Ein junger Österreicher war Teil des internationalen Neonazi-Netzwerkes „Feuerkrieg Division“. In Chatgruppen tauschte er sich über Anschlagspläne aus. Nun gibt es eine Anklage. Der Wiener befindet sich seit Anfang April wieder in U-Haft.
Es sind derart menschenverachtende und ekelhafte Inhalte, dass man sie großteils nur indirekt wiedergeben mag: Über Monate “amüsierten” sich die Mitglieder des Online-Netzwerkes „Feuerkrieg Division“ über das Vergasen und Erschießen von Jüdinnen und Juden oder das Morden von schwarzen Menschen, teils bebildert mit selbstgemachten Sujets und Memes.
Der Gruppe ging es dabei aber nicht bloß um “Belustigung”. Die User, die aus verschiedenen europäischen Ländern und den USA stammten und Pseudonyme wie „Siegheil_88“ oder „Heydrich“ wählten, tauschten sich über Gewaltfantasien, Waffenbeschaffung und Bombenbaupläne aus. Und darüber, wie man am besten zu einem „Saint“ – also zu einem „Heiligen“ – werden könnte. Damit gemeint: Rechtsterroristische Massenmörder wie Anders Breivik oder Brenton Tarrant. Mitten unter den Gruppenmitgliedern: Ein junger Österreicher, HTL-Absolvent aus Wien, Username „v00rm“.
Wie ZackZack erfuhr, hat die Staatsanwaltschaft Wien nun gegen den Wiener Anklage erhoben. “Wir können bestätigen, dass eine entsprechende Anklage bei Gericht eingebracht wurde”, sagt Behördensprecherin Nina Bussek. Es gehe um Delikte nach §3g Verbotsgesetz sowie um Verhetzung, Aufforderung zu mit Strafe bedrohten Handlungen und der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Anfang April wurde über ihn Untersuchungshaft verhängt, nachdem er sich lange Zeit auf freiem Fuß befand.
Hausdurchsuchung erst 2023
Erste Hinweise zu dem Wiener gab es bereits im Frühjahr 2020: Damals wurde der Verfassungsschutz von ausländischen Partnerdiensten informiert, dass sich in dem Online-Netzwerk offenbar auch ein damals 17-jähriger Österreicher bewege. Die Gruppe, die einerseits über Telegram NS-Propaganda verbreitete, Mitglieder rekrutierte und die sich dann in privaten Kanälen auf den Plattformen Discord oder Riot-Chat zusammenschloss, existierte seit 2019. Ab Jänner 2020 kam es dann in verschiedenen Ländern wie den USA, Kroatien, Estland oder Deutschland zu Festnahmen von durchwegs sehr jungen Männern und Teenagern.
In Österreich dauerte es länger: Erst im Mai 2023 hatte man den jungen Mann lokalisiert und machte bei ihm eine Hausdurchsuchung. Die Ermittler der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) fanden umfangreiches NS-Material und Waffen – einerseits einige “Airsofts” aber auch ein echtes Gewehr samt Munition. Bemerkenswert: Während es in anderen Ländern in der Regel zu Verhaftungen kam, blieb der Österreicher zunächst auf freiem Fuß.
Erst kurz vor Weihnachten, am. 21. Dezember, nahm man ihn dann für einige Wochen in Untersuchungshaft, das im Mai sichergestellte Material ließ auf “Tatbegehung oder Wiederholungsgefahr” deuten, so die Begründung der DSN. Anfang Februar wurde er dann aber wieder enthaftet. Wie die Staatsanwaltschaft Wien nun gegenüber ZackZack bestätigt, ist er seit April wieder in U-Haft – ein ziemliches Hin und Her also. Zwar spricht die DSN über die “Feuerkrieg Division” von einer rechtsterroristischen Gruppierung, Terrordelikte oder eine Anschlagsplanung wird ihm seitens der Anklage aber nicht vorgeworfen. Geleakte Chats zeigen hingegen, dass sich der Wiener sehr wohl darüber mit Gleichgesinnten austauschte.
Geleakte Chats zeigen Rolle des Österreichers
Das 2020 zerschlagene Netzwerk war damals offenbar auch von Antifa-Aktivisten unterwandert, die die monatelangen Chats der Plattform “Riot Chat” absaugten, ZackZack liegt das riesige Datenleak vor. Eine Sichtung davon zeigt, dass der Wiener dort durchaus eine führende Rolle einnahm. Als er im Jänner 2020 den Gruppenchat mit den Worten “Hail Victory” betrat, war er den anderen Mitgliedern offenbar bereits aus anderen Kanälen bekannt. Schon wenige Minuten später stellte er ein Propagandavideo in die Gruppe, sowie einen Download-Link mit PDFs, Bildern und “Anleitungen”, der mittlerweile nicht mehr abrufbar ist.
Tage später erkundigt sich einer der User über Tipps, wie und wo man am besten “berühmt” bzw. ein “Saint” – also “Heiliger”- werden könnte. Laut Experten wie auch dem Deutschen Bundesamt für Verfassungsschutz handelt es sich bei “Saint” um einen Code für Rechtsterroristen wie Anders Breivik, die wegen ihren Taten in diesen Netzwerken verehrt werden. “v00rm” aus Wien hatte auf die Frage seines Chatpartners jedenfalls eine verstörende Antwort: “Meine Traumreise wäre ein jüdischer Gebetsort.”
An anderer Stelle sprach “v00rm” auch über Österreich. Er wünschte sich ein “Bürgerkriegsszenario” und sah dies mit dem Aufschwung rechter Parteien auf einem realistischen Weg. Auch rechtsextreme Gruppierungen wie die “IBÖ”, also die Identitäre Bewegung Österreichs, erwähnte er in diesem Zusammenhang. Als in der Gruppe ein Artikel eines linken Journalisten diskutiert wurde, schlug der Wiener vor, dem Autor einen Schweinekopf zu schicken, falls dieser Muslim sei. Über die österreichische Justizministerin, die er als “eine ausländische Frau” bezeichnete, schrieb er wirre Zeilen.
Als am 26. Februar allmählich das Land von den ersten Corona-Fällen erfasst wurde und der Wiener gerade von einem Skiurlaub zurückkam, äußerte “v00rm” erneut Terrorpläne: “Falls das System heruntergefahren wird, wem soll ich zuerst einen Besuch abstatten? Soll ich mit den Muslimen ein Gebet sprechen oder den jüdischen Menschen bei einem ihrer Treffen und diesem eine explosiven Wendung geben?” Anfang März wurde die Gruppe dann endgültig dicht gemacht, mehrere Mitglieder waren bereits verhaftet worden.
Dass es die “Feuerkrieger” nicht nur bei Worten beließen, sondern mitunter auch zur Tat schritten, zeigen mehrere Vorfälle: Ein Mitglied aus Litauen wollte im Herbst 2019 etwa einen selbstgebastelten Sprengsatz vor einer Western Union-Filiale in Vilnius zünden, was letztlich scheiterte. In der Chatgruppe prahlte er anschließend von der Aktion. Der damals 19-Jährige wurde 2020 festgenommen und fasste eine Haftstrafe von zwei Jahren und vier Monaten aus. Ein 17-Jähriger Brite wurde wegen terroristischer Vorbereitungshandlungen ebenfalls 2020 verurteilt und bekam mehr als fünf Jahre. Auf das Konto der sogenannten “Atomwaffen Division”, der unmittelbaren Vorgängergruppe und stilistischem Ebenbild, gingen sogar fünf Morde.
Auch “offline” in rechter Szene aktiv
Obwohl die rechtsextremen User die Festnahmen ihrer Kollegen quasi “live” über Medienberichte mitbekamen und besprachen, hat die Zerschlagung den Wiener offenbar nicht verschreckt. Im Gegenteil: Bei der Hausdurchsuchung 2023 sichergestellte Dinge wie eine Militärweste mit dem Aufdruck “Schwurbler” deuten darauf hin, dass er sich diese erst später, im Laufe der Pandemie, zugelegt hat. Auch eine Langwaffe, die er mit 18 Jahren laut DSN legal erwarb, muss er sich aufgrund der Altersgrenze nach der Auflösung der Gruppe zugelegt haben. Die Ermittler konfiszierten zudem einen 3D-Drucker, das Basteln eigener Waffen war in dem Netzwerk immer wieder Thema. Mittlerweile bestehe ein Waffenverbot gegen den Mann, heißt es.
Wie die DSN gegenüber ZackZack bestätigt, bewegte sich der Wiener überdies nicht nur in Online-Netzwerken, sondern war auch “offline” einschlägig aktiv: “Dem Verfassungsschutz ist bekannt, dass der Betroffene auch abseits des Internets in der rechtsextremen Szene aktiv war”, heißt es aus dem Innenministerium. Zu welchen Gruppen er konkret Kontakt hatte, will man derzeit nicht verraten. ZackZack bleibt hier weiter dran und wird berichten.
Prozesstermin gibt es noch keinen, der Beschuldigte hat nun zwei Wochen Zeit gegen die Anklage Einspruch zu erheben. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Titelbild: DSN; Foto eine Mitgliedes der “Feuerkrieg Division” via Riot-Chat; ZackZack-Collage