Für die Weiterexistenz der demokratischen Gesellschaft ist die staatliche Kontrolle der Wirtschaft lebensnotwenig, sagt Kolumnist Daniel Wisser.
Wien | »Sebastian Kurz macht seine Sache gut«, sagte der Promi Hubert von Goisern am 14. Juni 2020 in einem Interview in der Zeitung Der Standard, das man heute noch nachlesen kann. Von Goisern, einstiger Du-Freund des Oligarchen Dietrich Mateschitz, der wesentlich an Kurz‘ Aufstieg beteiligt war, war nie verlegen, wenn es darum ging, die Reichen und Mächtigen zu hofieren. Am 2. Mai 2023 lese ich, abermals in einem Artikel im Standard, dass sich Hubert von Goisern Sorgen um einen Rechtsruck macht und sagt:»Regierungsbeteiligungen der Freiheitlichen haben in unserem Land eine Spur der Verwüstung hinterlassen.«
In diesem Artikel äußern sich zwei wichtige und – im Gegensatz zu von Goisern –erstzunehmende Kunstschaffende ebenfalls über die politische Situation in Salzburg: Karl-Markus Gauß und Helena Adler. Ich begrüße ihre Äußerungen. Aber leider: Über dem Artikel prangt groß das Bild des moralisch situationselastischen Hubert von Goisern. Und das ist auch das Einzige, worum es ihm geht: Um sich selbst. Um seine Medienpräsenz.
Die Verwüstung des Sebastian Kurz
Entgangen ist Hubert von Goisern offensichtlich, dass Sebastian Kurz den Rechtsruck in Österreich erst herbeigeführt und dass seine Partei eine Spur der Verwüstung hinterlassen hat. Entgangen ist ihm, dass sich Alexander Schallenberg und Karl Nehammer realpolitisch nicht von Kurz unterscheiden. Entgangen ist ihm, dass die ÖVP-Ankündigung, nicht mit der FPÖ zu koalieren, ebenso bedeutungslos ist, wie seine moralische Empörung. »Man kann doch mit einer rückwärtsgewandten Partei keine Politik für die Zukunft machen!«, wird von Goisern in diesem Artikel zitiert. Ist denn die ÖVP vorwärtsgewandt? War Sebastian Kurz vorwärtsgewandt, als er seine Sache »gut machte«?
Natürlich weiß Hubert von Goisern, dass sich seine beiden Aussagen widersprechen. Er hat eben zwei Gesichter. Und er kann ungestraft als Lobhudler und Brown Noser der Oligarchen und als kritisierender und moralisierender Kunstschaffender auftreten. In dieser Doppelmoral liegt ein Problem.
Verarmung
Es ist ein Problem, das tief in die österreichische Politik führt. Man nimmt es vielleicht schmunzelnd zur Kenntnis, wenn der Sport nur noch eine Zirkusveranstaltung selbsternannter Cäsaren ist. Wenn aber Medien, Kunst und Kultur und Politik zu solchen Circenses werden, dann ist Feuer am Dach. Denn dann ist die Demokratie bedroht. Nicht nur, dass sowohl Brot als auch Spiele massiv teurer werden. Diese Teuerung haben die schwarz-blaue und schwarz-grüne Regierung mit ihrer schamlosen und grenzenlosen Förderung von Großindustrie und Großkapital selbst angeheizt. Sie bluten damit den Mittelstand aus und sie vernichten die Selbstständigkeit, die gerade der ÖVP so wichtig sein sollte. Verarmung und ein drastisches Ansteigen der Konkurse sind die Folge.
Wer sich gegen diese Entwicklung stellt, sollte nicht parteipolitisch denken. Das regelmäßige Warnen vor der FPÖ aus dem ÖVP- und Oligarchenlager hat ja in Wahrheit nur einen Zweck: Die ÖVP und ihren eigenen Rechtsruck zu exkulpieren. Die ÖVP ist aber all diese Rechtskoalitionen eingegangen und verhandelt schon wieder eine neue. Die ÖVP hat Herbert Kickl zum Minister gemacht. Und nach der nächsten Wahl droht ein Kanzler Kickl auch nur dann, wenn ihn die ÖVP (vielleicht zusammen mit den Grünen, das wird das Wahlergebnis zeigen) zum Kanzler wählt oder wenn die FPÖ die absolute Mehrheit erreicht, woran ich nicht glaube.
Auch die SPÖ kann sich, wenn sie es nun schafft, aus dieser Phase der Neuaufstellung wieder als eine Partei hervorzugehen, dieser Frage nicht entziehen. Es macht kein gutes Bild, wenn Ex-Politikerinnen und Ex-Politiker der SPÖ bei Unternehmen wie Signa, Novomatic, Magna, Palantir, Red Bull usw. usf. landen und Millionäre werden. Natürlich, man kann es ihnen nicht verbieten. In der SPÖ scheint die Anzahl beleidigter und frustrierter Ex-Politikerinnen und Ex-Politiker aber besonders groß zu sein. Und auf fast choreographiert erscheinende Weise, wenden sie sich alle gegen ihre eigene Partei. Die Presse freut sich auf jeden Lemming!
Wirkliche Sozialdemokraten dürfen und können ihre Gesinnung auch dann nicht vergessen, wenn sie nicht mehr in der Politik tätig sind. Ein einfaches Parteimitglied – Jörg Haider hat ja für die Ironisierung des von ihm gebrauchten Ausdrucks gleich selbst gesorgt – zeichnet sich durch genau dieselbe Solidarität aus, die sie oder er als aktive Politikerin oder aktiver Politiker gezeigt hatte oder hätte. Hierin liegt das zentrale Manko Hans-Peter Doskozils, der seiner eigenen Partei seit Jahren auf nicht entschuldbare Weise schadet und ihre demokratischen Entscheidungen ignoriert.
Auch umgekehrt sehe ich keinen Sinn darin, Politikerinnen und Politiker aus Oligarchenunternehmen in Spitzenpositionen zu wählen. David Egger war das letzte Beispiel in der SPÖ. Er hatte damit von Anfang an keine Glaubwürdigkeit. Die Wahlergebnisse der SPÖ in Salzburg von 2004 und 2009 liegen anscheinend in unerreichbarer Ferne. Doch nur anscheinend. Denn wenn man nachrechnet, wird man feststellen, dass Wählerinnen und Wähler nicht-kapitalistischer Politik in Salzburg auf 30 % kommen. Und wenn man zudem im Nicht-Wähler-Segment, das mit 30 Prozentpunkten gleich groß ist, noch mobilisieren könnte, dann ist das Unterfangen einer nicht-kapitalistischen Mehrheit in Salzburg ganz und gar nicht aussichtlos.
Es macht sich bezahlt, der Oligarchie eine Absage zu erteilen. Und es macht sich bezahlt, dem Druck, den die Boulevardzeitungen und regierungsvereinnahmten Medien in Österreich auf Parteien machen, nicht nachzugeben. Diese Medien sind ohnehin dem Tod geweiht. Sie haben nämlich keine glaubhafte politische Berichterstattung mehr anzubieten.
Sinnlose Absagen an FPÖ
Das bedeutet auch, dass keine Koalitionsabsagen an bestimmte Parteien nötig sind. Das hat sich seit der Vranitzky-Doktrin, die siebenundzwanzig Jahre alt ist, geändert. Viel nötiger ist die Positionierung gegen eine bestimmte Sachpolitik. Es macht keinen Sinn, der FPÖ wegen ihres Fremdenhasses und ihrer Verfassungsfeindlichkeit eine Absage zu erteilen, wenn die ÖVP denselben Fremdenhass und dieselbe Verfassungsfeindlichkeit propagiert und plakatiert. Wir haben eben erst gesehen, dass die Grünen bei der politischen Vereinnahmung des ORF durch die Regierung und der Zerstörung von Medien und Medienlandschaft weitaus härter und brutaler vorgehen, als es die FPÖ je gemacht hat.
Parteipolitische Absagen sind als negative Formulierungen keine brauchbaren Wahlziele. Wahlziele müssen grundsätzliche Aussagen sein und damit positiv formuliert werden. Die enttäuschende Hinwendung eines weiteren beleidigten SPÖ-Politikers, nämlich Christian Kern, zu Hans-Peter Doskozil mit dem Satz, es sei das Wichtigste, Schwarz-Blau zu verhindern, wird ihn selbst noch reuen. Sein Auftritt hat gezeigt: Hier geht es um das eigene Ego.
Auch dem Schaumschläger Hubert von Goisern geht es nur um sein Ego. Eine wirkliche Absage an die Verwandlung Österreichs in eine Oligarchie braucht konsequente Sachpolitik. Die staatliche Kontrolle der Wirtschaft ist für die Weiterexistenz der demokratischen Gesellschaft lebensnotwendig geworden. Und die Demokratie braucht Bewegungen, die dieses Ansinnen klar formulieren und, wenn sie regieren, auch umsetzen.
Titelbild: ZackZack/Miriam Mone