Wien:
Am Sonntag haben etwa 100 Mjam-Fahrer spontan gegen die Arbeitsbedingungen beim Essenslieferdienst protestiert, anstatt auszuliefern. Weitere Streiks könnten folgen.
Wien, 17. Oktober 2022 | Am Sonntag haben etwa 100 freie Dienstnehmer des Essenslieferdienstes Mjam im Wien gestreikt. Wie Adele Siegl, Betriebsrätin bei Mjam, ZackZack erklärte, fordern sie mehr Lohn, sichere und gesunde Arbeitsbedingungen – „die Last auf dem Rücken ist zu hoch“ – und, dass die Freiheiten, die sie als freie Dienstnehmer eigentlich haben, gewahrt bleiben. Weitere Streiks könnten bevorstehen, sagte Siegl.
Weitere Streiks könnten folgen
Der Streik am Sonntag war ein sogenannter „wilder“ Streik freier Dienstnehmer. Man sei derzeit dabei, sich zu organisieren und eine Strategie festzulegen. Die Geschäftsführung wisse über die Forderungen Bescheid, aber solange das Unternehmen nicht auf die Fahrer zukäme, könnten weitere Streiks bevorstehen.
Prekäre Branche
Mjam ist wegen schlechter Arbeitsumstände bereits in der Vergangenheit wiederholt in Kritik geraten. ZackZack berichtete im Februar 2021 bereits ausführlich über das harte Leben der Essenslieferanten. Viele Mjam-Fahrer arbeiten als freie Dienstnehmer, was theoretisch einige Vorteile hat, die von Mjam auch beworben werden.
Doch mit flexiblen Arbeitszeiten und freier Entscheidung darüber, wieviel man arbeitet, ist es offensichtlich nicht weit her. „Die Freiheiten von freien Dienstnehmern verschwinden. Die Fahrer seien stark vom Willen und System des Arbeitgebers abhängig, so Siegl: „Man kann nicht mehr von einem freien Dienstvertrag sprechen.“
Mjam ist Negativbeispiel
Auch die Anstellungs-Debatte ist keine Neue. Im Februar 2021 hatte Arthur Schreiber, CEO von Mjam Österreich, aufgeregt mit der Aussage, alle Fahrradboten fix anzustellen würde den Tod der Branche bedeuten. Robert Walasinski vom Internationalen Rat des ÖGB konterte damals in einem Blog-Beitrag mit dem Titel „Entrechteter Niedriglohnsektor“: „Eher Lohndumping, das Umgehen von Arbeitsrecht mit freien Dienstverträgen und ignorieren des Kollektivvertrags sind der Tod der Branche und unserer Arbeitsplätze!“
Dass es anders gehe, zeigten Unternehmen wie Lieferando, der Lastenradtransport-Dienstleister Heavy Pedals und andere, die sich an Kollektivverträge hielten, teils sogar überbezahlten und faire und sichere Arbeitsbedingungen böten, schreibt Walasinski.
4 Euro pro Bestellung
Auf seiner Website wirbt Mjam damit, dass man als Fahrer bis zu 16 Euro pro Stunde verdienen kann und dass man durchschnittlich 12 Euro verdient, „plus Trinkgeld“. Was erst am Fuß der Website steht: Diese vermeintlichen Traumgehälter leiten sich von der Annahme ab, dass ein freier Dienstnehmer, der 4 Euro pro Bestellung bezahlt bekommt, vier Bestellungen pro Stunde Bestellungen pro Stunde nur selten aus und kommt ohne Trinkgeld meist kein attraktiver Stundenlohn zusammen. Wer fix angestellt ist, verdient laut Website ein Fixgehalt von 9,21 bis 11,50 Euro pro Stunde.
(pma)
Titelbild: ZackZack/ Christopher Glanzl