Dienstag, April 30, 2024

Hilfswerk fordert mehr Maßnahmen gegen Pflegenotstand

Die Personaloffensive in der Pflege kann nur ein erster Schritt sein kann, heißt es vom Hilfswerk. Bei einer Pressekonferenz wandte sich Othmar Karas kritisch an die Regierung: Die Probleme müssten dringend behoben werden.

Wien, 04. November 2022 | Im Frühjahr hat die Regierung medienwirksam eine Pflegereform präsentiert. Versprochen wurde unter anderem eine „Gehaltserhöhung“ in Form eines ausbezahlten Bonus, der eigentlich für Dezember angekündigt war. Aber: „Wie soll das Versprechen bis Dezember umgesetzt werden, wenn bis heute nicht bekannt ist, wie die Umsetzung im Detail aussehen soll?“, zeigte sich Hilfswerk-Präsident Othmar Karas (ÖVP) bei einer Pressekonferenz am Freitag empört.

Die Pflege brauche „Menschen mit Empathie, Ausbildung, mit Hand, Herz und Hirn“, sagte Karas. Dementsprechend sieht das Hilfswerk das Personal auch im Zentrum der Problemlösung, beziehungsweise deren Verfügbarkeit, Ausbildung und Arbeitsumstände. Die bisher präsentierten Maßnahmen seien nur die erste Etappe, aber keine umfassende Reform.

Gemeinsam mit Hilfswerk-Österreich-Geschäftsführerin Elisabeth Anselm und Hilfswerk-International-Geschäftsführer Stefan Fritz warnte er die Regierung vor „Stolpersteinen“, die aus Sicht des Hilfswerks derzeit die Bewältigung des Pflege-Notstands behinderten. „Wir brauchen den politischen Willen, dieses Thema nicht im Schneckentempo anzugehen, sondern so schnell wie möglich“, so Karas in Richtung Regierung.

Schlechte Datenlage

Aus Sicht des Hilfswerks scheitert es in Österreich schon einmal daran, dass es kaum bis gar keine Daten gibt, die ermöglichen, den Bedarf an sowie Anzahl und Entwicklung von Praktikanten im Pflegeberuf abzubilden, genauso wie Zahl und Bedarf an Praktikum-Plätzen, verfügbaren Ausbildnern und Praktikumsanbietern.

Was fehlt

Einerseits fehlt, das ist längst öffentlich bekannt, Pflegepersonal. Das liegt laut Hilfswerk einerseits daran, dass Ausbildungsplätze am Anschlag seien und Interessierten maximal mit Ach und Krach ein Praktikum angeboten werden kann.

Es sei außerdem viel zu umständlich für Fachkräfte aus Drittstaaten, für die Pflegearbeit nach Österreich zu kommen, kritisierte Stefan Fritz am Freitag. Wer mit einer Ausbildung aus dem Pflegebereich nach Österreich kommt, muss den Abschluss anerkennen lassen und eventuell Zusatzkurse besuchen. Dieser Prozess bringe für Fachkräfte aus Drittstaaten aber hohe bürokratische Hürden und hohe Kosten, so Fritz.

Bewerber seien mit einer Vielzahl an verantwortlichen Stellen konfrontiert, die Gesetze teils anders auslegten. Die Zuständigkeitsverteilung führe dazu, dass alle ein bisschen Bescheid wüssten, aber es keine Stelle mit geballtem Wissen in Österreich gebe, bemängelte Fritz. “Wir sind uns nicht sicher, ob diese Diskrepanzen bewusst sind und hingenommen werden oder einfach nicht bewusst sind”, sagte Elisabeth Anselm.

Lange Fristen, wenige Möglichkeiten

Die Erfahrungen des Hilfswerks zeigen: Reicht jemand die Unterlagen für die Abschluss-Anerkennung ein, beträgt die Begutachtungsfrist drei Monate. Danach beträgt die Wartezeit auf Ergänzungsausbildungen bis zu sechs Monate und mehr. Die Absolvierung der Kurse dauert mindestens zehn weitere Monate. Und wer während dieses Prozesses arbeiten möchte, darf das nur in einer Qualifikationsstufe unter dem erlangten Ausbildungsniveau. Pflegeassistenten haben daher keinerlei Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, weil es unter ihnen keine Berufsstufe in dem Bereich gibt.

Deutschland viel attraktiver

Das Hilfswerk verweist etwa auf den Nachbarn Deutschland, der für Fachkräfte aus Drittstaaten wesentlich attraktiver sei. Der Prozess bis zur Anerkennung der Ausbildung sei praxisorientierter, unter anderem weil es Kooperationsabkommen mit interessierten Herkunftsländern gebe. Genau solche Vereinbarungen und Services für interessierte Bewerber und Betriebe in Drittstaaten und Österreich fordert das Hilfswerk auch hierzulande, etwa unter dem Titel “Work in Care Austria”.

Qualitätsoffensive bei Praktikumsanleitung

Aber auch Praktikumsanleiter fehlen laut Hilfswerk. Sowohl die wachsenden Anforderungen an Praktikumsanleiter als auch die Bedeutung der Qualität der Begleitung von Praktika werde systematisch unterschätzt. Es brauche mehr Zeit und Ressourcen für Weiterbildungen und die Anleitungstätigkeit. Die Kosten für die Weiterbildung und die Freistellung dafür sollten außerdem nicht von den Praktikumsanleitern selbst getragen werden müssen.

“Darf kein Randthema sein”

Es ist auch längst kein Geheimnis mehr, dass immer mehr Pflegekräfte dem Beruf den Rücken kehren. Elisabeth Anselm sagte, „mehr Kolleginnen und Kollegen, ist immer die erste Antwort“ auf die Frage, wie man die Pflegearbeit wieder attraktiver machen könne. Der Personalmangel schlage sich in Überstunden und instabilen Dienstplänen nieder. Leute, die dem Beruf den Rücken zukehrten, hätten oft das Gefühl, sie könnten ihren Beruf nicht so ausüben wie sie es gelernt hätten oder gerne tun würden.

Es brauche mehr Anerkennung, auch durch ein höheres Gehalt, sagte Othmar Karas, und die Rahmenbedingungen der Arbeit müssten verbessert werden. “Pflege darf kein Randthema sein, sie verlangt unsere volle Aufmerksamkeit”, so Karas. Der einmalige Pflegebonus reiche nicht aus.

(pma)

Titelbild: HANS PUNZ / APA / picturedesk.com

Pia Miller-Aichholz
Pia Miller-Aichholz
Hat sich daran gewöhnt, unangenehme Fragen zu stellen, und bemüht sich, es zumindest höflich zu tun. Diskutiert gerne – off- und online. Optimistische Realistin, Feministin und Fan der Redaktions-Naschlade. @PiaMillerAich
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12 Kommentare

  1. Sehr gelungen die Pflegereform:
    Primar kündigt wegen Personalmangels
    Die Personalsituation in den Spitälern spitzt sich weiter zu: Wie mehrere Medien am Samstag berichten, hat nun der Primar der Kinder- und Jugendheilkunde in der Klinik Floridsdorf gekündigt, weil ihm Personal fehlt. Die Station wird nun mit einer Notlösung betreut. (orf.at)

  2. Das Hilfswerk ist ein “Verein” der schwarzen Familie. In NÖ ist die Frau vom Onkel Erwin die Präsidentin. Eine unabhängige Buchprüfung wäre nicht uninteressant und würde sicherlich einige brisante Details ans Tageslicht bringen…
    Es sollte auch hier heller werden!

  3. Alles hausgemachte Probleme.
    Salzburg hat die Ausbildung zum Diplom mit einer kliniknahen Ausbildung (an der Klinik) vorzeitig 2018 abgedreht. Laut Bundesgesetz ist es bis 2024 möglich.
    Gleichzeitig wurde der gehobene Dienst (Dipl.) an die FH verlagert und Studiengebühr draufgeschlagen, heißt dann Bachelor statt Diplom. 1/3 der FH Bewerber werden abgelehnt.
    Die breite Masse sollen von Pflegefachassistenz (2J. Ausbildung) und Pflegeassistenz (1J. Ausbildung) betreut werden. 80/20 ist das Ziel.
    Aktuell warten alle darauf, dass die Kompetenzen der PFA deutlich erweitert wird (ähnlich des gehobenen Personals) und sich die AG das teurere Personal vom gehobenen Dienst eingespart werden kann.
    Gleiche Kompetenzen bei weniger Background. So spart die korrupte Regierung an Personalkosten in der Pflege.

  4. Aber das regelt doch alles die unsichtbare Hand des freien Marktes. Wenn es zu wenig Fachkräfte gibt dann steigt deren Marktwert, sprich Entlohnung, ganz von selbst (Angebot und Nachfrage). Wer braucht Ausbildungsstandards? Ist doch alles überbürokratisiert. Wer Hirn, Herz und Hand hat lernt das on the job. Learning by doing…
    Oder ist was der schwarzen Vorfeldorganisation vorschwebt gar das beliebte Sklavenmodell?

    • Wenn der Markt es regeln würde, würden die Löhne kräftig steigen.
      Normalerweise bestimmt die Nachfrage den Preis.
      Schäbiges Sparprogramm auf den Rücken der Patienten und verbliebenen MA wird weiter vorangetrieben
      Die korrupte Regierung hat was dagegen, dass beim Pöbel die Gehälter steigen.
      Warum sagt Sungler im TV, dass sofort 100 Pflegekräfte eingestellt werden können. Ausgeschrieben ist 1 einzige Stelle auf der Intensivstation( Salk).
      Die verarschen und verheizen uns in der Pflege

  5. Den heutigen Vorschlag für das Pflegejahr von angehenden Ärzten finde ich einfach MEGA!
    Für mich eine wahrlich mehr als nur ein sensationeller Vorschlag und auch nur mit alles WIN WIN Winner!
    Wien kann man da nur in dieser aussichtslosen und menscherechtsgefährendenen Situation auch nur eine Minute weiter zögern?

  6. Österreich muss kompliziert sein – anders könnten wir den riesigen Verwaltungsaufwand nicht rechtfertigen. Erst letztens hat der Bund wieder nach noch mehr öffentlich Bedienstetn gerufen – die uns dann allen auf der Tasche liegen. Das ist auch der Grund, warum es in Österreich so wenig heimisches Pflegepersonal gibt. Weil bevor ein Österreicher im Pflegeberuf arbeitet, wird er lieber Verwaltungsbeamter, oder er widmet sich den Genderstudies, oder er geht gleich zum AMS, oder beides.

    • Es ist irgendwie doch mehr eine Berufung oder bei einigen wenigen ihr Ego zu füllen in der Pflege zu wirken. Bedenklich ist eine Grauzone (nicht gehobener Dienst) die möglicherweise Menschen die in diesem Bereich tätig sind mit niedrigen Gehalt abspeist mit einem immer größeren Tätigungsfeld.

    • Kritisch beschreiben Sie: “Bevor ein Österreicher ……. “. Da drängt sich die Frage auf, ob Sie selber denn kein Österreicher sind oder ob Sie sich selber als Ausnahme sehen ?

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