In Deutschland soll Containern bald straffrei sein. In Österreich ist ein solcher Schritt nicht zu erwarten. Man will an anderen Stellen ansetzen, um Lebensmittelverschwendung zu reduzieren.
Wien/Berlin, 02. Jänner 2023 | Der deutsche Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hat am Montag gegenüber der Tageszeitung „Die Welt“ angekündigt, das sogenannte „Containern“ oder „Dumpstern“ straffrei zu machen. Bisher fiel das Retten von noch verzehrbaren Lebensmitteln in die Kategorie Diebstahl, wie auch in Österreich.
Auch hierzulande ist Containern verbreitet. Österreich hat aber nicht vor, mit Deutschland gleichzuziehen. Aus dem Umweltministerium heißt es auf Anfrage: „Die Legalisierung von Dumpstern oder Containern ist nicht Teil des Regierungsprogramms.“ Dementsprechend sei dazu derzeit nichts in Planung.
Weitergabe statt Wegschmeißen
Weiters heißt es gegenüber ZackZack, dass man sich auf Ursachenforschung und Lösungsansätze für den Handel konzentriere. Außerdem arbeite man daran, dass immer größere Mengen an genusstauglichen Lebensmitteln beispielsweise an soziale Einrichtungen weitergegeben werden können. Ein entsprechendes Aktionsprogramm soll im Frühjahr 2023 vorgestellt werden.
2020 seien so bereits 30 Prozent der „ausgebuchten Lebensmittel“ gerettet worden, so das Umweltministerium. Die Weitergabe ist derzeit für den Lebensmittelhandel vollkommen freiwillig. Die Regierung hat in ihrem Programm 2020 bis 2024 allerdings festgeschrieben, dass es dem Einzelhandel verboten werden soll, genussfähige Lebensmittel zu entsorgen. Der Rechnungshof empfiehlt, im Falle einer solchen Regelung „auch die notwendigen infrastrukturellen, logistischen und finanziellen Rahmenbedingungen mit zu bedenken“.
Rettung im Graubereich
Die Container-Community bewegt sich derzeit in einem rechtlichen Graubereich. Man könnte meinen, dass Weggeschmissenes ohnehin nicht mehr gewollt wird und daher zur freien Entnahme verfügbar ist. Allerdings: Während auf der Straße Entsorgtes als herrenlos gilt und ohne Probleme mitgenommen werden kann, stehen Mülltonnen im Eigentum des Betreibers und demnach auch das, was in ihnen landet. Muss man sich überhaupt erst Zugang zu den Containern eines Lebensmittelgeschäfts verschaffen, ist bereits das rechtlich relevant.
Alexander Kern von der Anwaltskanzlei Mag. Martin Nemec sagte im „ORF“ im Jahr 2020, dass es zu diesem Zeitpunkt zwar einige Anzeigen wegen Containern, aber noch keine Verurteilungen gegeben habe. Meist stelle das Gericht das Verfahren wegen Geringfügigkeit ein oder biete den Angeklagten eine Diversion an, so Kern damals gegenüber dem „ORF“.
Bis zu eine Million Tonnen vermeidbare Abfälle
Das Umweltministerium geht davon aus, dass in Österreich jährlich 800.000 bis eine Million Tonnen an vermeidbaren Lebensmittelabfällen anfallen. Der Großteil des vermeidbaren Lebensmittelabfalls fällt laut Universität für Bodenkultur Wien (BOKU), Rechnungshof und Umweltministerium immer noch im Haushalt an.
Laut einer Erhebung der BOKU im Auftrag des WWF aus dem Jahr 2020 macht der Anteil der Haushalte sogar die Hälfte der Gesamtmenge aus. Der Rechnungshof ging zuletzt von etwas über einem Viertel aus. Demgegenüber macht die Lebensmittelverschwendung durch den Handel laut Rechnungshof mit 120.000 Tonnen pro Jahr den geringsten Anteil aller Sektoren aus.
Ziel: Halbieren bis 2030
2015 hat die internationale Staatengemeinschaft die Agenda 2030 beschlossen. Sie umfasst 17 Nachhaltigkeitsziele mit 169 Sub-Zielen. Bis 2030 sollen demnach pro Kopf nur mehr halb so viel vermeidbare Lebensmittelabfälle anfallen. Das Ökologie Institut kam 2016 in einem Lagebericht zur Lebensmittelverschwendung, der vom WWF und von der Initiative Mutter Erde in Auftrag gegeben worden war, noch auf eine Gesamtmenge von 760.000 Tonnen vermeidbaren Lebensmittelabfällen. Gleichzeitig rechnete man damals aufgrund fehlender Daten zu Landwirtschaft und Produktion mit in Realität noch höheren Menge.
Dünne Datenlage
Die Regierung hat sich im Abfallvermeidungsprogramm 2017 zum Ziel gesetzt, solche Datenlücken zu schließen. Ende November 2022 stellte der Rechnungshof nach einer Analyse allerdings der Datenerhebung des Umweltministeriums keine guten Noten aus: Es fehlten „aktuelle, systematisch und umfassend erhobene Zahlen durch das Klimaschutzministerium“. Deshalb und aufgrund fehlender einheitlicher Datenerhebung in der EU und global sei es schwer zu sagen, ob Österreich das Ziel, bis 2030 vermeidbare Lebensmittelverschwendung zu halbieren, erreichen werde.
(pma)
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