»Eingriff in Pressefreiheit«
Harald Vilimsky und Maximilian Krauss kommen in einem VICE-Artikel über Fake-Wahlbeobachter vor – Üble Nachrede laut Gericht. Das Medium geht in Berufung.
Stefanie Marek
Wien, 20. Dezember 2022 | Das Onlinemedium „VICE“ veröffentlichte im Juni 2022 eine gemeinsame Recherche mit „t-online“ über sogenannte Fake-Wahlbeobachter. Diese werden, laut “VICE”, von autoritären Machthabern genutzt, um unfaire Wahlen zu legitimieren. Denn so würde der Eindruck entstehen, deren Beobachtungen hätten ein ähnliches Gewicht wie jene unabhängiger Beobachter.
FPÖler in Ungarn
Im Artikel sind verschiedene Beispiele vor allem von deutschen Politikern angeführt. Auch FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky und FPÖ- Klubobmann Maximilian Krauss kommen vor. Sie waren vergangenen Sommer auf Einladung des Fidesz-nahen Thinktanks Christlich Demokratisches Institut (CDI) zur Beobachtung der Parlamentswahl nach Ungarn gereist und hatten danach verkündet, es sei alles korrekt abgelaufen. Worte zur eingeschränkten Pressefreiheit in Ungarn und den ungleichen Bedingungen für die Opposition im Wahlkampf gab es nicht, aber eine Gratulation an Orbán über Social Media. Vilimsky und Krauss klagten “VICE” nach dem Artikel wegen Übler Nachrede.
Am Dienstag nahm aber nur Krauss im Gerichtssaal am Wiener Straflandesgericht Platz. Vilimsky hält sich gerade in den USA auf. Der Kläger-Vorwurf: Leser würden den Artikel so verstehen, dass die beiden sich für die Wahlbeobachtung hätten bezahlen lassen und sich an Wahlbetrug beteiligt hätten.
Im Artikel steht bezüglich Vilimsky und Krauss aber weder, dass sie bezahlt wurden, noch, dass sie sich an Wahlbetrug beteiligt hätten. Es steht dort, dass Krauss und Vilimsky auf Einladung des Fidesz-nahen Thinktanks CDI zur Wahlbeobachtung kamen, dass beide pro-Fidesz sind, und dass es aber für unabhängige Wahlbeobachtung wichtig sei, eine kritische Distanz zu haben.
Es käme aber nicht auf den genauen Wortlaut an argumentieren die Kläger, sondern darauf wie das Geschriebene zu verstehen sei und wie die “VICE”-Leser es im Gesamtkontext des Artikels verstehen. Diese hätten keine besondere wirtschaftliche, politische und rechtliche Vorbildung – so der uncharmante Seitenhieb.
„Kann man so verstehen, ist so zu verstehen“
In erster Instanz hat das Wiener Straflandesgericht nun gegen “VICE” entschieden. Richter Stefan Romstorfer bezieht sich auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts, die besagt, dass der Artikel von der Leserschaft so verstanden werde, dass den beiden Politikern Beihilfe zum Wahlbetrug vorgeworfen wird. Jeweils 5.000 Euro Entschädigung an Vilimsky und Krauss hat “VICE” laut dem Landesgericht nun zu zahlen und soll außerdem das Urteil veröffentlichen.
Berufung: „Wenn nötig bis nach Straßburg“
“VICE” akzeptiert das Urteil nicht, das Medium meldet volle Berufung an. “VICE”-Anwalt Thomas Höhne bezeichnet das Urteil als Eingriff in die Medienfreiheit. Man werde, wenn nötig bis nach Straßburg mit dem Fall gehen. „Was das Gericht meint, was den beiden im Artikel vorgeworfen wurde, nämlich Beihilfe zum Wahlbetrug, wurde ihnen nicht vorgeworfen. Ihnen wurde auch nicht vorgeworfen, dass sie Geld gekriegt hätten. Vorgeworfen wurde ihnen, dass sie eine Wahl schöngeredet haben, die nicht den demokratischen Standards genügt hat, und zwar aufgrund des Umfelds und des Vorfelds der Wahl in Ungarn.“
Journalistin Sabrina Winter, die an dem Artikel mitgearbeitet hat und beim Prozess aussagte, ist vom Urteil überrascht: „Ich hätte das nicht gedacht, ich empfinde das auch als Eingriff in die Pressefreiheit. Wir haben nichts Unwahres geschrieben. Wir schildern in dem Artikel verschiedene Fälle von Fake-Wahlbeobachtung und wir werfen den beiden an keiner Stelle Wahlbetrug vor oder, dass sie Geld bekommen hätten. Was sie mit der Klage erreichen wollen, ist, dass wir nicht mehr über sie schreiben. Es ist Einschüchterung.“
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