Sonntag, Mai 19, 2024

Thurnher übernimmt ORF-NÖ-Berichterstattung

Der ORF-NÖ-Landesdirektor Robert Ziegler hat nach schweren Vorwürfen aus seiner Zeit als Chefredakteur seine Zuständigkeiten hinsichtlich der aktuellen Berichterstattung abgegeben. Ingrid Thurnher übernimmt.

Wien/ St. Pölten, 20. Dezember 2022 | Niederösterreich kommt weiterhin nicht zur Ruhe. Nach den Vorwürfe gegen ORF-NÖ-Landesdirektor Robert Ziegler, übernimmt ORF-Radiodirektorin Ingrid Thurher seine Tätigkeiten. Am Montag wurde eine Evaluierungs-Kommission von ORF-Chef Roland Weißmann eingesetzt.

“Mit diesem Schritt ist sichergestellt, dass die Redakteurinnen und Redakteure des ORF Niederösterreich unter der Leitung von Chefredakteur Benedikt Fuchs unbelastet ihrer journalistischen Arbeit nachkommen können”, so Weißmann. Seinen Landesdirektorenposten gibt Ziegler damit aber nicht vollständig ab. Die aktuelle Berichterstattung liegt ohnehin in der Hauptverantwortung des Chefredakteurs.

Keine Suspendierung bisher

Die Evaluierungs-Kommission werde ihre Arbeit diese Woche aufnehmen, hieß es in einer Aussendung. Damit kommt Weißmann der Forderung des ORF-Redaktionsrats nach einer Suspendierung Zieglers nicht nach.

Die Kommission wird von Gerhard Draxler, ehemaliger ORF-Informationsdirektor und Steirischer Landesdirektor, geleitet. Mit an Bord ist auch Martin Schauer, emeritierter Universitätsprofessor für Zivilrecht, Edgar Weinzettl, Direktor des ORF-Landesstudios Wien, Pia Scheck-Kollmann, ORF-Compliance-Beauftragte und der ORF-Personaljuristin Elma Osmanovic. Der ORF ging in der Aussendung davon aus, dass das in diversen Medien kursierende Dossier mit Vorwürfen auch der Kommission zur Verfügung gestellt werde. Auch wurde betont, dass die redaktionelle Verantwortung für die Berichterstattung des Landesstudios nicht mehr bei Landesdirektor Ziegler liege.

Der ORF-Redaktionsrat forderte Montagvormittag von ORF-Chef Roland Weißmann die sofortige Suspendierung von Robert Ziegler. Eine Kommission mit externer Begleitung solle die Vorwürfe gegen Ziegler aufklären und in der Zwischenzeit eine “untadelige Person” die Landesstudioleitung übernehmen, hieß es.

Soll sich für Mikl-Leitner massiv eingesetzt haben

Laut internen Chats und E-Mails aus dem ORF-Landesstudio Niederösterreich, die am Freitagabend publik wurden, soll sich Ziegler immer wieder massiv für TV-Präsenz von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) eingesetzt und eine Art Message Control zugunsten der Volkspartei betrieben haben. Auch soll er landesnahe Unternehmen in ein positives Licht setzen lassen haben. Ziegler sprach in Reaktion auf die Vorwürfe von “diffusen und nicht nachvollziehbaren Vorwürfen”.

Der ORF-Redaktionsrat wolle mit der Forderung nach Zieglers Suspendierung diesen nicht vorverurteilen, sondern möglichst weiteren Schaden vom ORF und der Glaubwürdigkeit der Berichterstattung der Landesstudios abhalten. “Sollte es sich als wahr erweisen, dass Redakteurinnen und Redakteure angewiesen wurden, Beiträge so zu gestalten, dass bestimmte Politikerinnen und Politiker vorkommen, auch wenn dazu keinerlei journalistische Notwendigkeit besteht, ist das ein klarer Verstoß gegen die gesetzliche Pflicht zur Unabhängigkeit”, hielt der ORF-Redaktionsrat fest. Auch die ORF-NÖ-Redakteurssprecher sprachen sich am Wochenende für eine Untersuchung aus, wehrten sich aber gegen eine “pauschale Vorverurteilung der gesamten Redaktion des ORF Niederösterreich”.

Lothar Lockl, Vorsitzender des ORF-Stiftungsrats, forderte eine “umfassende Prüfung” der Vorwürfe. Denn die Unabhängigkeit der Berichterstattung sei ein Grundpfeiler des ORF. Die Einsetzung der Kommission erachte er als richtig. Diese müsse aber rasch zu einem Ergebnis gelangen, so Lockl. Auch Heinz Lederer, Leiter des SPÖ-“Freundeskreises” im ORF-Stiftungsrat, unterstützt die eingesetzte Untersuchungskommission. Er forderte höchste Transparenz bei der Aufarbeitung, eine rasche Analyse sowie Vorlage des Berichts im Februar.

Ziegler wurde auf Vorschlag Weißmanns von den 35 ORF-Stiftungsräten als Landesdirektor bestellt. Laut ORF-Gesetz kann der Stiftungsrat Ziegler auf Vorschlag Weißmanns auch abberufen. Zuvor müsste jedoch eine Stellungnahme des betroffenen Landes eingeholt werden.

NÖ-Opposition fordert Konsequenzen

Diese Anhörungs- und Mitbestimmungsrechte der Landeshauptleute müssten aus dem ORF-Gesetz gestrichen werden – und die Ländern sollten keine Vertreter mehr in den Stiftungsrat entsenden können, meint der niederösterreichische SPÖ-Chef Franz Schnabl. Denn “die Politik muss schlicht und einfach raus aus dem ORF“. Der “vorläufige Rückzug” Zieglers ist für Schnabl “das Mindeste, was man sich hier erwarten konnte, um weiteren Schaden vom ORF abzuwenden”.

Helga Krismer, Landessprecherin der niederösterreichische Grünen, hatte sich schon vor Zieglers Schritt in einem “Offenen Brief” an Weißmann gewandt – und von ihm verlangt, den Landesdirektor freizustellen. Die Vorwürfe gegen Ziegler seien schwerwiegend. Gerade in den nächsten Wochen, vor einer Landtagswahl, “ist es aus unserer Sicht wichtig die Unabhängigkeit der Berichterstattung des ORF Niederösterreichs sicher zu stellen”.

Udo Landbauer, Landespartei- und Klubobmann der FPÖ NÖ, sprach in einer Pressekonferenz am Montag vom “größten parteipolitischen Medienskandal dieses Landes” und von einem “demokratiepolitischen Supergau”. “Jetzt braucht es sofort eine Neuaufstellung, die für Ausgewogenheit, Objektivität und Fairness in der Berichterstattung sorgt”, verlangte der Freiheitliche.

NEOS-Landessprecherin Indra Collini fordert:„Die Politik muss endlich aufhören, sich in die Angelegenheiten des ORF einzumischen. Gerade deshalb gehört das Mitspracherecht der Landeshauptleute bei der Besetzung des Direktorenpostens sofort abgestellt. Die Redakteurinnen und Redakteure sollen frei, parteiunabhängig und objektiv berichten können. Hofberichterstattung gehört nicht zu ihrem Aufgabenbereich.“

(bf/apa)

Titelbild: ROBERT JAEGER / APA / picturedesk.com

Benedikt Faast
Benedikt Faast
Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.
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4 Kommentare

  1. Chuzpe haben sie. Sie kündigen eine Änderung an, die keine Änderung ist. Ziegler ist nicht beurlaubt, nicht suspendiert und schon gar nicht von selbst zurückgetreten. Ha, wär ja noch schöner. Bei Schrom war das was ganz anderes, der hat mit der FPÖ gepackelt, da legt man den Rücktritt sofort nahe “um Schaden vom Unternehmen abzuwenden”. Aber bei der ÖVP-Nähe muss man das erst prüfen lassen. Die selben Vorwürfe, die selbe Nähe.

    Frau Thurnher wird nun Landesdirektorin des Chefredakteuers. Also seine Aufsichtsperson. ^^ Wow.

    Das ist ein perfides Volksverdummungsmanöver der ORF-Spitze. Eine Als-ob-Veränderung. Am Ende können sie sagen: An Ziegler isses nicht gelegen. Weil alles so weiter läuft wie bisher. Wie auch anders? Wer jetzt aufmuckt in der Redaktion, fliegt dann bald nach der Wahl.

    Der Jahresrückblick im TV von ORF-NÖ hat ja gut gezeigt, was Sache zu sein hat.

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