Samstag, April 27, 2024

Kalt und immer kälter

Anstatt über die zweithöchste Inflationsrate und deren Folgen zu diskutieren, debattiert Österreich lieber übers Skifahren und rät zur Sparsamkeit. Auf wirkungsvolle Maßnahmen wartet man weiterhin vergeblich.

Während die Weihnachtsdeko verräumt ist und die ersten Neujahrsvorsätze schon wieder gebrochen sind und man langsam wieder im stressigen Arbeitsalltag ankommt, hat sich für viele von uns absolut gar nichts verändert. Im Gegenteil. Der Einkauf ist schon wieder teurer geworden, die nächste Mieterhöhung flattert ins Haus. Hier ein paar Euro, dort ein paar. Ständig. So geht es seit Monaten dahin. Warum? Weil wir dank unserer Regierung die zweithöchste Inflation im EU-Raum haben. Nur knapp überholt von der Slowakei.  

Keine wirkungsvollen Maßnahmen

In Österreich wollte die Regierung keine Maßnahmen setzen, die einflussreiche Menschen verärgern könnten. Das ging, weil diese Regierung uns Österreicher und Österreicherinnen kennt. Wir sind ein Menschenschlag, der sich lange zurückhalt, der leidensfähig ist. Zähne zusammenbeißen, „da müss ma jetzt durch! Nur nicht jammern!“ Wer sich bemüht, schafft das doch! So schlimm kann es nicht sein, wenn die Leute noch immer ins Restaurant gehen oder ein Auto haben oder gar einen Skiurlaub machen, oder? Wir bilden uns die Teuerungen alle nur ein. Und Maßnahmen, dafür ist es doch viel zu spät, das würde jetzt zu lange dauern, bis die wirken, meinte erst letzte Woche unser Herr Arbeitsminister Martin Kocher von der ÖVP.

Da fragt man sich doch ob das alles noch real ist? Da sitzt ein Minister im Interview und erklärt uns allen Ernstes, für Maßnahmen sei es jetzt zu spät. Was hat er die letzten beiden Jahre beruflich so gemacht? Däumchen gedreht? Wirklich darauf gehofft, diese Inflation würde sich ohne das Zutun der Regierung in Luft auflösen? So inkompetent kann die Regierung doch nicht sein.   

Scheindebatten übers Skifahren

Während monatlich der Einkauf immer schwieriger zu stemmen wird, verbeißen sich manche auf Diskussionen darüber, ob skifahren notwendig ist. Da gibt es dann Spartipps wie man diesen Sport billigst ausüben könnte. Da gibt es Diskussionen in den sozialen Netzwerken darüber, dass ein Rucksack mit Tee reicht, ein Pullover und alte Ski, und man halt den Berg raufklettern soll, wenn man sich die Liftkarte nicht leisten kann. Dann kann man den Kindern auch skifahren beibringen. Ich frage mich ehrlich, ob manche Leute überhaupt noch lesen, was sie von sich geben? Natürlich kann man immer alles irgendwie noch billiger und noch günstiger schaffen, man kann sogar zwei Wochen von Kartoffeln leben, in allen Varianten. Man kann bei 11 Grad schlafen. Man kann sogar auf warme Mahlzeiten verzichten. Alles schon gemacht. Aber wisst ihr was: ich empfehle es niemandem. Es ist weder lustig noch sozialromantisch, noch hat es irgendeinen Lerneffekt. Es ist einfach nur notwendiges Übel um durch das Monat zu kommen.  

Nein, ich muss nicht skifahren. Meine Kinder hätten es gern gelernt, aber das war halt nie drin. Ich bin auch keine Verfechterin davon, dass man alles ausprobieren muss. Aber wenn schon die Debatte darüber stattfindet, wie wichtig dieser Sport in Österreich ist, dann sollte man auch nicht vergessen, dass er für den Großteil der Menschen unleistbar geworden ist. Skifahren ist schon lange kein Volkssport mehr, sondern etwas, das Privilegierten vorbehalten bleibt.  

Reale Engpässe statt Skipässe

Anstatt weiter über die unterschiedlichen Preise von Tagespässen zu diskutieren und darüber, was man machen müsste, um es sich leisten zu können (eine Diskussion, die mich übrigens sehr an die “wie billig kannst du kochen” Debatte von vor wenigen Wochen erinnert), sollten wir alle wieder mehr in der Realität ankommen. In dieser geht es nämlich nicht mehr um Tagespässe oder ob eine Ausrüstung neu oder gebraucht sein darf, sondern um ganz banale Dinge wie Miete und Einkauf. Darum, ob man im nächsten Monat die Haushaltsversicherung bezahlen kann oder auslässt. Darum, dass eine kaputte Brille dein Monatsbudget komplett sprengt, dass die Bronchitis deines Kindes dich mehr kostet, als du für den Wocheneinkauf hast. Weil erstens nicht alles über Rezeptgebühr geht und zweitens viele keine Befreiung haben. Es geht um essentielle Dinge. Über die wird aber kaum gesprochen. Weil es in Österreich nicht gehört werden will.  

Es wird kalt und immer kälter. Vielleicht sollten wir daran arbeiten, weniger die Ellbogen auszufahren und Menschen vorschreiben, wie sie sich zu verhalten haben, um durch das Monat zu kommen, sondern mehr darüber sprechen, wo die inflationssenkenden Maßnahmen bleiben. Und darüber, weshalb bei immer mehr Menschen nach dem Geld noch so viel Monat übrig ist. 

Titelbild: Christopher Glanzl

Daniela Brodesser
Daniela Brodesser
Daniela Brodesser macht als Autorin den Teufelskreis der Armut sichtbar und engagiert sich persönlich gegen armutsbedingte Ausgrenzung und Verzweiflung.
LESEN SIE AUCH

Liebe Forumsteilnehmer,

Bitte bleiben Sie anderen Teilnehmern gegenüber höflich und posten Sie nur Relevantes zum Thema.

Ihre Kommentare können sonst entfernt werden.

15 Kommentare

  1. Das Thema Inflation (=Kaufkraftstärkung) ist hierzulande durch, Frau Brodesser – ist nicht mehr “Chefsache”, weil schon längst erledigt:

    Die verblüffende Gast-Rede im Zuge des Tiroler Landesparteitags 2022, worin in drastischen Worten Bezug auf die Teuerungskrise genommen wurde, weil man sinngemäß gegen Teuerung und Inflation nicht ausreichend gegensteuere, ist inzwischen legendär: “Wenn wir jetzt so weitermachen, gibt es für euch nur zwei Entscheidungen nachher: Alkohol oder Psychopharmaka. Und ich sag’: Alkohol ist grundsätzlich okay”, um schließlich weise zu ergänzen: “Das Entscheidende ist, dass man immer dann anstößt, wenn es einem gut geht”. Zuvor wurde noch erklärt, dass man sozusagen “den Feind erkennen” müsse (ohne Feind-Bilder geht’s halt mal militärisch gar nicht): “Das ist die Teuerung, das ist die Inflation, das ist das absurd hohe Level an Energiekosten. Und wir müssen die Maßnahmen so setzen, dass wir die Inflation nicht treiben, sondern versuchen, sie gemeinschaftlich in der Europäischen Union zu drücken.” Dies sei “alles andere als einfach”. -> So sieht “Zuversicht verbreiten” aus, man hat doch schon alles Menschenmögliche getan…

    Also, stossen wir drauf an und schlucken Tranquilizer dazu! -> Die Energiekosten (der “Feind”) sanken in der EU mittlerweile auf Vorkriegsniveau, wir bei uns zahlen immer noch 84% mehr dafür im Vergleich. -> Der Inflationsanstieg im Jahr 2021 ist eindeutig auf Importe (Lieferkettenrisse, Angebot visa Nachfrage) zurückzuführen. Zu den Preisanstiegen als Folge der durch die Pandemie ausgelösten internationalen Lieferengpässe gesellten sich ab Ende 2021 die Energieimporte, eine generös verschmähte Mietpreisdeckelung (Bullenmarkt im Großspender-Milieu) sowie unhinterfragte Steigerungen im Dienstleistungssektor als wichtigste Inflationstreiber hinzu. Sieht man sich im Vergleich zur argumentativ missbrauchten “Fremdenverkehrslastigkeit” den hierzu normiert standardisierten HVPI an (Harmonisierter Verbraucherpreisindex), welcher Vergleiche innerhalb der verschieden geschnitzten Volkswirtschaften in der EU im harmonisierten Warenkorb widerspiegeln soll, dann bleibt die Diagnose stabil, dass ÖSI-Land “auf dem Stockerl” im Ranking der Teuerungen über Jahrzehnte (schon) bleibt… Macht nix, dafür kommen nun jene an die Mehrheit, die im Idyll einer Fremdenverkehrskulisse in die Präkariats-Armut abrutschen, um sich weiterhin “Österreich-Schnitzel” in bewährt gemästeter AMA-Gütesiegel-Qualität auf Vollspaltböden lückenlos gepfercht leisten zu können – und wenn’s im Mäci-Laberl geordert wird, entspricht es auch offiziell politischer Erwartungshaltung…

  2. Das Thema Inflation (=Kaufkraftstärkung) ist hierzulande durch, Frau Brodesser – ist nicht mehr “Chefsache”, weil schon längst erledigt:

    Die verblüffende Gast-Rede im Zuge des Tiroler Landesparteitags 2022, worin in drastischen Worten Bezug auf die Teuerungskrise genommen wurde, weil man sinngemäß gegen Teuerung und Inflation nicht ausreichend gegensteuere, ist inzwischen legendär: “Wenn wir jetzt so weitermachen, gibt es für euch nur zwei Entscheidungen nachher: Alkohol oder Psychopharmaka. Und ich sag’: Alkohol ist grundsätzlich okay”, um schließlich weise zu ergänzen: “Das Entscheidende ist, dass man immer dann anstößt, wenn es einem gut geht”. Zuvor wurde noch erklärt, dass man sozusagen “den Feind erkennen” müsse (ohne Feind-Bilder geht’s halt mal militärisch gar nicht): “Das ist die Teuerung, das ist die Inflation, das ist das absurd hohe Level an Energiekosten. Und wir müssen die Maßnahmen so setzen, dass wir die Inflation nicht treiben, sondern versuchen, sie gemeinschaftlich in der Europäischen Union zu drücken.” Dies sei “alles andere als einfach”. -> So sieht “Zuversicht verbreiten” aus im reaktionären CV-Lager – man hat doch schon alles Menschenmögliche getan…

    Also, stossen wir drauf an und schlucken Tranquilizer dazu! -> Die Energiekosten (der “Feind”) sanken in der EU mittlerweile auf Vorkriegsniveau, wir bei uns zahlen immer noch 84% mehr dafür im Vergleich. -> Der Inflationsanstieg im Jahr 2021 ist eindeutig auf Importe (Lieferkettenrisse, Angebot visa Nachfrage) zurückzuführen. Zu den Preisanstiegen als Folge der durch die Pandemie ausgelösten internationalen Lieferengpässe gesellten sich ab Ende 2021 die Energieimporte, eine generös verschmähte Mietpreisdeckelung (Bullenmarkt im Großspender-Milieu) sowie unhinterfragte Steigerungen im Dienstleistungssektor als wichtigste Inflationstreiber hinzu. Sieht man sich im Vergleich zur argumentativ missbrauchten “Fremdenverkehrslastigkeit” den hierzu normiert standardisierten HVPI an (Harmonisierter Verbraucherpreisindex), welcher Vergleiche innerhalb der verschieden geschnitzten Volkswirtschaften in der EU im harmonisierten Warenkorb widerspiegeln soll, dann bleibt die Diagnose stabil, dass ÖSI-Land “auf dem Stockerl” im Ranking der Teuerungen über Jahrzehnte (schon) bleibt… Macht nix, dafür kommen nun jene an die Mehrheit, die im Idyll einer Fremdenverkehrskulisse in die Präkariats-Armut abrutschen, um sich weiterhin “Österreich-Schnitzel” in bewährt gemästeter AMA-Gütesiegel-Qualität auf Vollspaltböden lückenlos gepfercht leisten zu können – und wenn’s im Mäci-Laberl geordert wird, entspricht es auch offiziell politischer Erwartungshaltung…

  3. “… Was hat Herr Kocher die letzten beiden Jahre beruflich so gemacht? Däumchen gedreht? Wirklich darauf gehofft, diese Inflation würde sich ohne das Zutun der Regierung in Luft auflösen? So inkompetent kann die Regierung doch nicht sein…”

    DOCH, SIE KANN!!!

  4. Momentan können wir froh sein das sie fast nix tun…so bleibt der Schaden geringer…obwohl….was tun die im Hintergrund.

  5. “KALT UND IMMER KÄLTER” – ja eine sehr treffene Beschreibung für die schon lange unhaltbaren Zustände in diesem Land.

    Allein diese Teuerung und ihr noch lange nicht absehbares Ende ihrer Auswirkungen noch immer nicht im Zusammenhang vom Benkoskandal zu sehen, ist für mich zumindest nicht nachvollziehbar… – Wann kommt nur beispielsweise nun endlich eine Mietpreisbremse und diese drei Jahre rückwirkend????? – die Insolvenzen sind doch schon aufgestellt? – Oder würden diese damit dann in den zweiten Jahren der Insolvenzzeit sogar damit zusammenbrechen?

  6. Diese Regierung kapiert einfach immer noch nicht, welchen Rattenschwanz an Problemen eine so hohe Inflation auf Dauer nach sich zieht. Das ist nicht nur eine seit Jahrzehnten nicht mehr da gewesenen Teuerung sondern eine Zäsur. Die eine Hälfte der Bevölkerung hat ihre Schäfchen im Trockenen und die andere Hälfte schaut blöd aus der Wäsche und fragt sich, warum sie überhaupt noch arbeiten geht angesichts der Tatsache, dass sie sich ohnehin nichts mehr leisten kann und auch nichts für die Zukunft aufbauen. Wenn man dann noch auf die zukünftig trüben Pensionsaussichten blickt, arbeiten vermutlich bald bis 67, bei weniger Rente (inkl. der “üppigen” spekulativen Betriebsrenten). Sich das Schifahren nicht mehr leisten zu können ist ja ein Luxusproblem, das viele Leute ohnehin schon lange nicht mehr haben. Viele von denen “die täglich in der früh aufstehen und arbeiten gehen….” wie die Konservativen doch so gerne predigen. Jede Menge sozialer Sprengstoff.

    • Warum arbeiten gehn wenn man sich so und so nichts mehr leisten kann? Weil Mahrer, Kopf etc. daran arbeiten dass dir auch noch das letzte Hemd genommen wird wenn du es wagst dies bleiben zu lassen.

  7. Wer sich die Liftkarte nicht mehr leisten kann soll doch Heli skiing… “Glaub an Österreich” -Karl der Schulterklopfer.

    • Ja genau! Oder mit seinen noch ungeübten Kindern unpräparierte und ungesicherte Berghänge hinabbrettern. Wie weiland der unvergessliche Luis Trenker, der als Bub auch in den einen oder anderen Baum “reingfahren” sein dürfte.

      • Das Ehrenkreuz der Stadt Wien und das Goldene Verdienstkreuz des Landes Tirol haben ihn hinweggetröstet…

Kommentarfunktion ist geschlossen.

Jetzt: Benkos Luxusvilla in Italien

Denn: ZackZack bist auch DU!