Mittwoch, Mai 1, 2024

FPÖ-Urteil gegen VICE – »Eingriff in Pressefreiheit«

»Eingriff in Pressefreiheit«

Harald Vilimsky und Maximilian Krauss kommen in einem VICE-Artikel über Fake-Wahlbeobachter vor – Üble Nachrede laut Gericht. Das Medium geht in Berufung. 

Stefanie Marek

Wien, 20. Dezember 2022 | Das Onlinemedium „VICE“ veröffentlichte im Juni 2022 eine gemeinsame Recherche mit „t-online“ über sogenannte Fake-Wahlbeobachter. Diese werden, laut “VICE”, von autoritären Machthabern genutzt, um unfaire Wahlen zu legitimieren. Denn so würde der Eindruck entstehen, deren Beobachtungen hätten ein ähnliches Gewicht wie jene unabhängiger Beobachter.

FPÖler in Ungarn

Im Artikel sind verschiedene Beispiele vor allem von deutschen Politikern angeführt.  Auch FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky und FPÖ- Klubobmann Maximilian Krauss kommen vor. Sie waren vergangenen Sommer auf Einladung des Fidesz-nahen Thinktanks Christlich Demokratisches Institut (CDI) zur Beobachtung der Parlamentswahl nach Ungarn gereist und hatten danach verkündet, es sei alles korrekt abgelaufen. Worte zur eingeschränkten Pressefreiheit in Ungarn und den ungleichen Bedingungen für die Opposition im Wahlkampf gab es nicht, aber eine Gratulation an Orbán über Social Media. Vilimsky und Krauss klagten “VICE” nach dem Artikel wegen Übler Nachrede.

Am Dienstag nahm aber nur Krauss im Gerichtssaal am Wiener Straflandesgericht Platz. Vilimsky hält sich gerade in den USA auf. Der Kläger-Vorwurf: Leser würden den Artikel so verstehen, dass die beiden sich für die Wahlbeobachtung hätten bezahlen lassen und sich an Wahlbetrug beteiligt hätten.

Im Artikel steht bezüglich Vilimsky und Krauss aber weder, dass sie bezahlt wurden, noch, dass sie sich an Wahlbetrug beteiligt hätten. Es steht dort, dass Krauss und Vilimsky auf Einladung des Fidesz-nahen Thinktanks CDI zur Wahlbeobachtung kamen, dass beide pro-Fidesz sind, und dass es aber für unabhängige Wahlbeobachtung wichtig sei, eine kritische Distanz zu haben.

Es käme aber nicht auf den genauen Wortlaut an argumentieren die Kläger, sondern darauf wie das Geschriebene zu verstehen sei und wie die “VICE”-Leser es im Gesamtkontext des Artikels verstehen. Diese hätten keine besondere wirtschaftliche, politische und rechtliche Vorbildung – so der uncharmante Seitenhieb.

„Kann man so verstehen, ist so zu verstehen“

In erster Instanz hat das Wiener Straflandesgericht nun gegen “VICE” entschieden. Richter Stefan Romstorfer bezieht sich auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts, die besagt, dass der Artikel von der Leserschaft so verstanden werde, dass den beiden Politikern Beihilfe zum Wahlbetrug vorgeworfen wird. Jeweils 5.000 Euro Entschädigung an Vilimsky und Krauss hat “VICE” laut dem Landesgericht nun zu zahlen und soll außerdem das Urteil veröffentlichen.

Berufung: „Wenn nötig bis nach Straßburg“

“VICE” akzeptiert das Urteil nicht, das Medium meldet volle Berufung an. “VICE”-Anwalt Thomas Höhne bezeichnet das Urteil als Eingriff in die Medienfreiheit. Man werde, wenn nötig bis nach Straßburg mit dem Fall gehen. „Was das Gericht meint, was den beiden im Artikel vorgeworfen wurde, nämlich Beihilfe zum Wahlbetrug, wurde ihnen nicht vorgeworfen. Ihnen wurde auch nicht vorgeworfen, dass sie Geld gekriegt hätten. Vorgeworfen wurde ihnen, dass sie eine Wahl schöngeredet haben, die nicht den demokratischen Standards genügt hat, und zwar aufgrund des Umfelds und des Vorfelds der Wahl in Ungarn.“

Journalistin Sabrina Winter, die an dem Artikel mitgearbeitet hat und beim Prozess aussagte, ist vom Urteil überrascht: „Ich hätte das nicht gedacht, ich empfinde das auch als Eingriff in die Pressefreiheit. Wir haben nichts Unwahres geschrieben. Wir schildern in dem Artikel verschiedene Fälle von Fake-Wahlbeobachtung und wir werfen den beiden an keiner Stelle Wahlbetrug vor oder, dass sie Geld bekommen hätten. Was sie mit der Klage erreichen wollen, ist, dass wir nicht mehr über sie schreiben. Es ist Einschüchterung.“

Titelbild: Montage ZackZack/ HERBERT NEUBAUER / ROLAND SCHLAGER / APA / picturedesk.com

Stefanie Marek
Stefanie Marek
Redakteurin für Chronik und Leben. Kulturaffin und geschichtenverliebt. Spricht für ZackZack mit spannenden Menschen und berichtet am liebsten aus Gerichtssälen.
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10 Kommentare

  1. Auch so ein Artikel in dem mustergültig gezeigt wird, wie man mit Worten manipuliert. Warum wird weder der von der FPÖ eingeklagte Text noch das Urteil des Richters auszugsweise zitiert? Was hat man zu verbergen. Das sich der Leser eine eigene Meinung bilden kann? Sieht zumindest so aus.

    • Ob die Urteilsbegründung schon aufliegt? Dann müsste sie vorgefertigt gewesen sein. Ein paar Zitate hätten schon wohl getan, stimmt.

    • Der Grundtenor des Artikels liegt bei der Eingriff in Pressefreiheit. Und die eigentliche Problematik wird sehr gut herausgearbeitet. Wie kann man wissen, was Leser aus einem Artikel “herauslesen”?.Und zwar Dinge, die eben NICHT in dem Artikel vorkommen. Hier passiert eine Annahme darüber, was in den Köpfen von einigen sehr speziellen Leuten vorgeht. Aber der Leser bestimmt die Botschaft. Der Autor kann das kaum verhindern. Wie kann man dann das Medium dafür verurteilen?

      • Ist das nicht genau das, weswegen Leute wegen angeblichem “Hass im Netz” verurteilt werden: weil begründet angenommen wird, was die Empfänger einer Nachricht eventuell denken könnten.
        Im Gegensatz zu Privatpersonen, denen man das sehr gerne umhängt und auf die sich so manch Staatsanwalt gerne stürzt, wäre es journalistische Sorgfaltspflicht, genau das eben nicht zu machen. Journalisten sind aber gut ausgebildet und darin erfahren. in die Köpfe von Lesern das zu pflanzen, was sie oder ihre Sponsoren wollen, ohne dies direkt abzudrucken.

  2. Dieser Richter ist, wie ich glaube, normal sehr korrekt und ein guter Richter – was er sich bei diesem komischen Urteil gedacht hat, wäre schon interessant.

  3. Seelen und gewissenlos leben sie von den Steuerzahler, nicht nur im jetzt, sondern es zieht sich durch die Geschichtsschreibung das Kreaturen im Macht Palast verweilen die nichts gutes tun.

  4. Vilimsky ist pro fidez? Kein Wunder wenn er da die Pressefreiheit durch Klagen einschränken will, passt ja bestens ins autoritäre Schema.

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