Samstag, Mai 4, 2024

Unsterblich Episode 8: Gene für ein langes Leben

Welche Gene begünstigen ein langes Leben? Wie einflussreich sind sie? Biochemikerin Renée Schroeder führt das in Episode 8 der Serie „Unsterblich“ näher aus.

Altern ist nicht lustig! Wie bereits besprochen, erhöhen alte Zellen das Krankheitsrisiko und damit auch die Sterblichkeit. Das letzte Jahrhundert hat erfreulicherweise große Fortschritte gebracht, vor allem hat sich die Lebenserwartung mehr als verdoppelt. Das ist sicherlich bedingt durch die Medizin, die Infektionskrankheiten zu bekämpfen gelernt hat. Auch Hygiene, Ernährung und Sport spielen eine große Rolle. Das alles hält uns viel länger als früher gesund.

Zum Alterungsprozeß tragen etliche Umweltfaktoren bei und ganz sicher die Lebensweise. Allerdings wird ein substantieller Anteil der Lebenserwartung (40%) von Generation zu Generation weitergegeben. Das heißt, es müssen genetische Faktoren im Spiel sein, die unsere Lebenserwartung steuern. Tatsächlich konnten mit der Lebensspanne verbundene Gene, genetische Mechanismen und Signalwege nachgewiesen werden. Diese möchte ich hier vorstellen und etwas erläutern.

Gene sind einfach wichtig! Aber, dass es genetische Varianten gibt, die bewirken, dass ein Lebewesen älter wird als seine Artgenossen, war eine sensationelle Entdeckung. Stellen Sie sich die Aufregung bei dieser Beobachtung vor: das bedeutet, dass die Altersobergrenze höchstwahrscheinlich nach oben verschoben werden kann.

Gleich vorweg: Sie können nicht sagen: „Ich habe schlechte Gene, daher zahlt es sich nicht aus, gesund zu leben“, um dann ungesund zu leben. Der genetische Einfluss macht eben nur 40% aus; zu 60% können Sie selber dafür sorgen, lange jung zu bleiben.

Ruhestand geht gar nicht!

Der Spruch „Wer rastet, der rostet“ hat seine volle Gültigkeit!

Eine andere Entdeckung war aufregend: Kalorienrestriktion erhöht die Lebenserwartung! Wir alle wissen mittlerweile, dass Intervallfasten guttut.

Und welche Gene spielen beim Alterungsprozess eine Rolle?

Wenn man die Literatur durchforstet, findet man sehr viele Gene, die mit Langlebigkeit in Verbindung gebracht werden. Jedoch nur 2 Gene (APOE und FOXO3) konnten in fast allen Artikeln eindeutig damit in Verbindung gebracht werden. Es ist nicht einfach nachzuweisen, dass eine genetische Variante wirklich zur Langlebigkeit führt, weil es so viele Faktoren gibt, welche die Lebensspanne positiv oder negativ beeinflussen.

Lebensverlängerer

Das APOE-Gen kodiert für das APOE-Protein, welches der wichtigste Cholesterinträger ist, der den Lipidtransport und die Reparatur von Verletzungen im Gehirn steuert. APOE versorgt die Nervenzellen mit wichtigen Nährstoffen, vor allem mit ungesättigten Fettsäuren, fettlöslichen Vitaminen und eben Cholesterin. Die „fetten“ Stoffe halten unsere Zellmembranen geschmeidig. Kommen nicht genug Nährstoffe in die Zelle, verkümmern sie und werden anfällig für Entzündungen. Es gibt 3 genetische Varianten von APOE beim Menschen: APOE2, APOE3 und APOE4.  APOE3 ist die häufigste Variante in allen menschlichen Gruppen. Es ist bekannt, dass genetische Variationen bei APOE mit Langlebigkeit und Lebensdauer verbunden sind. Eine erhöhte Häufigkeit des Allels APOE2 wird bei Hundertjährigen beobachtet. Die APOE4 Variante ist die schlechte, die mit einem erhöhten Risiko für mehrere altersbedingte Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Alzheimer-Krankheit in Verbindung gebracht wird.

Jeder Mensch hat ja 2 Kopien von jedem Gen. Wir sind sozusagen diploid. Das hat den großen Vorteil, dass wenn eine Kopie defekt ist, die zweite den Schaden minimieren kann.

FOXO3 steht für Forkhead box O3, und gehört zu einer Familie von Transkriptionsfaktoren. Das sind Eiweiß Moleküle, welche für das Einschalten von Genen notwendig sind. FOXO3 ist für das Einschalten von Genen, die für den kontrollierten Zelltod (Apoptose) und auch für die Aktivierung von Stammzellen für die Muskelregeneration notwendig sind. Es ist eindeutig mit Langlebigkeit und Intelligenz in Verbindung gebracht worden.

P53 – Tumor protein p53 – ist ein regulatorisches Protein, das oft in Krebszellen mutiert ist. Es wird als der Wächter des Genoms bezeichnet, weil es versucht das Genom intakt zu halten und Mutationen zu verhindern. Es ist beteiligt an der Regulation des Zellzyklus und der DNA-Reparatur an der Apoptose und es spielt eine wesentliche Rolle im Alterungsprozess. Siehe Episode 3.

SIRT1 – Sirtuin 1 protein – ist ein Enzym (Biokatalysator), der Deacetylase-Aktivität aufweist. Die Aktivität von Proteinen wird häufig durch Zufügung von kleinen regulatorischen Gruppen reguliert, zum Beispiel mittels einer Acetylgruppe. SIRT1 entfernt solche Acetylgruppen von manchen Proteinen und wechselwirkt mit 136 anderen Proteinen. Es hat also eine sehr zentrale regulatorische Rolle. Es deacetyliert zum Beispiel P53 und ist an der Regulation der Fettverbrennung beteiligt.

Telomere sind die Enden der linearen Chromosomen des Menschen und bestehen aus einer repetitiven Sequenz, die unterschiedlich oft wiederholt sein kann. Es gibt kurze oder lange Telomere, je nachdem wie oft die repetitive Sequenz wiederholt wird. Da dies ein sehr interessanter und wichtiger Aspekt ist, werde ich den Telomeren eine eigene Episode widmen. Es gab einige Arbeiten, die behaupteten die Länge der Telomere mit der zu erwarteten Lebensspanne korreliere. Das wird noch heftig debattiert.


Artikel zum vertieften weiterlesen: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9145989/

CellAge ist eine manuell kuratiere Datenbank mit 279 menschlichen Genen, die Zellalterung antreiben.

Titelbild: Renée Schroeder

Renée Schroeder
Renée Schroeder
Renée Schroeder ist eine der führenden Biochemikerinnen Europas. Als Wittgenstein-Preisträgerin lehrte sie an der Universität Wien. Heute lebt sie auf dem Salzburger Leierhof und beschäftigt sich mit wilden Kräutern, die sie verarbeitet. Für ZackZack beschreibt sie die ebenso folgenreichen wie weitgehend unbekannten Entwicklungen der technischen Eingriffe in die Grundlagen unseres Lebens - bis hin zur Abschaffung des Alterns.
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2 Kommentare

  1. Freue mich auch schon über Ihren Beitrag zu den Telomeren
    Danke nochmals für diese Beiträge. War wirklich eine sehr gute Idee über dieses Thema solche Beiträge zu verfassen, da wir ja bekanntlich auch nur ein Leben haben? Allein das Bewußtwerden dazu ist schon ein Erfolg…

    • Was für ein Tag!
      Der einsetzende Herbst und das Regenwetter finden ihren Niederschlag in Pilzen‘s Kolumne!
      Tja, was für ein vergnüglicher Sonntag, wenn mann dann auch noch der logischen Schlußfolgerung unterliegen kann, daß einem die diploiden Gene und sogar noch ein bipolares Geschlechtsmodell zu einem sehr langen Leben verholfen haben!

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