Kaum ein anderer lebender Autor steht so für die Verteidigung der Wortfreiheit wie Salman Rushdie. Der von konservativ-islamischen Kreisen geächtete und bedrohte Schriftsteller fand auf der Frankfurter Buchmesse klare Worte gegen die Beschneidung der Kunst.
Am letzten Tag der Frankfurter Buchmesse wurde Salman Rushdie – Autor, Inder, Engländer, Muslim, jahrelang auf der Flucht, da ihn Ayatollah Khomeini am 14. Februar 1989 mit einer „Fatwa“ belegte und somit zur Tötung des Schriftstellers aufrief, weil dieser mit seinem Roman “Die Satanischen Verse” den Islam, den Koran und den Propheten Mohammed beleidigt habe – mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet.
Verteidiger der Kunstfreiheit
Sein Werk, sein Leben und sein Überleben stehen exemplarisch dafür, was es bedeutet, diese Meinungsfreiheit und Kunstfreiheit, für die er sich seit Jahrzehnten einsetzt, auch tatsächlich umzusetzen. „Friede ist schwer zu schaffen und schwer zu finden”, sagte der Autor bei der Preisverleihung. Und er hielt auch fest, in was für Zeiten wir gerade leben: „Eine Zeit, in der die Freiheit – insbesondere die Meinungsfreiheit – auf allen Seiten von reaktionären, autoritären, populistischen, demagogischen, halbgebildeten, narzisstischen und achtlosen Stimmen angegriffen wird.“
Und er hält auch fest: „Wir sollten weiterhin und mit frischem Elan machen, was wir schon immer tun mussten: schlechte Rede mit besserer Rede kontern, falschen Narrativen bessere entgegensetzen, auf Hass mit Liebe antworten und nicht die Hoffnung aufgeben, dass sich die Wahrheit selbst in einer Zeit der Lügen durchsetzen kann.“
Unliebsame Zeilen
Rushdie ist furchtlos, nicht lange nach dem verheerenden Attentat während einer Veranstaltung, bei der er ein Auge verlor, empfing er einen Orden von Prinzessin Anne. An das Gesicht mit nur einem dunklen Brillenglas wird sich das Publikum gewöhnen. An die Beschneidung der Kunstfreiheit hoffentlich allerdings nie. Und diese Beschneidung kommt nicht immer so plakativ wie eine Fatwa oder ein Anschlag und sie kommt auch nicht immer aus der Richtung, aus der Rushdies Bedrohung herkommt. Die Beschneidung beginnt auch dort, wo man Bücher aus Schulen und Universitäten verbannt. Sie beginnt dort, wo man historische Literatur umschreibt, statt sie zu kontextualisieren.
Und sie beginnt auch dort, wo man eine Preisträgerin, die im Rahmen derselben Messe hätte ausgezeichnet werden sollen wie Salman Rushdie, um diese Preisverleihung bringt, sie verschiebt: weil die palästinensische Autorin Adania Shibli die falsche Nationalität besitzt, weil ihr Roman nach der bestialischen Terrorattacke der Hamas nicht in den Fokus gerückt werden sollte. Aber, auch wenn es manchmal schwerfällt, übrigens auch der Verfasserin dieser Zeilen: Kunst ist frei. Salman Rushdie fand übriges auch für diesen Fall Worte: Er kenne Shiblis Buch nicht, sagte er, hoffe aber, dass “Verschiebung” kein Euphemismus sei für “Absage” und die Ehrung bald nachgeholt werde.
Titelbild: Miriam Moné