Samstag, April 27, 2024

Only one way

Das Gebot der Stunde ist Pazifismus, das Stiften von Frieden. Dieses Gebot hat einen großen Gegner: den Kapitalismus, der von Kriegen bestens lebt.

Es ist Krieg und sie sind wieder da: die Moralisten, Kolumnisten, Zeigefingerjournalisten und Mahner, denen es in der Zeit schlechter Nachrichten am besten geht. Sie verurteilen den Angriff der Hamas auf Israel – völlig zu Recht. Aber was sie verschweigen, sind die Antworten auf jene Fragen, die erst ein Licht darauf werfen, wer die Hamas bewaffnet hat.

Woher bezieht die Hamas ihre Waffen? Dieser Punkt bringt den NATO-Westen und den NATO-freundlichen Westen in die Bredouille. Denn es ist ein Faktum: Mitgliedstaaten der NATO bewaffnen die Hamas, entweder direkt oder indirekt, indem sie mit Monarchien oder Diktaturen sunnitischer Ausrichtung milliardenschwere Waffengeschäfte abschließen. Der politische Führer der Hamas, Khaled Meshal, lebt in Qatar – ein Staat, mit dem westliche Länder und NATO-Länder milliardenschwere Geschäfte machen und Fußballweltmeisterschaften austragen.

Persilschein für den Krieg

Wir kennen diese Verlogenheit seit 1991, als unter dem Titel Befreiung Kuwaits die Waffen, die westliche Staaten dem Irak geliefert hatten, diesem in einem „gerechten Krieg“ wieder abgenommen wurden. Dabei hatten dieselben Länder den Irak bis dahin hochgerüstet. Und wie eine der besten Nachrichtensendungen der Welt, das Ö1-Mittagsjournal, damals auch akkurat berichtete, waren auch 20 österreichische Firmen darunter.

Auch damals gab es sie schon: die Krokodilsmoralisten, die Brown-Noser des Kapitals. Sie predigten die Notwendigkeit des Kriegs der USA und ihrer Verbündeten – allen voran der Alt-68er Hans Magnus Enzensberger, der in einem leider zu viel beachteten SPIEGEL-Artikel mit einem von der NATO zertifizierten Vergleich Saddam Husseins mit Adolf Hitler den Persilschein für den Krieg ausstellte.

Profit in jedem Fall

Verteidigt hat er nur den Profit des Kapitals in jedem Fall. Es hat sich seither nichts verändert. Österreichische Journalisten, die den Angriff der Hamas auf Israel verurteilen, haben Monate zuvor unsere Neutralität in Frage gestellt und das Ansuchen zum NATO-Beitritt Schwedens gelobt und zum Vorbild für Österreich erklärt. Schweden ist nun bei seinen NATO-Beitrittsbestrebungen vom Wohlwollen Recep Tayyip Erdoğans abhängig. So wie Schweden sollte Österreich, nach Meinung dieser Kommentatoren, auch agieren. Was sie in diesen Tagen nicht sagen: Die Türkei Erdoğans ist einer der wesentlichen Unterstützer der Hamas.

Es hat sich seither nichts verändert, aber der Kapitalismus verteidigt sich heute perfider und selbstsicherer als damals – er macht sich zum Moralisten. Die systemische Bigotterie der NATO-Staaten, deren Kalkül immer aufgegangen ist, bei Waffengeschäften in Milliardenhöhe als rein am Geschäft interessierte Kapitalisten und bei militärischen Operationen als Moralisten zu argumentieren, bleibt im Westen unwidersprochen. Wenn man dieses Verhalten durchgehen lässt – und seit 1989 geht es immer durch und findet sogar den Applaus der prowestlichen konservativen und liberalen Presse in Europa – dann versinken wir (auch Österreich) immer tiefer in einem Alptraum, in dem Krieg „nur“ ein Geschäft ist, an dem man so oder so profitiert. So ist es ja auch im Fall der Kriegs in der Ukraine.

Blumentöpfe und Pflugscharen

Angesichts dieser Tatsache und dem Umstand, dass sogar die österreichischen Grünen bis hinauf zum Bundespräsidenten Werbung für Skyshield machen – einem Raketenabwehrsystem, dem auch NATO-Staaten angehören, die die Bewaffnung sunnitischer Terroristen ungeniert betreiben – kann man nichts anderes tun, als immer wieder die Fakten in Erinnerung zu rufen und die Welt täglich daran zu erinnern, dass nur pazifistische Bemühungen die schrecklichen Kriege auf unserem Planeten beenden können. Pazifismus muss notwendigerweise auch dem weltbeherrschenden kapitalistischen Grundsatz, dass nur die Vermehrung des eigenen Besitzes Ziel der menschlichen Existenz ist, eine Absage erteilen.

Ich weiß schon, dass man diesen Gedanken leicht verhöhnen kann und ihn naiv und unrealistisch nennen wird. Ich weiß schon, dass die wahren Realisten jene sind, die sagen: Ja, klar verurteilen wir jegliche Gewalt, aber das Geld der Konfliktparteien für ihre Waffen brauchen wir trotzdem. Es sind ja nur Waffen. Man muss damit nicht auf andere schießen. Natürlich, wir sehen ja täglich wie im Nahen Osten Blumentöpfe und Pflugscharen aus den Waffenlieferungen der NATO-Staaten gemacht werden.

A weapon that fires only one way

Wer für eine friedliche Welt kämpft, kämpft nicht nur dafür, dass es keine Waffenlieferungen mehr gibt, sondern auch dafür, dass es keine Waffenproduktion mehr gibt. Das betrifft (und Sie können mich jetzt steinigen) auch die Ukraine. Wer eine Waffe produziert und wer jemandem eine Waffe gibt oder verkauft – beide ermöglichen damit Bedrohung, Gewalt, Verletzung, Tötung. Und es gilt, was Indira Gandhi einst gesagt hat: I still have to see that weapon, that only fires one way.

Die abgeklärten Kolumnisten, die heute als Moralisten auftreten, aber die kapitalistische Hegemonie als alternativlos sehen, können sich ihre Krokodilstränen in den Arsch stecken. Ohne einen Friedensprozess in Israel und im Nahen Osten wird es nur einen Profiteur geben: Die Waffenproduzenten und ihre Lobby. Die NATO-Beitrittsschreier in Österreich und anderswo sind ihre Handlanger – ob bewusst oder unbewusst.

Ganz normal

Die Logik der parteiischen Schreiberlinge ist immer die, die offensichtliche Lösung unmöglich zu machen. Wer in Österreich eine Regierung ohne die FPÖ Herbert Kickls will, braucht dazu die Sozialdemokratie. Wer der Kriegspolitik, die uns in immer engeren Kreisen umzingelt, etwas entgegenstellen will, braucht Pazifismus. Und Pazifismus ist wie Ökologie und Gleichheit bedingungslos.

Wir reden vom Frieden, wenn der Krieg in China ist. So schrieb Max Frisch einst in sein Tagebuch. Verdrängung hat viele Formen und sie erblüht in tausenden Ausreden. Mit zwei Kriegen in unserer Nähe, die wir Kindern erklären müssen, ist die Ausrede auf räumliche Ferne hinfällig. Es gilt, eine wirkliche Moral zu entwickeln. Und eine solche Moral setzt Gleichheit voraus: Jedes Leben ist gleich schützenswert. Wer einem Militärbündnis der Waffenlieferer das Wort redet, hat sich davon schon verabschiedet. Und er macht damit Platz für ein politisches System, in dem Mord und Krieg ganz normal sind.

Titelbild: Miriam Moné

Daniel Wisser
Daniel Wisser
Daniel Wisser ist preisgekrönter Autor von Romanen und Kurzgeschichten. Scharf und genau beschreibt er, wie ein Land das Gleichgewicht verliert.
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9 Kommentare

  1. “… können sich ihre Krokodilstränen in den Arsch stecken”…
    Das will ich sehen, wie das geht!

    Pazifismus ist gut, schützt aber nicht vor Angriffen.

  2. Den Kapitalismus abschaffen und schon leben wir in einer Welt des Friedens?
    Natürlich prosperieren und bereichern sich die Waffenproduzenten an den Konflikten und Kriegen überall auf der Welt. Aber es ist bis heute nicht gelungen den Menschen in ein friedliches, aggressionsloses Wesen zu verwandeln, obwohl der Zivilisationsprozess auch in diese Richtung abzielt.
    Gibt es überhaupt einen direkten kausalen Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Krieg? Der Sowjetkommunismus hatte den Pazifismus rhetorisch immer sehr hoch gehalten und gleichzeitig ( atomar) aufgerüstet und Stellvertreterkriege finanziert, was schließlich (unter anderem) zur Selbstzerstörung des eigenen Systems geführt hat.
    Der Kapitalismus hat den Sowjetkommunismus überlebt und China zur Wirtschaftssupermacht befördert. Er erfreut sich weiterhin bester Gesundheit, während der Pazifismus eher dahinsiecht…

  3. Only dead end
    Gestern Herr Misik wider den Pessimismus, heute Herr Wisser wider den Kapitalismus mit Pazifismus

    In der SPD und generell in Deutschland schwindet der Optimismus angesichts der Erfolge der AfD. Die FPÖ dürfte diese Entwicklung tatsächlich wenig pessimistisch sehen!
    Besonders tragisch in Deutschland und Österreich, die Grünen. Der Kapitalismus hat die ehemaligen Friedensparteien zu Kriegsbefürwortern gewandelt!

    • Und von den verhemtesten Gentechnikgegnern zu den stärksten Befürwortern.
      Nein, das sind nicht mehr die Grünen, wie sie damals von Freda Meisner Blau gegründet wurden.
      Das sind nur noch getarnte und schon lange vielfach unterwanderte Grüne, um solche Koaltitionen wie sie heute vorliegen, inklusive dem passenden BP dazu, überhaupt erst möglich gemacht haben… – Harte Arbeit über Jahre hat sich hier zumindest für ein paar Wenige sehr gelohnt?

  4. Na, servas, wenn DAS unser leistungsfrisierter Bundeskanzler liest, der “ganz normal” (hierzulande die personifiziert ostälplerisch mittige Normalität quasi) als Unteroffizier (Reserve-Offizier!), nachrichtendienstlich aufgegleist, liest, dann wird er aber “not very amused” sein…

    “Das erste Opfer im Krieg ist die Wahrheit.” ©Senator Hiram Johnson – vor cirka 110 Jahren

    (Anm: Der Krieg war schon !immer “ein Geschäft” – für manche… und in 500 Jahren wird die Nachwelt u.a. auch diesen Krieg, über den wir hier entsetzt schreiben, auch wieder völlig anders sehen – es sei denn, KI setzt sich durch bis dahin…)

  5. Natürlich sind die illegalen Waffenlieferungen ein Hauptfaktor, warum solche Kriege überhaupt möglich sind.
    Hier fehlen aber die notwendigen Gesetze seit Jahrezehnten schon und müssten auch die Hersteller dieser Waffen hier eingebunden und zur Haftung herangezogen werden. (Wozu brauchen wir nur beispielsweise denn dann noch eine WHO, wenn solche Probleme völlig egal sind?)
    Aber der Lobbyismus auf der Erde ist hier einfach zu stark und wurde auch schon zum Hauptgeldspender der Polikorruption richtig gehend gehegt und gepflegt.

    Was aber die Palestinenser und ihren Überlebenskampf gegen übermächtige Gegner schon seit dem zweiten Weltkrieg anbetrifft, so wird dieser Konflikt meiner Meinung nach nur dann nachhaltig gelöst und beendet und vielleicht sogar in friedliche Prosperität dort umgedreht, wenn der gesamte Prozess von Anfang an evaluiert wird und sämtlichen Opfern daraus Respekt und Ehre erteilt und alle Geschädigten auch vollständig entschädigt werden, ist zumindest meine Meinung. So war es doch auch nach dem zweiten Weltkrieg? – Hier müssten dann aber auch diese Waffenlieferanten für Entschädigungszahlungen noch speziell mit herangezogen werden?

    Wann man nun aber die Palestineser “zerquetschen” und samt ihren Existenzgrundlagen zerstören und auslöschen will, dann kann ich mir einfach nicht vorstellen, dass dann die Geiseln dabei noch lebend freikommen werden.

    Ich glaube aber auch, wenn man hier deshalb hoffentlich nicht bald zur Vernunft kommen wird, um diese bereits biblischen Dimensionen auf eigentlich fast schon der ganzen Welt endlich mit allen nur erdenklichen Möglichkeiten die dagegen möglich sind, wieder ins Positive zu verändern, dann werden Schäden angerichtet werden, welche vermutlich über viele Generationen hinweg noch weiter wirken werden und vor allem eine noch geglaubte politische Menschlichkeit auf Jahrhunderte noch ganz schwer belasten werden… Wie können die hier verantwortlichen, untätigen und völlig unfähigen Politker aber noch immer und überhaupt noch legitimiert weiter im Amt bleiben?

  6. Danke Herr Wisser, für diesen hellsichtigen Kommentar!
    Genau das sollte man den verlogenen westl. Politikern und ihrer Journaille jeden Tag ins Gesicht sagen.

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