Ein ÖVP-Abgeordneter sorgte mit einer Rede über den Austrofaschismus für verstörte Blicke bei seinen Parlamentskollegen.
Wien, 16. November 2022 | „Lernen’s ein bissl Geschichte“: Mit dem Bruno Kreisky-Zitat schloss der ÖVP-Abgeordnete Friedrich Ofenauer am Dienstag eine Rede im Parlament, mit der er der SPÖ eine Nachhilfestunde geben wollte. Doch sein belehrender Abschluss entwickelte sich zum Geschichts-Bumerang.
Im Geschichtsunterricht wär das ein Fetz’n
Ofenauer, der im Untersuchungsausschuss Wolfgang Sobotkas Stellvertreter ist, beklagte in seiner Rede den Ton im Parlament. Als Ziel nahm er sich den SPÖ-Abgeordneten Jan Krainer vor. Krainer hatte am Rande des Untersuchungsausschusses vom Dollfuß-Parlament gesprochen.
Der Austrofaschist Engelbert Dollfuß hatte im Jahr 1933 das Parlament ausgeschaltet, nachdem durch eine Geschäftsordnungskrise alle drei Nationalratspräsidenten zurückgetreten waren. Eigentlich kein Hindernis für die Weiterführung der Geschäfte. Doch Dollfuß verhinderte mithilfe der Polizei und unter Androhung von Waffengewalt ein neuerliches Zusammentreten des Nationalrates. Dollfuß sprach in seiner Propaganda von der „Selbstausschaltung“ des Parlaments. Es folgte der austrofaschistische Ständestaat. Dachte man in Historikerkreisen zumindest bis jetzt.
Denn Ofenauer setzte zur Geschichtsstunde an. Für die Handlungsunfähigkeit des österreichischen Parlaments im Jahre 1933 sei der damalige sozialistische, Erste Nationalratspräsident Karl Renner schuld gewesen. Ofenauer wörtlich: „Wenn Kollege Krainer am Rande des Untersuchungsausschusses von Dollfuß-Parlament spricht, obwohl er weiß, dass der sozialistische Nationalratspräsident Renner damals durch seinen Rücktritt damals den Anstoß zur Handlungsunfähigkeit gegeben hat.“
Abg. Ofenauer (ÖVP) mit einer eigenartigen Sichtweise auf die Ausschaltung des Parlaments 1933. Die Blicke der Abgeordneten sagen eh alles. pic.twitter.com/8RCKNrJnlT
— Benedikt Faast (@BFaast) November 15, 2022
Entsetzte Blicke unter Abgeordneten
Die Abgeordneten auf den Bänken schreckten bei den Aussagen Ofenauers auf. Krainer und Co. konnten – für die TV-Kameras klar ersichtlich – kaum fassen, was Ofenauer von sich gab. Erbost kam es zu Zwischenrufen über die eigentümliche Interpretation des ÖVP-Abgeordneten von SPÖ-Seite. Von ÖVP-Seite wiederum erhielt ihr Mandatar Beifall. Doch Ofenauer setzte fort: „Das sind Tendenzen, die das Fundament unserer Demokratie untergraben und da muss ich sagen ‘wehret den Anfängen’“.
Im Nachhall der Rede sprach etwa die SPÖ-Abgeordnete Sabine Schatz auf Twitter von “Geschichtsverdrehung”. Es ist nicht das erste Mal, dass die ÖVP rund um den Austrofaschismus ein Problem hat. Innenminister Gerhard Karner stand bei seinem Amtsantritt in der Kritik, da er ein Dollfuß-Museum betreibt. Bis 2017 hing in den Räumen der ÖVP zudem ein Bild des austrofaschistischen Diktators.
Wie bereits eingangs erwähnt, holte Ofenauer zum Schluss auch noch zum berühmten Kreisky-Zitat aus. Immerhin das hat gestimmt.
(bf)
Titelbild: Screenshot: Parlamentsmediathek