Donnerstag, Oktober 10, 2024

Spyware-Skandal rund um Sebastian Kurz’ Geschäftspartner und Wiener Firma

Ein Bericht des Europaparlaments zeigt: Die Spionagesoftware Pegasus wird in der EU offenbar stark eingesetzt. Brisant: Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz ist Geschäftspartner des Gründers jener Firma, die hinter der Software steht.

Brüssel, 09. November 2022 | Der Einsatz der umstrittenen Spionagesoftware Pegasus ist in der Europäischen Union offenbar weit verbreitet. “Regierungen der EU-Mitgliedstaaten haben Spyware gegen ihre Bürger zu politischen Zwecken eingesetzt”, heißt es in einem am Dienstag in Brüssel veröffentlichten Berichtsentwurf des Untersuchungsausschusses (PEGA) des Europaparlaments. Entsprechende Hinweise gebe es für Polen, Ungarn, Griechenland, Zypern und Spanien. Auch zu Österreich gebe es Verbindungen.

Konkret heißt es in dem Bericht zu Österreich, der frühere Innenminister und jetzige Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) habe auf Fragen des Nationalrates schriftlich geantwortet, dass Österreich kein Kunde des israelischen Technologieunternehmen NSO sei, das die Spionagesoftware Pegasus herstellt.

Umstrittener Spyware-Provider sitzt in Österreich

“Aber der frühere Kanzler Sebastian Kurz hat enge Verbindungen zum Gründer der NSO-Gruppe, und DSIRF (Decision Supporting Information Research and Forensic, Anm.), ein großer Spyware-Provider, ist in Österreich ansässig”, hält der Berichtsentwurf fest. Die in Wien ansässige DSIRF und hochrangige Mitglieder des Unternehmens verfügten zudem laut dem Entwurf über enge Beziehungen zu Russland und zum Kreml.

Sicherheitsexperten von Microsoft hatten im Sommer vor DSIRF gewarnt und darauf aufmerksam gemacht, dass mit Malware der Firma digitale Einbrüche in Banken, Anwaltskanzleien und strategischen Beratungsunternehmen in Europa und Zentralamerika verübt worden waren. Der österreichische Verfassungsschutz kündigte daraufhin an, die Firma zu überprüfen.

Kurz beschwichtigt

Wie im Oktober bekannt wurde, hat Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz zusammen mit NSO-Gründer Shalev Hulio die Cybersecurity-Firma Dream Security gegründet. Am Mittwoch betonte Kurz gegenüber dem “Ö1-Mittagsjournal”, er habe “ein Unternehmen gegründet, dass Cyber-Sicherheit für kritische Infrastruktur anbietet, um zum Beispiel Spitäler, Wasser- und Energieversorgung zu schützen”. Das halte er für “extrem wesentlich in einer Zeit, in der Cyber-Angriffe mehr und mehr werden“.

Sein Geschäftspartner Hulio habe die NSO mittlerweile verlassen, so Kurz. Er begrüße es sehr, “wenn Menschen, die Erfahrungen im Offense-Bereich gesammelt haben, diese Erfahrungen nun zum Schutz kritischer Infrastruktur einsetzen”.

„Schwerwiegende Bedrohung für die Demokratie“

“Der Missbrauch von Spyware in EU-Mitgliedstaaten ist eine schwerwiegende Bedrohung für die Demokratie auf dem ganzen Kontinent”, sagte die zuständige EU-Parlamentsberichterstatterin, die niederländische Liberale Sophie in ‘t Veld. Durch Spyware würden nicht nur Rechte auf Privatsphäre verletzt, sondern auch demokratische Institutionen unterhöhlt, Opposition und Kritiker zum Schweigen gebracht.

Spyware habe auch eine abschreckende Wirkung auf die Pressefreiheit und die Zivilgesellschaft und diene der Beeinflussung von Wahlen. Dies sei “ein europäischer Skandal”, weil auch EU-Institutionen angegriffen würden und es sich auf die EU-Entscheidungsfindung auswirke, sagte in ‘t Veld.

Musk Muskeln zeigen

Keine offizielle Behörde habe bei der Erstellung des Berichts mit ihr zusammenarbeiten wollen, beklagte die niederländische EU-Abgeordnete. Auch der EU-Rat habe dem EU-Parlament geantwortet, dass es in der Angelegenheit nicht zuständig sei. Daher habe sie sich auf öffentlich verfügbare Quellen gestützt. Das Bild sei nicht vollständig, aber sehr klar erkennbar. “Wir haben 900 Teile von einem 1.000-Teile-Puzzle”, so in ‘t Veld.

Die EU-Kommission trete zwar vehement für Demokratie und Bekämpfung von Fake News ein, zuletzt etwa bei der Übernahme von Twitter durch Elon Musk. “Aber wenn die Angriffe auf die Demokratie von innen kommen, schweigt die EU-Kommission”, so in ‘t Veld. “Die EU-Kommission zeigt Musk die Muskeln, aber greift die Mitgliedsstaaten, die Spyware gegen Bürger einsetzt, nur mit Samthandschuhen an.”

(pma/apa)

Titelbild: ZackZack/ Christopher Glanzl

Autor

  • Pia Miller-Aichholz

    Hat sich daran gewöhnt, unangenehme Fragen zu stellen, und bemüht sich, es zumindest höflich zu tun. Diskutiert gerne – off- und online. Optimistische Realistin, Feministin und Fan der Redaktions-Naschlade. @PiaMillerAich

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