Die Grünen legen als erste Fraktion den Bericht zum Untersuchungsausschuss vor. Es ist eine Abrechnung mit dem Ex-Kanzler Sebastian Kurz. Es sei “manipuliert, frisiert und finanziert” worden.
Wien | Das „akribische Protokoll einer großen Täuschung“: Die Grünen legten am Donnerstag als erste Fraktion ihren Bericht zum ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss vor. Die Fraktionsführerin Nina Tomaselli schießt sich besonders auf den Ex-Kanzler Sebastian Kurz ein.
“Manipuliert, frisiert und finanziert”
Man habe “genau aufgezeigt, wie ein kleiner türkiser Machtzirkel rund um Ex-Kanzler Sebastian Kurz das ganze Land getäuscht hat”, betonte Tomaselli bei der Präsentation vor Journalisten.
“Sie haben manipuliert, mit frisierten Umfragen und mit Steuergeld finanzierten Inseraten”, so die Grünen-Fraktionsführerin. Das sogenannte “Beinschab-Tool” habe beinahe europaweit Bekanntheit erlangt. Genau beleuchtet habe man aber auch das Vorarlberger “Wirtschaftsbund-Tool” und den “Inseratengoldesel der Bauernzeitung”. Dieser Machtzirkel um Kurz habe “Postenschacher” betrieben und die Republik als “Selbstbedienungsladen” missbraucht. Statt den Kompetenten wurden laut Tomaselli für diverse Posten in der Verwaltung jene ausgesucht, “die steuerbar sind”.
Um “superreiche Freunde” gekümmert
Gekümmert habe man sich “mittels Spezialbehandlung um superreiche Freunde”. Etwa sei Unternehmer Siegfried Wolf ein “satter Steuernachlass” genehmigt worden, nachdem er im Finanzministerium interveniert habe. Das Finanzministerium habe sich auch um Immobilieninvestor Rene Benko intensiv gekümmert. “Während die einfachen Leute Steuern zahlen, ist das Finanzministerium ein Steuerwohlfühlprogramm für Superreiche gefahren”, monierte Tomaselli.
Ein weiteres Thema sei der “Russland-Kuschelkurs” gewesen. Kurz und sein Machtzirkel habe Österreich dadurch in eine gefährliche Situation manövriert. Die Auswirkungen der Energiepolitik spürten die Menschen nun tagtäglich, so die Abgeordnete. Dieses Thema böte sich auch für einen neuen U-Ausschuss an. Diesbezüglich habe man schon bei den anderen Fraktionen vorgefühlt. Einzig von den NEOS habe man zustimmende Signale vernommen. Das reiche aber noch nicht, räumte Tomaselli ein. Für einen U-Ausschuss nach Minderheitenrecht braucht es nämlich ein Viertel der Abgeordneten.
Nun gehe es darum, dass das verloren gegangene Vertrauen in die Politik wieder zurückzugewinnen. Der U-Ausschuss habe einiges dafür geleistet und habe schon während seiner Laufzeit eine “sehr gute Wirkung” entfalten können, verwies Tomaselli auf zahlreiche Rücktritte etwa von Kurz oder die Ex-VP-Minister Gernot Blümel oder Elisabeth Köstinger. Zudem sei Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) als Verfassungsrichter zurückgetreten, Oberstaatsanwalt Johann Fuchs verlor die Fachaufsicht über die WKStA und der mächtige Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek wurde suspendiert. “Das alles sind gute Nachrichten”, so Tomaselli. Zudem sei es legistisch zu “vielen positiven Beschlüssen” gekommen wie “gläserne Parteikassen” oder ein scharfes Antikorruptionsgesetz. Und auch an einem modernen Informationsfreiheitsgesetz werde man weiter “beharrlich arbeiten”.
NEOS-Kritik an Grünen
Kritik an den Aussagen Tomasellis kam am Donnerstag von den NEOS: “Es ist zwar schön, dass die Grünen im U-Ausschuss mit uns auf der Seite der Aufklärung standen, grüne Lippenbekenntnisse allein reichen jedoch nicht”, bemängelte Fraktionsführerin Stephanie Krisper. Bei den Grünen bleibe es in Sachen sauberer Politik bei “Lippenbekenntnissen”. Interesse an den notwendigen Reformen hätten sie offenbar nicht, denn sonst hätten sie den NEOS-Anträgen im vergangenen Plenum für ein Informationsfreiheitsgesetz, ein schärferes Korruptionsstrafrecht und einen unabhängigen Bundesstaatsanwalt zugestimmt, so Krisper. Die Grünen positionierten sich im U-Ausschuss als Aufklärer, in der Regierungsverantwortung würden sie dann aber die Haltung verlieren und umfallen.
Der Bericht der Grünen trägt den Titel “Protokoll einer großen Täuschung” und stellt auf 91 Seiten die Erkenntnisse aus dem U-Ausschuss und die Sichtweisen der grünen Fraktion auf diesen dar. Sechs Kapitel widmen sich den Kernbereichen und sind überschrieben mit “Eine Toolbox für Trixer – Die Inseratenaffären”, “Aufträge für befreundete Unternehmen”, “Spezialbehandlung für Superreiche”, “Postenschacher” und “Kuschelkurs mit Putin”.
26,5 Millionen Seiten Akten
Wie beim grünen Abschlussbericht zum Ibiza-U-Ausschuss auch fasst ein Kapitel wieder Statistisches zusammen. Dabei erfährt man etwa, dass in 42 Befragungstagen insgesamt 85 Befragungen durchgeführt wurden. Die Befragungsdauer umfasste 218 Stunden und 48 Minuten. Insgesamt wurden 26,5 Millionen Seiten an Akten und Unterlagen geliefert. Davon 19.773 Dateien elektronisch, der Rest kam in 2.160 Papierordnern.
apa | Titelbild: ZackZack / Christopher Glanzl