Samstag, Juli 27, 2024

“Erst ab 10 Euro”: Wie Händler Kartenzahlung vertragswidrig ablehnen

Immer öfter hört man in Geschäften, dass das Bezahlen mit Karte erst ab einem bestimmten Betrag möglich sei. Doch dafür gibt es keine rechtliche Grundlage. In Wahrheit dürfen Sie immer jeden Betrag mit Karte bezahlen.

Die von Kanzler Karl Nehammer losgetretene Scheindebatte um die Verankerung von Bargeld in der Verfassung verfehlte eines der größten Probleme des österreichischen Zahlungsverkehrs. Denn ob in der Trafik oder für das Erfrischungsgetränk am Kiosk: Viele Händler verlangen einen bestimmten Mindestbetrag für das Bezahlen mit Karte. Doch dieses Vorgehen ist durch keinen Vertrag gedeckt. Im Gegenteil: Händler müssen jeden noch so kleinen Betrag per Kreditkarte oder Bankomatkarte annehmen.

Zu höherer Konsumation gezwungen

Der Mindestbetrag bei der Kartenzahlung ist für Geschäftsinhaber offenkundig von Vorteil: Wer als Kunde nur einen kleinen Imbiss, ein Getränk oder eine Packung Zigaretten per Karte bezahlen will, muss für die Zahlung mit Karte oftmals den doppelten Betrag hinblättern. Aus einer Konsumation von ungefähr fünf Euro werden so schnell zehn – sehr zur Freude des Händlers, der sich über den fast doppelten Umsatz freuen darf. Doch immer mehr Kunden ärgern sich über die Vorgangsweise derjenigen Händler, die vollkommen willkürlich einen Mindestbetrag für Kartenzahlung festlegen.

Mindestbeträge nicht zulässig

Solche Mindestkonsumationen sind jedoch weder von Banken noch von Zahlungsdienstleistern vertraglich gedeckt. Bei Mastercard heißt es 2023 beispielsweise: “Ein Händler darf für die Annahme einer gültigen und ordnungsgemäß vorgelegten Mastercard oder Maestro-Karte keinen Mindest- oder Höchstbetrag für die Transaktion verlangen oder angeben, dass er diesen verlangt.” Das heißt, dass es keine vertragliche Grundlage für dieses Vorgehen seitens der Händler gibt, sogar ein aufrechtes Verbot besteht. Das hatten der “Konsument” und die Konsumentenschützer der Arbeiterkammer schon vor 20 Jahren festgestellt. Doch dagegen wird seither kaum vorgegangen. Denn immer noch verlangen zahlreiche Geschäfte einen Mindestbetrag von meist zehn Euro.

Minimalste Kosten?

Eine Blumenhändlerin am Wiener Alszeilenmarkt kann das Einführen von Mindestbeträgen bei Kartenzahlung nicht nachvollziehen. Viele Händler meinen, dass das Akzeptieren von Kartenzahlung so hohe Kosten verursacht. “Das kann nicht sein”, sagt die Marktverkäuferin, auf deren Marktstand ausdrücklich steht “Kartenzahlung möglich”. Und sie verrät: “Ich zahle pro Transaktion nur einen Cent an den Finanzdienstleister.” Andere Händler verweisen demgegenüber auf höhere Kosten.

“Es geht nicht”

Die angeblichen hohen Kosten, die Kartenzahlung für Händler bedeutet, entpuppen sich ob dieser Zahlen als Vorwand. Viele Händler betonen auf verärgerte Reaktionen von Kunden, dass eine Zahlung unter dem Mindestbetrag technisch gar nicht möglich sei. Als Jürgen H. etwa bei einem Wiener Imbissstand eine Nudelbox kaufen wollte, wurde ihm auf Nachfrage erklärt, dass eine Kartenzahlung unter zehn Euro nicht funktioniere. “Es geht nicht”, sagte der Mitarbeiter. Eine glatte Lüge. Kartenzahlung wird bei jedem Betrag von jedem Gerät unterstützt. Doch immer noch gibt es in Österreich zahlreiche Händler, die durch den rechtswidrigen Kniff ihren Umsatz in die Höhe schrauben. Solange niemand ernsthaft einschreitet, wird das auch so bleiben.

Titelbild: Pixabay

Autor

  • Daniel Pilz

    Taucht gerne in komplexere Themengebiete ein und ist trotz Philosophiestudiums nicht im Elfenbeinturm stecken geblieben.

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