

Dass es die “Feuerkrieger” nicht nur bei Worten beließen, sondern mitunter auch zur Tat schritten, zeigen mehrere Vorfälle: Ein Mitglied aus Litauen wollte im Herbst 2019 etwa einen selbstgebastelten Sprengsatz vor einer Western Union-Filiale in Vilnius zünden, was letztlich scheiterte. In der Chatgruppe prahlte er anschließend von der Aktion. Der damals 19-Jährige wurde 2020 festgenommen und fasste eine Haftstrafe von zwei Jahren und vier Monaten aus. Ein 17-Jähriger Brite wurde wegen terroristischer Vorbereitungshandlungen ebenfalls 2020 verurteilt und bekam mehr als fünf Jahre. Auf das Konto der sogenannten “Atomwaffen Division”, der unmittelbaren Vorgängergruppe und stilistischem Ebenbild, gingen sogar fünf Morde.

Auch “offline” in rechter Szene aktiv

Obwohl die rechtsextremen User die Festnahmen ihrer Kollegen quasi “live” über Medienberichte mitbekamen und besprachen, hat die Zerschlagung den Wiener offenbar nicht verschreckt. Im Gegenteil: Bei der Hausdurchsuchung 2023 sichergestellte Dinge wie eine Militärweste mit dem Aufdruck “Schwurbler” deuten darauf hin, dass er sich diese erst später, im Laufe der Pandemie, zugelegt hat. Auch eine Langwaffe, die er mit 18 Jahren laut DSN legal erwarb, muss er sich aufgrund der Altersgrenze nach der Auflösung der Gruppe zugelegt haben. Die Ermittler konfiszierten zudem einen 3D-Drucker, das Basteln eigener Waffen war in dem Netzwerk immer wieder Thema. Mittlerweile bestehe ein Waffenverbot gegen den Mann, heißt es.

Wie die DSN gegenüber ZackZack bestätigt, bewegte sich der Wiener überdies nicht nur in Online-Netzwerken, sondern war auch “offline” einschlägig aktiv: “Dem Verfassungsschutz ist bekannt, dass der Betroffene auch abseits des Internets in der rechtsextremen Szene aktiv war”, heißt es aus dem Innenministerium. Zu welchen Gruppen er konkret Kontakt hatte, will man derzeit nicht verraten. ZackZack bleibt hier weiter dran und wird berichten.

Prozesstermin gibt es noch keinen, der Beschuldigte hat nun zwei Wochen Zeit gegen die Anklage Einspruch zu erheben. Es gilt die Unschuldsvermutung.


Titelbild: DSN; Foto eine Mitgliedes der “Feuerkrieg Division” via Riot-Chat; ZackZack-Collage

Thomas Hoisl
Thomas Hoisl
Ist seit April 2024 bei ZackZack.
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19 Kommentare

  1. Im Frühjahr 2020 wurde der Verfassungsschutz von ausländischen Partnerdiensten informiert, dass sich im Online-Netzwerk offenbar auch ein damals 17-jähriger Österreicher bewege. Keine Reaktion im Innenministerium. Erst 3 Jahre später durch die neue DSN.
    Im Juli 2020 wird Ö von einem ausländischen Partnerdienst informiert, dass sich eine einschlägig bekannte Person für Waffen interessiert.
    Keine Reaktion im Innenministerium. 4 Tote, zahlreiche Verletzte.
    WER WAR INNENMINISTER?

    • Die haben wohl irgendwie damit spekuliert mit ihren dbz. Ereiferungen Wahlstimmen zu lukrieren. Na ja, wird nicht so viel eingebracht haben da es jedem der noch halbwegs bei Sinnen ist einleuchtet dass die Leugnung des Holocaust komplett abwegig ist und das Verbotsgesetz keinem weh tut der nicht gerade drauf aus ist mit Hitlergruß zu grüßen oder in seinem Garten die Hakenkreuzfahne zu hissen. Deshalb fanden solche Forderungen auch keinerlei Gehör und so blieb den Grafs und den Rosenkränzen und wie sie so heißen mögen lediglich ihre moralische und ethische Verkommenheit mit der sie ihrem Ende entgegensumpern.

  2. Woher diese Hemmung knüppelhart gegen solche Exemplare vorzugehen? Diese Personen die Massenmörder als Heilige betrachten und Nazischlächter verehren frohlocken mit Sicherheit darüber dass sie sich im “gelobten Land” befinden. Wenns dick kommt darfst ein bisserl U Haft Luft schnuppern und dich dabei als Held fühlen hast aber nie das Gefühl dass du für deine Taten wirklich zur Rechenschaft gezogen wirst. Mit dieser Perspektive wird sich besagter Neonazikader weiter umstürzlerisch betätigen um seine Idole wie Sellner zu beeindrucken. Hat er eigentlich mit Unterstützung vom IBÖ schon Einspruch erhoben gegen die Maßnahme des Waffenverbots? Würd mal behaupten dass er gute Aussichten hätte dass diese, für österreichische Verhältnisse, drastische “Bestrafung” wieder aufgehoben wird. Aus Mangel an Beweisen…

  3. Eine wichtige Information, welche ich in dieser Form nicht in unserem Lande so für möglich gehalten hätte?

    – Ob es sich hier aber eher um einen schwarzen Schwan handelt, oder um eine breite Verteilung im ganzen Land, wäre für mich eine wichtge Frage dazu.
    Aber stelle ich mir auch die Frage, in welchem Umfeld ein solch junger Mensch aufgewachsen sein muss, wo er diese Auswüchse überhaupt zu einem ausleben müssenden Bedürfniss gemacht hat und erst machen hat können, wäre die noch viel Wichtigere?

    Aber ist die aktuelle Politik schon mindestens zwanzig Jahre zurück, hier ganz fest mitverantwortlich, dass es solche Auswüchse überhaupt geben kann und noch mehr das Schweigen darüber und das Schweigen über das Schweigen…
    Fast jede aktuelle Handlung der Politik verschärft diese Ursachen weiter.
    Wenn man nun dieses Waffengesetz hernimmt, dann fragt man sich automatisch (Ich zumindest) und vor allem, was hat man denn nun noch vor und wie lange will man noch so weitermachen?

    • Erinnern Sie sich noch an die Aussage eines gewissen FP-BP-Kandidaten (da Hofa woas vom 20er Haus), der einem Interviewer “sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist” geantwortet hat. Wenn ich mich richtig erinnere, war es ein Gastbeitrag von Alfred J. Noll in der Zeit vom 1.12.2016. Also, ein guter Rat unter Betroffenen, halten Sie in unserer “Insel der Seligen” alles für möglich!

      • Leider fehlt mir hier die ganz konkrete Erinnerung, sondern blieben mir nur ein paar Brocken ganz blass dazu noch in Erinnerung.

        Ja ihr Rat ist wahrlich zutreffend und kann ich das auch auf Grund persönlicher Erlebnisse und Erfahrungen mehr als nur mehr bestätigen…
        (Wenn nun aber endlich wieder die vierte Macht/Gewalt (allein diese Eigenschaft ist ja schon zum fürchten) endlich wieder in die Gänge kommt, dann wird das alles ganz rasch sichtbar werden… – ZZ ist ein kleines Pflänzchen dafür…)

        • Aus kleinen Pflänzchen können aber auch Mammutbäume werden. Was im Fall von ZZ sehr zu hoffen wäre. Ich denke, die knapp 10 € pro Monat für eine Clubmitgliedschaft sind gut angelegtes Kapital.
          Endlich ein Medium das es wagt, die politische Elite sachlich fundiert aufzumischen.

          • Wollen wir es hoffen.
            Wenn ich an die bisherigen Aufdeckungen von Sobotka, Mahrer und vor allem Pilnacek denke, dann könnte man doch fast auch diese Hoffnung bald verlieren, denn zwischenzeitlich haben die Medien und offensichtlich dieses berühmt berüchtigte System in diesem Lande wieder sämtliche weitere Berichterstattungen auf Null abgedreht?

  4. Gratulation an Herrn Hoisl zu dieser Recherche!
    Da wechselt sich blankes Entsetzen über die Vorkommnisse mit Dank an den DSN für den Ermittlungserfolg ab. ZackZack berichtet als Erster (Einziger) und die gesteuerten Bezahlschrankenmedien buchen grad Inserate ein.

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