Nach den drei Meuchelattacken auf Obdachlose in Wien ist ein weiterer seinen Verletzungen erlegen. Warum der Hass auf Wohnungslose so entsetzlich ist, erklärt Autorin Daniela Brodesser.
“Eh ned schad um den”… Dieser und ähnliche Sätze waren die ersten Reaktionen heute auf die Meldung, dass einer der drei Obdachlosen, die angegriffen wurden, gestorben ist.
2023. Wir teilen in wertes und unwertes Leben. Hatten wir schon mal. Sollte heute weder denk- noch sagbar sein. Und schon gar nicht Akzeptanz finden. Denn es endet nie gut, wie wir aktuell sehen.
Die Sprache das Hasses
Es beginnt immer mit Worten. Mit Abwertungen. Mit Vorurteilen. Und es blieb, egal wie kurz oder lange man in die Vergangenheit zurückblickt, nie dabei. Immer wurden aus Worten Taten. Wer Obdachlose als “Störfaktor” bezeichnet, ihnen vorwirft, faul zu sein und kein funktionierender Teil dieser Leistungsgesellschaft und deshalb also nichts wert, gießt Öl ins Feuer jener, die ein Ventil brauchen.
Ein Ventil für das eigene, verkommene Leben, in dem nichts so läuft wie man es gerne hätte. Dass aber nicht die Obdachlosen schuld sind an der Situation anderer, das hab‘ ich bis heute noch von keinem dieser Hetzer gehört.
Wer meint über Menschen, die auf der Straße leben, urteilen zu können, sollte sich mal fragen ob einem das nicht selbst passieren kann. Ich kenne zu viele, die von einem ziemlich normalen Durchschnittsleben auf der Straße gelandet sind. Weil das Leben eben oft nicht linear verläuft. Weil Trennung, Krankheit, Jobverlust oder die Pleite der eigenen Firma dich aus der Bahn werfen. Weil du auch psychisch nicht mehr in der Lage bist, nochmal und nochmal aufzustehen und von vorne zu beginnen. Denn nicht alle Menschen haben das Glück, eine Resilienz zu entwickeln, sondern resignieren. Ob man nach mehreren Schicksalsschlägen auf der Straße landet oder nicht hängt von vielen Faktoren ab. Nicht jeder einzelne davon ist selbst zu beeinflussen.
Hetze bleibt leider ungestraft…
Wir sollten uns darüber bewusstwerden, wie sich Sprache auf das Handeln Einzelner auswirkt. Natürlich sind jene, die mit Worten gegen Obdachlose hetzen nicht direkt schuld, es sind die Taten von Menschen, die ihren Frust und ihre Wut auf diese Welt an wehrlosen Menschen auslassen. Und trotzdem nehme ich jene, die aufstacheln und hetzen, mit in die Pflicht. Denn sie legen damit den Grundstein. Sie sind oft der letzte Auslöser für Täter*innen.
Mir persönlich haben schon die Attacken auf die drei Obdachlosen zugesetzt. Dass nun einer von ihnen an seinen Verletzungen verstorben ist, macht mich ehrlich gesagt fertig. Nicht nur weil ich es absolut nicht nachvollziehen kann, dass man Menschen, nur weil sie kein Dach über dem Kopf haben, so sehr hasst um sie töten zu wollen, sondern auch, weil ich selbst einmal kurz davor stand, die Wohnung zu verlieren. Hätte ich zu dem Zeitpunkt keine Kraft mehr gehabt und resigniert, wäre ich wohl ebenso auf der Straße gelandet. Und Menschen würden ebenso sagen “eh ned schad drum”, oder “kein Verständnis dafür”.
Achten wir alle bitte ein wenig mehr darauf, was wir sagen und wie wir es sagen. In einer Zeit, in der Egoismus und Ellbogentechnik immer schneller voranschreiten, wäre der Blick über den eigenen Tellerrand hinaus umso wichtiger. Und lasst uns Aussagen wie “ist ein Störfaktor” oder “leistet nichts, also weniger schlimm, wenn was passiert” nicht einfach so hinnehmen. Denn es könnte fast jede und jeden von uns treffen. Lasst uns etwas mehr aufeinander schauen statt noch weiter auseinander zu driften.
Titelbild: Christopher Glanzl