Dienstag, Oktober 8, 2024

Terrorprozess: Zweimal lebenslang, einmal 20, einmal 19 Jahre Haft

Alle sechs Angeklagten im Terror-Prozess in Wien wurden schuldig gesprochen. Zwei fassten milde Urteile aus, der Rest beinahe durch die Bank Maximalstrafen.

Wien | In der Nacht auf Donnerstag ist der Prozess gegen sechs mutmaßliche Unterstützer des Attentäters von Wien zu Ende gegangen. Alle wurden schuldig gesprochen, zwei aber vom Vorwurf des Mordes freigesprochen. Zwei Angeklagte wurden der Mitgliedschaft an einer terroristischen Vereinigung schuldig gesprochen und je zu einer teilbedingten Haftstrafe von zwei Jahren verurteilt, wobei acht Monaten bereits durch die Untersuchungshaft verbüßt worden sind.

Zwei weitere Angeklagte erhielten eine lebenslange Haftstrafe, ein Angeklagter 20, und ein weiterer 19 Jahre Haft. Sie alle haben laut erstinstanzlicher Entscheidung den Attentäter unterstützt und erhalten ihre Strafen wegen terroristischer Straftaten in Verbindung mit Beteiligung am Mord.

Die niedrigsten Strafen gab es für jene Angeklagten, die wegen Mitgliedschaft in der radikal-islamistischen Terror-Miliz “Islamischer Staat” (IS) und Verbreitung von IS-Propagandamaterial verurteilt wurden. Nur sie haben ihre Urteile bis dato angenommen. Sämtliche Urteile sind damit nicht rechtskräftig.

 (C) EVA MANHART / APA / picturedesk.com

Mehrere Angeklagte dem IS zugerechnet

Die acht Geschworenen folgten beim Dritt-, Viert-, Fünft- und Sechstangeklagten im Kern der Anklage der Staatsanwältin, wobei die Männer mit Ausnahme des Fünftangeklagten dem IS zugerechnet und auch wegen Verbreitens von entsprechendem Propagandamaterial schuldig erkannt wurden. Zwei Angeklagte mussten sich außerdem nach Waffen- und Kriegsmaterialgesetz verantworten.

Bedingte Strafen widerrufen

Der Erstangeklagte war bereits während der Hauptverhandlung auf freiem Fuß, der Zweitangeklagte wurde im Anschluss an die Verhandlung enthaftet. Bei den teilweise massiv vorbestraften Angeklagten wurden auch bedingt nachgesehene Strafen beziehungsweise bedingte Entlassungen aus der Haft widerrufen. Sie müssen damit nun auch diese Strafen absitzen.

Strafen wegen IS-Propaganda

Was die zentralen Vorwürfe betrifft, wurde der Drittangeklagte für schuldig befunden, den Attentäter von Mai 2020 bis zum Tag des Anschlags im Wissen um dessen Absichten unterstützt, das Anschlagsziel mitausgesucht und Fluchtvorbereitungen getroffen zu haben, indem er gefälschte Papiere besorgte. Er bekam dafür 20 Jahre Haft.

Beim Erstangeklagten fehlte den Geschworenen der Beweis, dass dieser – wie von der Anklage inkriminiert – den Attentäter psychisch und bei der Planung und Vorbereitung des Anschlags unterstützt und am 21. Juli 2020 im Wissen um dessen mörderische Pläne in die Slowakei chauffiert hatte, wo dieser Munition für das beim Attentat verwendete AK-47-Sturmgewehr kaufen wollte. Wegen Mitgliedschaft beim IS und Verbreitung von Propagandamaterial erhielt er 24 Monate, davon acht Monate unbedingt.

Beim Zweitangeklagten wurde entgegen der Anklage nicht angenommen, dass dieser dem Attentäter am Tag des Anschlags bei Tatvorbereitungen und bei der Auswahl des Anschlagsziels behilflich war und ihn im Entschluss zur Tatbegehung bestärkt hatte. Als IS-Propagandist fasste er ebenfalls 24 Monate aus, wovon wiederum acht Monate unbedingt ausgesprochen wurden. Der Mann, der kurz nach dem Anschlag festgenommen worden und seit über zwei Jahren in U-Haft gesessen war, wurde nach der Verhandlung enthaftet. Der Erstangeklagte hatte sich schon länger auf freiem Fuß befunden.

 (C) GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com

Bis zu lebenslang für Beihilfe zum Mord

Der Drittangeklagte wurde wegen Beitrages zum Mord zu einer Haftstrafe von 20 Jahren verurteilt. Beim Viertangeklagten wurde angenommen, dass er den Attentäter von Juli 2020 bis zum Tag des Anschlags zur Tatausführung bestärkt sowie die Tatwaffen samt Munition und weitere Utensilien in der Wohnung des Attentäters vorbereitet hatte. Für ihn setzte es eine lebenslange Freiheitsstrafe.

Beim Fünftangeklagten gelangte war der überwiegende Teil der Geschworenen der Ansicht, dass dieser dem Attentäter im Sommer 2020 die beim Anschlag verwendeten Schusswaffen – ein Sturmgewehr und eine Pistole – und die passende Munition vermittelt und übergeben hatte. Er wurde ebenfalls zu lebenslanger Haft verurteilt. Ähnlich sahen es die Geschworenen beim Sechstangeklagten. Beim Sechstangeklagten wurde außerdem angenommen, dass dieser an einer terroristischen Vereinigung beteiligt war. Er kassierte 19 Jahre Haft, weil er zum Tatzeitpunkt unter 21 Jahre alt war und er damit noch als junger Erwachsener zu betrachten ist.

(C)  ROLAND SCHLAGER / APA / picturedesk.com

Mehrere Milderungs- und Erschwernisgründe

Erschwerend auf das Strafausmaß wirkten sich bei drei Angeklagten die “verwerflichen Beweggründe des IS” aus, begründete der Richter die Entscheidung. Bei vier Angeklagten erschwerten auch das Zusammenkommen mehrerer Verbrechen und Vergehen das Strafausmaß. Im Falle eines Angeklagten waren auch seine beiden einschlägigen Vorstrafen für die Höhe der Strafe verantwortlich. Mildernd wirkte sich bei allen ein teilweises Geständnis zu Chats mit propagandistischen Inhalten aus.

Auch bei den beiden Angeklagten, die von den zentralen Punkten der Anklage freigesprochen wurden, wirkte sich das Zusammenkommen mehrerer Vergehen erschwerend aus. Mildernd war hingegen deren “ordentlicher Lebenswechsel” sowie ein teilweises Geständnis und der Umstand, dass beim Erstangeklagten die Vergehen weit in der Vergangenheit – im Jahr 2015 – lagen. Beim Zweitangeklagten war überdies das im Tatzeitpunkt noch nicht vollendete 21. Lebensjahr strafmildernd.

Opfer-Anwalt zufrieden

Die Verteidiger des Viert-, Fünft-, und Sechstangeklagten kündigten nach der Urteilsverkündigung an, Nichtigkeitsbeschwerden und Strafberufungen einzubringen. Der Drittangeklagte nahm von seinem Recht auf eine dreitägige Bedenkzeit Gebrauch. Erst- und Zweitangeklagter verzichteten auf Rechtsmittel, nahmen das Urteil damit an. Die Staatsanwältin gab zu sämtlichen Urteilen vorerst keine Erklärung ab.

Zufrieden mit dem Verfahrensausgang zeigte sich in einer ersten Reaktion der Wiener Rechtsanwalt Mathias Burger, der die Angehörigen eines beim Anschlag erschossenen 21-Jährigen vertritt. Burger wohnte der Verhandlung bis zum Schluss im Namen der Hinterbliebenen als Privatbeteiligten-Vertreter bei. “Die Geschworenen haben ihre Aufgabe sehr gut bewältigt”, bemerkte der Opfer-Anwalt im Gespräch mit der APA. Die Eltern hätten auf die Urteile “mit großer Erleichterung” reagiert. Mit den getroffenen richterlichen Entscheidungen hätten sie “die Gewissheit” vermittelt bekommen, dass die Justiz “einen gewissen Ausgleich” zu dem ihnen zugefügten Leid schafft.

Titelbild: ZackZack/ Christopher Glanzl

Quelle: APA

Autor

  • Pia Miller-Aichholz

    Hat sich daran gewöhnt, unangenehme Fragen zu stellen, und bemüht sich, es zumindest höflich zu tun. Diskutiert gerne – off- und online. Optimistische Realistin, Feministin und Fan der Redaktions-Naschlade. @PiaMillerAich

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