Die Spitalsärzte in Wien sind unzufrieden und überbelastet. Die Ärztekammer schlägt Alarm, dass darunter ihre eigene Gesundheit und die Patienten leiden.
Wien, 13. Dezember 2022 | Die Wiener Ärztekammer hat Dienstagfrüh neue Ergebnisse aus einer Umfrage unter tausenden Wiener Spitalsärzten präsentiert. Demnach sind drei Viertel von ihrer Arbeit überlastet und stark unzufrieden mit den beruflichen Rahmenbedingungen. „Die katastrophale Arbeitsüberlastung unter Wiens Spitalsärztinnen und -ärzten ist ein weiterer tragischer Beweis für das Ausmaß der Wiener Spitalsmisere“, sagt Stefan Ferenci, Obmann der Kurie angestellte Ärzte und Vizepräsident der Ärztekammer für Wien, zu den Ergebnissen. Nur 22 Prozent, also nicht einmal ein Viertel, der Ärzte sind mit ihrem Arbeitsalltag zufrieden.
Die Spitalsumfrage ist von Markt- und Meinungsforscher Peter Hajek durchgeführt worden. Es haben 1.894 Spitalsärzte teilgenommen. Hajek bewertet die Stichprobe als repräsentativ: „Die Ergebnisse sind eindeutig, es besteht kein Zweifel an der Stimmung unter Wiens Spitalsärztinnen und -ärzten“, wird er in einer Aussendung der Ärztekammer Wien von Dienstag zitiert.
Altbekannte Ursachen
Die Hauptgründe, die die Ärzte für die Überlastung angegeben haben, sind schon länger auch Thema in der Öffentlichkeit: Personalmangel bei Pflegekräften und bei ärztlichem Personal, aber auch bürokratische Tätigkeiten und demgegenüber wenig Zeit für Patienten.
Um mit ihren Aufgaben fertig zu werden, stehen Überstunden auf der Tagesordnung. Nur elf Prozent haben angegeben, ihr Arbeitspensum in der vertraglichen Arbeitszeit bewältigen zu können.
„Sehenden Auges in den Burn-out“
Dem Personalmangel und hohem Arbeitspensum fallen die gesetzlichen Ruhezeiten zum Opfer. Ein Viertel der Befragten haben angegeben, dass sie diese gar nicht einhalten können. Das ist nicht nur ein Bruch des Arbeitsrechts. Erst Ende November hatte Patientenanwalt Gerhard Jelinek davor gewarnt, dass die Behandlungsqualität sinke und Patienten durch Personalmangel gefährdet seien.
Die Stadt Wien nehme offensichtlichen Rechtsbruch in Kauf, so Ferenci: „Die Zufriedenheit ist am Tiefpunkt, die Belastung am Höhepunkt. Es ist respektlos gegenüber den Kolleginnen und Kollegen, sie durch Untätigkeit beim Personalmangel und Überfrachtung mit bürokratischen Tätigkeiten sehenden Auges ins Burn-out schlittern zu lassen.“ Das sei einer sozialdemokratischen Stadtregierung nicht würdig.
Auf Nachfrage heißt es von der Stadt Wien, dass es aus sozialdemokratischer Sicht natürlich nicht in Ordnung sei, wenn Ruhezeiten tatsächlich nicht eingehalten würden. Man verwies auf die Arbeitszeitaufzeichnungen des Wiener Gesundheitsverbunds, in denen das aufscheinen müsste.
Eine Frage der Zeit
Im Zentrum der Problematik steht für die Wiener Spitalsärzte Zeit. Zeit für Patienten durch ausreichendes Personal und Entlastung von nicht ärztlichen Tätigkeiten. Kurien-Obmann Ferenci ruft die Stadt Wien und den Wiener Gesundheitsverbund auf, „rasch innovative Lösungen für die drängenden Probleme in den Wiener Spitälern zu finden“, wie er in einer Aussendung zitiert wird. Man stehe jederzeit für eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe zur Verfügung.
Von der Stadt Wien heißt es dazu gegenüber ZackZack, Gesundheitsstadtrat Peter Hacker stehe jederzeit für Gespräche zur Verfügung, man stehe ohnehin in ständigem Austausch mit der Ärztekammer.
Stadt Wien beteuert Bemühungen
Die Stadt Wien beteuert, sich aktiv darum zu bemühen, ärztliches und auch Pflegepersonal zu rekrutieren. „Wir versuchen an vielen Schrauben zu drehen, um die Attraktivität zu steigern“, heißt es gegenüber ZackZack. Auch die Stadt Wien sehe, dass es Unterstützungsmaßnahmen brauche. Man möchte auch bei der Ausbildung ansetzen, etwa mehr Studierende zum Medizinstudium zulassen.
Mit einem neuen Ausbildungsschlüssel möchte die Stadt schneller neue Ärzte in Mangelfächer bringen, wie etwa in die Kinder- und Jugendpsychiatrie. Man habe der Ärztekammer einen Ausbildungsschlüssel von vier Auszubildenden gegenüber einem ausbildenden Facharzt vorgeschlagen. Die Ärztekammer habe das abgelehnt mit der Begründung, dass darunter die Qualität leiden würde.
Erst im Februar hatte Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) den Ausbildungsschlüssel für die Kinder- und Jugendpsychiatrie von 1:1 auf 1:2 angehoben, vorerst bis Mai 2027 befristet.
(pma)
Titelbild: ZackZack/ Christopher Glanzl