Das ist eine Unterüberschrift
Ex-Kanzler Christian Kern und Ex-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner rechnen im „profil“-Interview in erster Linie mit Sebastian Kurz ab. Auch bestehende Probleme und Krisen seien auf die Ära Türkis zurückzuführen.
Wien, 20. Dezember 2022 | Ex-Kanzler Christian Kern und Ex-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner stellen Österreichs Politik im „profil“-Interview kein gutes Zeugnis aus. Man biete keine langfristigen Lösungen auf die bestehenden Krisen.
Mittlerlehner: Mit “Veto-Keule” auf “Orban-Niveau” begeben
Sicherheit, Inflation, Klima – das alles seien Themen, die die Politik jahrzehntelang nicht beschäftigten und auf die sie jetzt nicht vorbereitet sei, analysiert Mitterlehner die aktuelle Lage. Hinzu komme ein hoher Migrationsdruck auf die regierenden Parteien. Jetzt beim Schengen-Veto gegen die Aufnahme Bulgariens und Rumäniens hätte man sich mit der Blockade aber „auf Orban-Niveau“ begeben, so Mitterlehner. Kern kritisiert: „Losgelöst von Fakten wird Politik gemacht, die man für mehrheitsfähig hält.“
Sachliche Diskussion zu Migration sei laut den beiden Ex-Politikern generell kaum noch möglich. Die Gesellschaft sei aufgrund der Politik der letzten Jahre nach rechts gerückt, der “Cocktail aus Korruption und Krisen” sei “Gift” für die Stimmung im Land, befindet Mitterlehner.
Kern kritisiert Showpolitik
Dass Parteien wie die FPÖ wieder an Beliebtheit gewinnen, sei vor allem auch auf eine Showpolitik der letzten Jahre zurückzuführen. Diese hätte eine faktenbasierte Politik, die auf Problemlösung hinarbeitet, bereits mit der Übernahme von Kurz abgelöst, so Kern. Gerade jetzt bräuchte es Weitblick und wieder Experten in wichtigen Positionen. „Sektionschefs im Finanzministerium waren früher internationale Top-Experten. Heute sitzen dort Pressesprecher. Das System wurde unter Türkis füsiliert.“
Für den ehemaligen SPÖ- und ÖBB-Chef war 2022 das “Jahr der Korrumpierung”. Allein, dass mit Sophie Karmasin eine Ex-Ministerin angeklagt wurde, erzeuge “Fassungslosigkeit”. Es gebe jetzt zwei Zukunftsszenarien: “Das Vertrauen bricht weg, die Lage eskaliert bis zur politischen Radikalisierung. Oder das politische Zentrum setzt dem etwas entgegen.”, so Kern. Doch für mehr Vertrauen würde die derzeitige Regierung nicht sorgen. Es mangle nach wie vor an Transparenz.
Mitterlehner teilt gegen Kurz aus
Dass sich die Volkspartei nach wie vor nicht komplett von der Ära-Kurz distanziert, trägt für Mitterlehner dazu bei. “Ich hätte mir gewünscht, dass in der ÖVP auch eine politische Reflexion stattfindet. Das ist leider ausgeblieben. Ein Teil der ÖVP glaubt, Kurz sei Opfer und nicht Täter. Das grenzt an Realitätsverlust.”, so der Ex-ÖVP-Chef.
Mitterlehner empfinde zwar keine Schadenfreude gegen Kurz, jedoch „Gerechtigkeitsempfinden“. „Er hat unser Regierungsprogramm mit unlauteren Methoden torpediert. Gerade, als sich die Erfolge bei Wirtschaft und Arbeitsmarkt schon abzeichneten. Ich bin froh, dass ein derartiges System keinen Bestand hatte.“, so Mitterlehner.
In dieselbe Kerbe schlägt auch Kern: “Man muss der Justiz Respekt zollen. Wenn Türkis-Blau weiter regiert hätte, wäre Österreich in Richtung einer ungarischen Demokratie gegangen.”, sagt er in Hinsicht auf Postenschacher und mutmaßlich gekaufte Umfragen.
(mst)
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