Freitag, Mai 3, 2024

Wer sind die Linken in Österreich?

Die Bezeichnung »Die Linken« wird inflationär falsch verwendet. Ist es Hetze oder Revisionismus? Angesichts der österreichischen Geschichte sollte man mit dem Begriff jedenfalls sorgsamer umgehen.

Inflationär verwendet die Presse dieser Tage wieder den Begriff: »Die Linken«. Ob unbedacht oder in hetzerischer Absicht – das sei dahingestellt. Fakt ist, dass die österreichische Presse fast zur Gänze in der Hand von ÖVP-Redakteuren oder ÖVP-nahen Redakteuren ist. Mit dem Eintritt Rainer Nowaks in die Kronen Zeitung ist nun auch der gesamte Boulevard in der Hand ÖVP-naher Redakteure. Kann man ihnen trauen, wenn sie den Begriff links und vor allem das hetzerische linkslink verwenden?

Die Realität ist: Es gibt keine Linken in Österreich. Es gibt eine Hetze gegen die Sozialdemokratie, sogar mit geschmackvollen Namenswitzen über ihren Vorsitzenden, wie in Der Standard mit »Der Turmbau zu Babler«. Die Mitautorin dieses Jokes legt am 7. November nach: »Andreas Babler kann die SPÖ nicht einen«. Es handelt sich bei solchen Artikeln um Propaganda. Ihr Ziel ist die Ausrottung der Mitte, wie sie die ÖVP intern bereits fast abgeschlossen hat. Die Sozialdemokratie, eine Bewegung der Mitte, ist Ziel dieser Angriffe. Personen werden als Linke, Linkslinke und Marxisten bezeichnet – was sie nicht sind.

Leider verführt die Propaganda auch kluge Köpfe, wie den von mir hoch geschätzten Michael Köhlmeier, zur Übernahme ihrer Begriffe, wie es schon mit der unsäglichen »illiberalen Demokratie« passiert ist. Köhlmeier schreibt am 2. November 2023, indem er – völlig zurecht – einen Mangel an ausgesprochener Solidarität mit den Opfern des Hamas-Terrors beklagt: »Das wird auch als die große Schande der Linken in die Geschichte eingehen«. Wer sind bitte »die Linken«? Eine Antwort darauf gibt es nicht und kann es nicht geben. Ich versuche daher in zwei Teilen der Frage nachzugehen, ob es in Österreich überhaupt Linke gibt oder nur Anti-Links-Propaganda.

Verbot linker Parteien

Die Kommunistische Partei Österreichs wurde im Jahr 1933 verboten. 1934 wurde die SDAPDÖ, die Vorgängerpartei der heutigen SPÖ, und der Verkauf ihres Mediums Arbeiter-Zeitung verboten. Beide Verbote erfolgten unter der Regierung des christlich-sozialen Diktators Engelbert Dollfuß. Und sie erwiesen sich als Bärendienst am scheinbaren Widerstand gegen den Nationalsozialismus, der eher ein Sich-Angleichen einer vormals bürgerlichen Partei an die Nazis war. (So wie ja auch heute der scheinbare Widerstand der ÖVP gegen die FPÖ dazu führt, dass sie sich dieser angleicht.) Die letzten Linken Österreichs verließen 1934 dieses Land; wenige waren im Untergrund tätig.

Als Österreich 1945 wieder erstand, schlug die SPÖ einen Weg ein, der sich vom Weg der Zwischenkriegszeit unterschied. Die beschloss, in Zusammenarbeit mit der ÖVP, der Nachfolgerin jener Partei, von der sie einst verboten und verfolgt worden war, dieses Land wieder demokratisch aufzubauen. Der Staatsvertrag, die Neutralität und die Mitgliedschaft in der Europäischen Union sind Ergebnisse dieses Konsens.

Der Fall Olah

Dieser Konsens stieß nicht immer auf Begeisterung in der SPÖ. Zwar war sie bei Bundespräsidentschaftswahlen mit ihren Kandidaten erfolgreich. Vor 1970 aber schaffte es die SPÖ nie, die ÖVP bei Nationalratswahlen zu überholen. Der Unmut darüber entlud sich besonders, als eine Person versuchte, die Macht in der Partei an sich zu reißen: Franz Olah. Olah, der Innenminister, Nationalrat und sogar eine Zeit lang Zweiter Nationalratspräsident, Vizepräsident des ÖGB und von 1959 bis 1963 dessen Präsident gewesen war, hatte mit einer geheimen Finanzierung die Gründung der Kronen Zeitung unterstützt.

Olah wollte, ohne sich mit der Partei zu beraten, eine kleine Koalition mit der FPÖ einfädeln. Öffentlich trat er diffamierend gegen Parteigenossen auf, vor allem gegen Josef Afritsch, Christian Broda und seinen Nachfolger als ÖGB-Chef Anton Benya, und die Kronen Zeitung unterstützte ihn mit Attacken gegen diese Politiker. Irgendwann wurde es der SPÖ zu viel: Ein Schiedsgerichtsverfahren wurde eingeleitet. Das hatte es bis dahin seit 1945 nur zweimal gegeben. Eines davon endete mit dem Parteiausschluss von Erwin Scharf, das zweite mit dem Parteiaustritt von Anton Holzinger, der eine Rede für die Narvik-Kämpfer im Zweiten Weltkrieg gehalten hatte; er kam seinem Parteiausschluss zuvor.

Der ÖVP-Wahlsieg von 1966

Die bürgerliche und rechte Presse hatte mit dem Fall Olah ihre Freude, sah sie doch eine mögliche Spaltung der Sozialdemokratie. 75 Jahre nach dem Gründungsparteitag in Hainfeld, so schrieb man, sei die Partei zerstritten, keine Partei mehr, nicht mehr demokratisch strukturiert usw. Man witterte einerseits die Möglichkeit der Spaltung, wollte aber auf das verbale Ausholen gegen die Sozialdemokratie als der »roten Gefahr«, die aus dem Osten kommt (wie es die ÖVP damals in Wahlkämpfen plakatierte), nicht verzichten. Ein Kommentator – Hans T. Porta – schrieb sogar (und ich zitiere ihn hier wortwörtlich): »Die Marxisten jeglicher Schattierung leben in der Überzeugung ihres Endsieges [sic!].«

1964 wurde Franz Olah aus der SPÖ ausgeschlossen. Er gründete ein Jahr darauf eine eigene Partei, die DFP. Und obwohl er den Einzug in den Nationalrat bei der Wahl 1966 nicht schaffte, hatte er etwas Einfluss: Die ÖVP erreichte mit knapp über 48 Prozentpunkten eine Mandatsmehrheit im Nationalrat. Es folgen vier Jahre einer ÖVP-Alleinregierung.

Das Jahr 1967

Doch schon 1967 bewegte sich etwas in der SPÖ: Bruno Kreisky wird mit einer von der Presse als magerem Ergebnis kolportierten Zustimmung von 69 Prozent Parteivorsitzender. Auch damals fragte man laut, ob Kreisky die Partei »einen« könne. Und auch damals stand Kreisky einer stramm-konservativen Presselandschaft gegenüber.

Im selben Jahr, 1967, machte ORF-Generalintendant Gerd Bacher den Journalisten Alfons Dalma zum ORF-Chefredakteur. Alfons Dalma, der eigentlich Stjepan Tomičić hieß, war in den Vierzigerjahren Redakteur von Propagandazeitungen des faschistischen und Nazi-treuen Ustascha-Regimes gewesen. Gegen Ende des Kriegs war er, von den Faschisten hoch dekoriert, Presseattaché in Berlin. Er leitete von 1967 bis 1974 die politische Berichterstattung des ORF. Warum das noch wichtig werden sollte, erfahren Sie in der Fortsetzung nächsten Donnerstag…


Weiterführende Links: https://www.derstandard.at/story/3000000194022/babler-kann-die-sp214-gar-nicht-einen

https://www.derstandard.at/story/3000000180047/turmbau-zu-babler-kann-die-neuaufstellung-der-spoe-noch-gelingen

https://www.derstandard.at/story/3000000193579/michael-koehlmeier-ist-denn-jeder-moralische-kompass-verlorengegangen

Titelbild: Miriam Moné

Daniel Wisser
Daniel Wisser
Daniel Wisser ist preisgekrönter Autor von Romanen und Kurzgeschichten. Scharf und genau beschreibt er, wie ein Land das Gleichgewicht verliert.
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17 Kommentare

  1. Wisser steht halt offensichtlich nicht immer für Wissen. Ich finde den Artikel diesmal wirklich interessant, aber weshalb er die veruntreute Kohle die Olah der FPÖ zugeschoben haben soll ausspart, ist mir ein Rätsel. Nicht umsonst kann ich halt absolut nicht nachvollziehen weshalb die Linken nicht einsehen wollen dass dieses korrupte Medien/Freunderl/Posten usw…-System, made by SPÖ ist. Also die SPÖ hat noch sooo viel aufarbeitungsbedarf, da nutzt es auch nix wenn Babler verspricht die gebratene Taube würde mit ihm jedem in den Mund fliegen. Und noch was Wisser, mich interessiert jetzt halt einmal nur Ihre eigene Meinung. Weshalb Sie das Standrad dazu verlinken, ist mir ebenfalls ein Rätsel. Wieso verlinken Sie nicht zum völlig erfolglosen ex- Krankheitsminister und Kochbuch-Autor Rudi?
    Der schreibt ja bej der Krone. Ist der jetzt rechts links, braucht er das Geld oder ist er halt jetzt einfach nicht sooo schlau?

    • Gut, dass die Ffen noch nie etwas aufarbeiten musste, weder die täglichen Einzelfälle, noch die Verbrechen ihrer Vorgängerpartei NSDAP.

      • Auch wenn Ihnen das wieder einmal die Tränen in die Augen treibt und Sie bitterlich weinen müssen: Es geht hier um die SPÖ. Wie üblich halt den Artikel nicht gelesen und fest whatabout und mimimi. Aber was will man schon anderes von einem rotgepinselten Brünen erwarten. Nicht umsonst hat die SPÖ deren Nazivergangenheit nie aufgearbeitet.

  2. “Es gibt keine Linken in Österreich.”
    Danke für die Feststellung.
    Was wird heute als “links” bezeichnet. Alles was kritisch ist wird mit “links” belegt. Aber auch vieles, was gar nicht links ist. ZB die Grünen in DE sollen links sein! Links ist alles was irgendwie nach staatlichen, zentralistischen Eingriffen. Damit will man offensichtlich jeder staatlichen Regelung – im speziellen die, die Partikularinteressen der Reichen, oder de “freien” Unternehmertums, berühren könnten zuvor kommen. Das läuft aber schon eine geraume Zeit 10 Jahre oder mehr.
    Der Begriff “links” wird entleert, und am besten mit dem Schwarzen Block (kaum kann sich an die noch erinnern) bei Demos gleichgesetzt. Das ist mE ein klares Programm der “Bürgerlichen”, vgl die Weltwoche in CH (!), und der Rechten.

    Die “Linken” – die sich so fühlen – müssen den Begriff neu füllen. Da gibt es viel Arbeit zu leisten, und die SPÖ sollte da auch ihren Teil beitragen, sonst verschwindet sie noch ganz von der Bildfläche.

  3. Wer ist links in Österreich ? Hoffentlich viele.
    Daniel Wisser ist es nicht, er ist kein Linker sondern nur ein Maulheld.
    Ein echter Linker mach keinen Bückling vor dem ÖVP-Blümel, nur um etwas Geld und einen Preis zu bekommen.
    Ein echter Linker hat Stolz und Verachtung für die Marionetten des Kapitals a la Blümel.
    Und was der Standard schreibt oder hetzt, das interessiert wohl die Wenigsten.

    • @Sick
      Wichtig ist bloß dass die Grünen nach den Wahlen aus dem Parlament getreten werden und zwar hochkantig.
      Ebenso darf ja nicht verabsäumt werden die Meinungsfreiheit zu verbieten.
      Wo kämen wir da noch hin wenn u.a. Sie noch weiter ihre jetzt halt nicht gerade sooo gesunden Geistes- Ergüße über ganz normale Leute ergehen lassen dürfen.
      Nicht umsonst funzt dieser Link halt jetzt nicht sooo gut 😉

      • Genau, nicht abgewählt, sondern getreten.
        Sie sind verbal unerträglich gewalttätig, wie es einem echten Ffen geziemt.

        • Das finde ich jetzt nicht sooo schlimm weil Sie in der Vergangenheit schon öfter mit gewalttätigen Sprüchen aufgefallen sind.
          Sie sind halt unverbesserlich und da sind Sie aber schon ganz alleine daran schuld.

  4. während sich ganz Österreich einen Maulkorb verpassen lässt, von NEONAZIS!

    Nicht die Neonazis verprassen einen Maulkorb, es sind die Medien die berichten.
    Das rechts sehr Stark in Schwürkis verwurzelt ist wissen wir eh, das ist kein reines Blaue Phänomen, während die einen öffentlich agieren machen es die anderen im Hintergrund und sogar öffentlich da sie (Schwürkisgrün) das schwarz Blaue Programm von vor der Kurzzeit der weit weg von Mitte links ist weiterfühten, das ist das Programm das Kogler voll Ehrfurch nicht nur libre sondern verbissen weiter mit Schwürkis umsetzt….
    Die wahren rechten sind in der Regierung.

  5. »Der Turmbau zu Babler«. Die Mitautorin dieses Jokes legt am 7. November nach: »Andreas Babler kann die SPÖ nicht einen«.

    Das der Standard systematisch gegen SPÖ mobbt und grün bis zur selbstaufgabe verteidigt ist eh jeden bewusst, das sie mit den unnedigen grünen die bis ins Mark verdorben sind nur Schwürkis und am ende Blau stärken ist ihnen egal.
    Jeder sieht in grün was sie einstweilen Sind, und offensichtlich im Blut haben weil von selbst kommt das nicht, das sie nur das Schmiermittel für korruption und Amtsmissbrauch sind.
    Das Land versinkt in korruption und das ist auch verdienst der grünen die mit der Justiz alles machen um den “Koalitionsfrieden” zu wahren um jedoch selbst nur an die Futtertröge zu kommen.
    Niederträchtigste Partei Österreichs….

  6. Was ist so schlimm daran, wenn die SPÖ links von der Mitte steht?
    Was soll eigentlich “Mitte” heißen?
    Warum muss die SPÖ als Partei der “Mitte” gelten?

    Pffff…..und um ehrlich zu sein frag ich mich ob sich Wisser lieber in Haarspaltereien flüchtet, um das blaubraune Grauen in Niederösterreich ausblenden zu können…über das man ja weder reden, nachdenken und schon gar nicht schreiben darf.

    Stattdessen werden wir journalistisch mit Erinnerungen an Dollfuss versorgt… während sich ganz Österreich einen Maulkorb verpassen lässt, von NEONAZIS!

    • @Sick
      Das finde ich jetzt nicht sooo schlimm weil es jetzt halt eh bloß Sie sind die anderen einen Maulkorb verpassen. Aber Sie sind völlig harmlos -fast schon niedlich.

    • Siggerlich, Ja, ich mag die NEOS auch nicht. Besonders schlimm, wenn Hubert von Strolz jetzt wieder im Parlament jodeln will! Das ist so link, daß es tatsächlich schon rechtsextrem cis iss! Also NEOSCIS!

      Nonsens
      Egozentrismus
      Oratorium
      Strolz

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