Die Rede des Bundeskanzlers Karl Nehammer (ÖVP) am Freitag sorgt für einen Koalitionskrach. Eine bevorstehende ÖVP-FPÖ Zusammenarbeit in Niederösterreich führt zu medialen Neuwahlspekulationen.
Wien | 80 Minuten statt der veranschlagten 45 parlierte Bundeskanzler Karl Nehammer am Freitag über seine „Vision“ für 2030. Zahlreiche Punkte seiner Rede sorgen in der Nachbetrachtung allerdings nun für schlechte Stimmung in der Koalition. Allen voran stehen die Aussagen zur Klima-Krise. So lobte Nehammer Österreich als „Autoland schlechthin“ und bekräftigte, dass er sich in der EU gegen ein Verbot des Verbrennungsmotors stark machen werde. Kurioserweise musste Nehammer nach seiner Rede mit der U-Bahn abreisen: Es staute in Wien.
Gewessler attackiert Nehammer
Klimaministerin Leonore Gewessler schoss nach der Rede des Kanzlers via Presseaussendung zurück: “Ideologisches Festhalten am Verbrenner und ein bisschen Technologie werden das Klima nicht retten”. Und: “Wir lassen uns von diesem Weg sicher nicht abbringen. Unser Ziel heißt Klimaglück”, betonte sie. Die Grünen würden dafür sorgen, “dass dieses Land auch in zehn Jahren noch lebenswert ist. Wir nehmen die Klimakrise und die Sorgen der Menschen in Österreich ernst. Das sollte auch der Kanzler tun.”
Edtstadler attackiert Gewessler
Am Wochenende schaltete sich wiederrum die Verfassungsministerin ein. Karoline Edtstadler (ÖVP) verteidigte ihren Kanzler und seine Verbrenner-Haltung vor der grünen Ministerin. “Der Klimawandel stellt Europa und die ganze Welt vor größte Herausforderungen. Deshalb investieren wir klug in Forschung und gezielt in Innovation”, sagte sie in einem schriftlichen Statement. “Wichtig ist dabei Offenheit gegenüber allen Technologien, damit im Wettlauf der besten Ideen die beste Lösung entsteht. Reflexartige Verbote durch die Politik verhindern oft die beste Lösung. Dem Bundeskanzler Ideologiegetriebenheit vorzuwerfen, und selbst die Augen vor neuen Technologien zu verschließen, ist nicht zielführend.”
Nächster Reibebaum
Doch die Klimaaussagen des Kanzlers waren nicht der einzige Reibebaum für den Koalitionspartner. Nehammer überraschte auch die Grünen bei seiner “Rede zur Zukunft der Nation” mit einem Vorschlag, die Sozialleistungen neu zu regeln. Demnach sollen nur jene voll anspruchsberechtigt sein, die durchgehend fünf Jahre in Österreich leben, “und wenn nicht, nur die Hälfte”. Beim grünen Sozialminister Johannes Rauch sorgt das für Unverständnis. “Den Bezug von Sozialleistungen für Zuwanderer und Zuwanderinnen in den ersten fünf Jahren zu beschränken wird nicht dazu führen, 10.000 Pflegekräfte aus dem Ausland für Österreich zu gewinnen, wie es Bundeskanzler Karl Nehammer in seiner Rede als Ziel formuliert hat”, so Rauch im “Standard”.
Der grüne Parlamentsklub geht laut eines Statements gegenüber der „ZiB2“ sowieso davon aus, dass die Kanzler-Idee rechtlich nicht halten werde: „Es findet sich dazu auch nichts im Regierungsprogramm, eine Umsetzung steht also nicht zur Diskussion. Wir gehen davon aus, dass solche Vorstöße weder vor den Höchstgerichten in Österreich noch vor jenen der EU haltbar wären. Wir erinnern hier etwa auch an die Indexierung der Familienbeihilfe, die vom EuGH aufgehoben wurde.“
Zeitungen spekulieren mit Neuwahl
Für weiteren Krach und mediale Spekulationen sorgt indes Niederösterreich. Da Johanna Mikl-Leitner aller Voraussicht nach mit Udo Landbauer zusammenarbeiten wird, stellen sowohl „Kurier“ als auch „Österreich“ bereits Neuwahlen, sowie einen möglichen Pakt für Nationalratswahlen zwischen Herbert Kickl und Mikl-Leitner in den Raum.
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