Mittwoch, Mai 15, 2024

Wien-Attentat: Prozess gegen mutmaßliche Helfer gestartet – Gerichtsreportage

Gerichtsreportage

Am Dienstag startete der Prozess gegen sechs Männer, die dem Wien-Attentäter bei der Vorbereitung des Anschlags am 02. November 2020 geholfen haben sollen. Sie bestreiten, dass sie eingeweiht waren. Die Staatsanwaltschaft fordert lebenslang. ZackZack war beim Prozessauftakt dabei. 

Stefanie Marek

Wien, 19. Oktober 2022 | Die Akustik im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts ist schlecht, aber die Namen jener vier Menschen, die am 02. November 2020 beim Terroranschlag von Wien getötet wurden, versteht man sehr deutlich, als die Staatsanwältin sie aufzählt. „Der Attentäter kann nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden. Es geht hier um die Frage, wie es so weit kommen konnte – wie die Angeklagten den Attentäter unterstützt haben“, sagt sie zu den Geschworenen, die ihr aufmerksam zuhören.

Staatsanwältin: „Wie die Klosterschüler“

Der Attentäter wurde beim Anschlag von der Polizei erschossen. Am vergangenen Dienstag, zwei Jahre nach dem Anschlag, sitzen nun sechs Männer im Alter zwischen 22 und 32 Jahren als Angeklagte hier im Saal. In ihren gebügelten Hemden und Sakkos, die Haare ordentlich gekämmt und mit FFP2-Masken vor den jungen Gesichtern sehen sie zwischen den bewaffneten Justizwachebeamten mit ihren Sturmhauben und schusssicheren Westen ein wenig seltsam aus. „Wie die Klosterschüler“ würden sie sich präsentieren, stellt die Staatsanwältin fest.

Laut Anklage bewegten sich die Angeklagten bereits vor dem Attentat in radikalen islamistischen Kreisen und waren eng mit dem Attentäter befreundet. Vier von ihnen sind vorbestraft, zwei davon wegen Krimineller Organisation und Terroristischer Vereinigung. Alle sechs Angeklagten sollen an der Vorbereitung des Terroranschlags beteiligt gewesen sein. Die damit verbundenen Vorwürfe: Mord, Terroristische Vereinigung und Kriminelle Organisation. Die Strafdrohung: lebenslang. Für die zwei jüngsten Angeklagten sind es bis zu 20 Jahre Haft.

Anklage: Hilfe bei der Planung und Beschaffung von Waffen

Einer soll mit dem Attentäter in die Slowakei gefahren sein und dort mit diesem versucht haben, Munition für jenes Gewehr zu kaufen, das beim Anschlag verwendet wurde. Ein anderer soll dem Attentäter das Gewehr besorgt und ihm dieses plus Munition im Beisein eines weiteren Angeklagten übergeben haben. Mehrere von ihnen sollen den Attentäter bestärkt und ihm bei der Auswahl des Anschlagsziels geholfen haben. Zwei sollen kurz vor dem Anschlag beim Attentäter in der Wohnung gewesen sein. Einer soll versucht haben, ihm gefälschte Papiere zu besorgen.

Angeklagte streiten zentrale Vorwürfe ab

Man hört das Rücken ihrer Stühle laut in dem großen Saal, als einer nach dem anderen aufsteht. Eine Beteiligung am Terroranschlag streiten alle ab, schuldig bekennen sich zwei nur zu den Verstößen gegen das Waffengesetz, wegen denen sie ebenfalls angeklagt sind. Detaillierter werden sie sich in den folgenden Verhandlungstagen verantworten müssen.

Der Prozess wird im Dezember fortgesetzt werden, ein Urteil erwartet das Gericht im Februar 2023. Momentan sind 17 Verhandlungstage angesetzt. Am Dienstag hielten vorerst nur die Verteidiger ihre Eröffnungsreden. Es gebe keine Beweise, nur Indizien und das sei nicht ausreichend sind sich diese einig. Verteidiger Rudolf Mayer betont: „Wir sind da, um zu schauen, ob der Attentäter unterstützt wurde, und nicht wie!“

Verteidiger: Prozess soll Sündenböcke schaffen

Einige Verteidiger meinen, der Prozess sei ein Versuch, die Fehler der Behörden, die diese im Vorfeld des Terroranschlags machten, zu kaschieren. „Hier werden im Nachhinein Sündenböcke gesucht“, sagt etwa Verteidiger Elmar Kresbach und spricht von „zynischem politischen Druck“ – nach dem Motto „Wir müssen jetzt irgendwelche Leute verurteilen“.

Die DNA-Spuren seines Mandanten auf Tatwaffen und Munition sind keine Fingerabdrücke, betont Kresbach. Diese Spuren seien sekundär übertragen worden, und beweisen daher gar nichts, meint er. Auch, dass sein Mandant sich mit dem Attentäter angefreundet und bei diesem gewohnt habe, sei falsch.

„Der Waffenhändler ist nicht der Mörder“

Auch Verteidigerin Astrid Wagner weist zurück, dass der 32-jährige Angeklagte, den sie vertritt, mit dem Attentäter befreundet war: „Er hat gar nichts gewusst über diesen Menschen.“ Ja, er habe ihm die Waffe geliefert, aber er habe nicht gewusst, was damit geplant war: „Der Waffenhändler ist nicht der Mörder.“

Sie spricht von „Schlampereien seitens der Ermittlungsbehörden“ und sieht einen Fehler in der Anklage. Ihr Mandant sei am Tag vor dem Anschlag nicht in der Wohnung des Attentäters gewesen, sondern ganz woanders. Bei der Auswertung von dessen Handydaten sei ein „unfassbarer Fehler“ passiert: Das Handy sei einem falschen Sendemast zugeordnet worden.

Verteidiger: Fehleinschätzung der Behörden

Und einen energischen Seitenhieb auf den Verfassungsschutz, der Warnungen aus dem Ausland zum Attentäter ignorierte, gibt es auch: „Diese Spezialisten haben keine Gefahr gesehen und mein unbedarfter, unpolitischer Mandant hätte das alles wissen sollen?“

In dieselbe Kerbe schlägt Verteidiger Wolfgang Mekis, der die Objektivität der Ermittlungsergebnisse in Frage stellt. Er spricht von einer Fehleinschätzung der Behörden, nachdem diese den versuchten Munitionskauf „ignoriert“ hatten. Auch seinem Mandanten sei eben eine Fehleinschätzung bezüglich des Attentäters passiert.

Titelbild: HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com

Stefanie Marek
Stefanie Marek
Redakteurin für Chronik und Leben. Kulturaffin und geschichtenverliebt. Spricht für ZackZack mit spannenden Menschen und berichtet am liebsten aus Gerichtssälen.
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1 Kommentar

  1. Einer der Hauptschuldigen läuft immer noch frei herum, ja, er ist sogar Kanzler geworden, nachdem er als Innenminister komplett versagt hat ….

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