Die infantilistische Filmproduktion von Karl Nehammer hat einen neuen Superhit produziert. Was wohl das Video gekostet hat und ob es in bar gezahlt wurde?
Schon lange nicht mehr mussten wir in den Medien lesen, dass ein siebenjähriges Kind einen Brief an den ÖVP-Kanzler schrieb. Diese Werbemasche von Gerald Fleischmann gab es offensichtlich nur in der Ära-Kurz. Dabei wäre es doch nett, wenn jemand den Kanzler dort abholt, wo er ist: im Geiste ein Siebenjähriger.
Jetzt wird der Spieß umgedreht. Video um Video wird mit Karl Nehammer gemacht, um auf populistische Art mit Schein-Positionen an die Öffentlichkeit zu treten. Es klingt alles schon ein wenig nach Wahlkampf.
Das Du-Wort
Viele fühlten sich vom letzten Kanzler-Video unangenehm berührt, weil Nehammer die Konsumenten des Videos duzt. Ich finde, es passt zu seinem infantilen Stil. Ich kann mich noch an das Baby-Elefanten-Video mit dem damaligen Kanzler Kurz und dem Immer-noch-Vizekanzler Kogler erinnern. Mir hat Kogler aufrichtig leid getan. Man merkt ihm bei jeder Bewegung an, dass er bei etwas mitmacht, das ihm einfach nicht entspricht.
So ist es auch bei Nehammer. Er soll cool wirken. Aber das Video ist peinlich, weil ihm sein Habitus und seine Worte aufgezwungen wurden. So sind wir nicht, sollte er ausrufen. Oder: So bin ich nicht. Stattdessen macht er sich für die Fleischmann-Taktik zum Kanzler auf Kindergartenniveau.
Die Neuerfindung der Gurkenkrümmung
Auch das Thema des Videos lässt kein Fettnäpfchen aus. Schafft es die ÖVP-Niederösterreich (über die Karl Nehammer bei seinem Betreuer Univ. Prof. Dr. Peter Filzmair eine wissenschaftliche Arbeit verfasst hat) nicht einmal, in jeder Gemeinde einen Bankomat aufzustellen, damit die Menschen dort an Bargeld kommen, so hat Kanzler Nehammer jetzt ein neues trojanisches Pferd gezimmert: Das Bargeld soll in der Verfassung verankert werden.
Ein Unsinn und Populismus der an Schildläuse, Gurkenkrümmung, Indexierung der Familienbeihilfe und Sicherungshaft erinnert. Wie Nehammers Gesetzesvorschlag aussieht, erfahren wir nicht (das war ja schon bei der sogenannten Sicherungshaft und der Änderung der EMRK der Fall). Es wissen nur alle schon im Vornhinein, dass die Verfassung der falscheste Platz dafür ist. Das Video ist leerer Populismus.
Tauschhandel in die Verfassung
Aber man könnte ja auch den Tauschhandel in der Verfassung verankern. Und wer weiß, vielleicht bekomme ich für meine Die-Neue-ÖVP-Schnapskarten aus den 1990er-Jahren noch ein Schnitzel oder eine Tube Pattex, um mich aus Protest an dem letzten Bankomaten eines niederösterreichischen Dorfs festzukleben. (Nicht normal, ich weiß!)
Keine Rede auch davon, dass die Notenbank, die uns mit Bargeld versorgt, die Europäische Notenbank ist, dass also – wer immer hier Maßnahmenbedarf sieht – wohl besser politisch auf europäischer Ebene tätig wird als videotisch auf Internetplattformen.
Die Schwierigkeiten der Wirtschaftsbetriebe
Keine Rede davon, welche logistischen Schwierigkeiten die Wirtschaftsbetriebe mit Barzahlung haben. Nehmen sie viel Bargeld ein, müssen sie es ja aus Sicherheitsgründen auch auf ihre Konten bringen. Mit Münzgeld ist das ohnehin sehr schwer. Die Münzzählanlagen der Bankfilialen sind rar und kosten eine Gebühr, sie sind damit für kleine Beträge nicht geeignet. Bringt aber jemand, wie etwa ein Eissalon, große Münzbeträge, so wird bald der Maximalbetrag erreicht und der Münzeinzahl-Automat wird geschlossen, weil das Bargeld erst vom Geldtransport abgeholt werden muss. In meinem früheren Beruf habe ich das am Beispiel einer Bankfiliale auf dem Reumannplatz oft erlebt.
Bei Geldscheinen ist es nicht viel besser. Die Einzahlautomaten der Banken sind notorisch defekt und schon so selten, dass man oft kilometerweite Wege antreten muss, um zu einem anderen Gerät zu kommen. Und wenn sie selten benutzt werden, werden diese Automaten schnell wieder entfernt. Es ist für die Angestellten mühsam und enervierend, eingenommenes Bargeld einer Firma oder eines Geschäfts auf ein Konto einzuzahlen.
Ständig überwacht
Und dann spielt der siebenjährige Karli mit seinem Video einer sehr eigenartigen Klientel in die Hände: Menschen, die Angst haben, durch Kartenzahlung überwacht zu werden. Bei ihrem Auto ist es ihnen egal, dass es ständig Daten in alle Welt liefert. Beim Handy, auf das sie 24 Stunden in 7 Tagen schauen, ist ihnen die Überwachung auch egal. Wir haben ja in diesem Land mitgekriegt, wie sicher manche Menschen sind, dass – wenn sie einen Chatverlauf auf ihrem Mobiltelefon löschen – alles weg ist.
Jeder legt fröhlich Account bei Onlineshops an und gibt diesen seine Kreditkartendaten. Niemals werden Cookies gelöscht, ordentliche Passwörter angelegt und die Methoden des Shops hinterfragt. Aber an der Supermarktkasse wollen sie es sich nicht nehmen lassen, zuerst die schmuddeligen Geldscheine aus der Trainingshose zu kramen, um danach für den Restbetrag mit beiden Händen dem Kassierenden ihre Münzsammlung zu zeigen und zu sagen: Nehmen’S ruhig, was Sie brauchen!
Infant und Infanterist
Es ist so herrlich unkompliziert und so entspannend für das Personal, wenn die Schlange an der Kassa wächst und wächst. Und wer will schon, wenn er eine gekrümmte Gurke und einen Becher Sauerrahm gekauft hat, dass seine Bank davon erfährt?
Der Karli hat also eine Lösung dafür. Ich weiß noch nicht, wie sie aussieht – niemand weiß das. Die Menschen werden es ihm danken, dass sie weiterhin kleine Einkäufe im Wert von 5.000,00 EUR in bar bezahlen können. Nur so mancher wird sich vielleicht fragen, wo er 5.000,00 EUR hernehmen soll. Bis dahin hat aber die infantilistische Videoproduktion von Infanterist Karl Nehammer vielleicht schon wieder ein anderes Thema. Abwarten.
Titelbild: Miriam Moné