„Wer sich einen Wahlsieg kauft, kann kein Land führen“: die Opposition sieht Bundeskanzler Karl Nehammer nach der mutmaßlichen Überschreitung der Wahlkampfkosten-Obergrenze als nicht mehr tragbar.
Wien, 13. Dezember 2022 | Dass der Rechnungshof bei der ÖVP eine Überschreitung hinsichtlich der Wahlkampfkosten-Obergrenze vermutet, schlug am Montag hohe Wellen. Unter dem damaligen Generalsekretär und nunmehrigen Bundeskanzler Karl Nehammer soll die Volkspartei um rund 500.000 Euro zu viel für den Nationalratswahlkampf 2019 ausgegeben haben. Es wäre nach 2013 und 2017 die dritte Überschreitung der sieben Millionen Euro-Grenze durch die ÖVP.
Nehammer-Antrittsinterview: Weit unter Wahlkampfkosten-Obergrenze
Erstmals wurde sogar ein Wirtschaftsprüfer zu einer Partei gesendet, der stellte fest, dass die „Berg auf-Tour“ mit Sebastian Kurz als Wahlkampf-Ausgabe zu werten sei. Kostenpunkt: Fast 900.000 Euro. Brisant ist hierbei auch das Antrittsinterview Karl Nehammers als Bundeskanzler. Damals beteuerte er gegenüber den Journalisten Armin Wolf und Corinna Milborn, dass die Wahlkampfkostenobergrenze eingehalten wurde. Die ÖVP könne “beweisen”, dass sie weit unter der von 2019 gelegen sei.
Nehammer vor genau 1 Jahr bei @corinnamilborn und @ArminWolf zum Thema Wahlkampfkosten 2019. pic.twitter.com/xCJJYkgYtQ
— Mathias Morscher (@mathiasmoe) December 12, 2022
Opposition: Neuwahlen “unumgänglich”
Die Opposition nimmt den dafür verantwortlichen Generalsekretär Nehammer in die Pflicht. Die NEOS sehen die ÖVP nicht als „regierungsreif- und schon gar nicht kanzlerreif.“ Die ÖVP würde ständig „tricksen, täuschen und Gesetze brechen“ außerdem richtete man der Volkspartei aus: “Wer sich einen Wahlsieg kauft, kann kein Land führen.”
An eine unabsichtliche Überschreitung der ÖVP glaubt man bei den NEOS nicht. Der pinke Generalsekretär Douglas Hoyos in einer Aussendung: „So etwas passiert nie und schon gar nicht immer und immer wieder unabsichtlich. So etwas ist klares und eiskaltes Kalkül. Das eiskalte Kalkül des damaligen ÖVP-Kanzlers Sebastian Kurz – und des heutigen ÖVP-Kanzlers Karl Nehammer, der die erschummelten Wahlkämpfe geleitet hat.“
Ähnlich sieht das die SPÖ. Neuwahlen sind für die Sozialdemokraten mit den neuesten Erkenntnissen des Rechnungshofes „unumgänglich“. Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch forderte von Karl Nehammer volle Transparenz: „Die türkisen Tricksereien stinken zum Himmel. Nehammer muss seine Verantwortungsflucht sofort beenden und offenlegen, wie viel Geld die ÖVP im Wahlkampf 2019 tatsächlich ausgegeben hat.“ Deutsch weiter: „Der von der ÖVP mehrfach umgeschriebene und vom Rechnungshof angezweifelte ÖVP-Rechenschaftsbericht trägt die Unterschrift Nehammers.“
Konsequenzen fordert auch die FPÖ. Nach dem „Schummel-Rechenschaftsbericht“ der ÖVP könne Karl Nehammer nicht mehr Kanzler bleiben, so FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz. Der Kanzler solle seinen „Hut nehmen“, forderte Schnedlitz und es sei „nicht mehr länger hinzunehmen, wie diese Partei die Österreicher an der Nase herumführt.”
ÖVP beklagt, dass sie so intensiv geprüft wurde
ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker zeigte sich für das dort drohende Verfahren zuversichtlich und beklagte stattdessen, dass „intensiv und umfassend geprüft“ wurde. “Diese Ausgaben sind nicht den Wahlkampfkosten zuzuordnen. Wir gehen aufgrund der Faktenlage nicht davon aus, dass der UPTS zu einem anderen Ergebnis kommt”, sagte er in einer Aussendung. Stocker verwies außerdem darauf, dass die Nachkontrolle durch einen zusätzlichen Wirtschaftsprüfer erstmals zum Einsatz kam. Damit sei die ÖVP durch drei Wirtschaftsprüfer kontrolliert worden, alle drei hätten die Einhaltung der Wahlkampfkostengrenze bestätigt: “Für die Volkspartei wurden völlig neue Maßstäbe angewandt. Noch nie wurde so intensiv und umfassend geprüft.”
(bf)
Titelbild: HERBERT NEUBAUER / APA / picturedesk.com