Koalitions-Stresstest
Im Schatten der Vorwürfe gegen Sebastian Kurz und Wolfgang Sobotka spielte ein weiterer ÖVPler eine gewichtete Rolle in der Schmid-Vernehmung: ÖVP-Klubobmann August Wöginger. Als Bindeglied der türkis-grünen Koalition sind die neuen Verdachtsmomente für seine Rolle besonders heikel.
Wien, 20. Oktober 2022 | Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt bereits seit Februar gegen ÖVP-Klubobmann August Wöginger wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs. Es gilt die Unschuldsvermutung. Durch die Schmid-Einvernahmen dürfte die Causa noch einmal angeheizt werden.
Konkret werfen die Ermittler dem Einpeitscher des türkisen Nationalratsklubs vor, zu seiner Zeit als einfacher Abgeordneter 2017 bei Ex-Finanzministeriums-Kabinettschef Schmid für die Bestellung eines oberösterreichischen ÖVP-Bürgermeisters zum Vorstand des Finanzamts Braunau interveniert zu haben.
“Ganz konkret dafür eingesetzt”
Laut Thomas Schmid habe sich Wöginger „ganz konkret dafür eingesetzt“, dass der ÖVP-Bürgermeister später Vorstand des Finanzamtes wurde, obwohl eine Kontrahentin deutlich qualifizierter für den Posten war. “Ich habe mich für dieses Anliegen für Wöginger eingesetzt, weil es ihm so ein wichtiges Anliegen war und mir wiederum ein gutes Verhältnis zu Wöginger wichtig war”, sagte Schmid zu den Korruptionsermittlern.
Ihm sei bewusst gewesen, dass es sich dabei um ein ausschließlich parteipolitisch motiviertes Anliegen gehandelt habe, sagte Schmid weiter aus. Mit der fachlichen Qualifikation des Mannes für diese Vorstandsposition habe er sich nicht befasst. So sagte Schmid auf die Frage der Ermittler, ob Wöginger jemals eine „tolle fachliche Voraussetzung“ des Bürgermeisters für den Posten erwähnt hätte, dass es “ja dann die Intervention von Wöginger bei mir nicht gebraucht hätte, wenn er so gut geeignet gewesen wäre.”
Auch der damalige ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling sei über die Personalangelegenheit informiert worden, gab Schmid weiters an. “Ich habe ihm sicher gesagt, dass Wöginger einen Personalwunsch für eine Vorstandsposition eines Finanzamtes in Oberösterreich habe, dass ich mich schon darum gekümmert hätte und dass es sich dabei um einen ÖVP-Bürgermeister und ein ÖAAB-Mitglied handle.” Schelling habe dies “einfach zur Kenntnis genommen”.
Ermittelt wird auch gegen sämtliche Mitglieder der vierköpfigen Begutachtungskommission, die den ÖVP-Bürgermeister an die erste Stelle setzten. Bereits 2021 gab es eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, dass die unterlegene Kandidatin „auf Grund des Geschlechts, des Alters und der Weltanschauung“ diskriminiert worden sei.
Das „profil“ hatte im September über die Einvernahme des Bürgermeisters berichtet. Dieser habe den Ermittlern gesagt, dass er im Vorfeld mit Wöginger gesprochen hätte: „Ich war aber schon bei ihm, weil er bei derselben Partei war und ist wie ich. Als ‚Roter‘ wäre ich nicht zu ihm gegangen.“
Koalitions-Kleber Wöginger als heikle Personalie
Wöginger reagierte am Mittwoch knapp auf die neuen Vorwürfe aus der Schmid-Befragung. Er wies die Anschuldigungen in einer Stellungnahme gegenüber der APA zurück und betonte, keinen Einfluss genommen zu haben.
Für die türkis-grüne Koalition ist Wöginger eine heikle Personalie. Im Gegensatz zu Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, der auch bei den Grünen nicht mehr das größte Vetrauen genießt, ist Wöginger für die Koalition essentiell. Als ÖVP-Klubchef bildet er mit Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer die Brücke der beiden Regierungsfraktionen.
(bf)
Titelbild: HERBERT NEUBAUER / APA / picturedesk.com