Freitag, April 26, 2024

Loblied auf Lopatka

Reinhold Lopatka ist der EU-Notnagel der ÖVP. Aber er ist noch mehr: ein versierter Sicherheitspolitiker und einer der wichtigsten Reformer des Parlaments.

Niemand will für die ÖVP die Europawahl verlieren. Karoline Edtstadler will nicht. Alexander Schallenberg will nicht. Also bekommt den Job einer, der der Partei schon oft gedient hat: Reinhold Lopatka. Bei der Entscheidung dürfte der Umstand, dass sich Lopatka in Fragen der Sicherheit und der europäischen Einigung weit besser auskennt als die Europaministerin und der Außenminister, eine untergeordnete Rolle gespielt haben.

Seit Jahrzehnten ist Lopatka in der ÖVP der Mann für alles. Als Generalsekretär hielt er die Partei für Kanzler Schüssel auf Linie. Als Staatssekretär war er irgendwie umtriebig. Aber Lopatka hielt eine dritte Schlüsselfunktion: den ÖVP-Klubobmann im Nationalrat. Dort hat er mehr geleistet als öffentlich bekannt ist.

U-Ausschuss

2014 war Lopatka schon ein Jahr Chef des ÖVP-Klubs. Ich hatte das Wort der SPÖ, uns Grüne bei der großen Reform des parlamentarischen U-Ausschusses zu unterstützen. Andreas Schieder als Klubobmann und Otto Pendl als starker Mann des Klubs hielten. Aber wir brauchten die zwei Drittel-Mehrheit und damit die ÖVP.

Es war überraschend leicht, Lopatka persönlich zu überzeugen. Für ihn gab es zwei Gründe, uns zu unterstützen. Erstens war es mir gemeinsam mit Gabi Moser ein paarmal gelungen, die ÖVP durch monatelangen Druck in Zustimmungen zu U-Ausschüssen hinein zu drängen. Der Partei hatte der ebenso lange wie fruchtlose öffentliche Widerstand gegen die Aufklärung von Affären und Skandalen nicht gut getan. Lopatka wollte ihr das ersparen.

Der zweite Grund war noch einfacher: Lopatka fand als Abgeordneter, dass das Kontrollrecht das Recht der Opposition und damit der Minderheit sein sollte.

Lopatkas Kopf

In der ÖVP sahen das viele anders. Der zögernde Parteichef Michael Spindelegger stand im Juli 2014 kurz vor dem Rücktritt und hatte andere Sorgen. Der Großteil des ÖAAB war verlässlich auf der Gegenseite, die Wirtschaftsliberalen eher bei ihrem Klubobmann. Gleich nach der Entscheidung erzählte mir Lopatka: „Ich bin in die Klubsitzung gegangen und habe gewusst, es geht um meinen Kopf. Es hat nicht gut ausgeschaut. Aber dann hat mich der Bauernbund überraschend gerettet.“ Letztlich verdankt das österreichische Parlament seinen großen Schritt zu echter Kontrolle Lopatka und dem Bauernbund.

Reinhold Lopatka hätte es als Klubobmann ohne diesen riskanten Versuch leichter gehabt. Aber das Parlament war ihm im Juli 2014 das Risiko wert. Ich rechne ihm das heute noch hoch an.

Es stimmt: Reinhold Lopatka hat mehrere Seiten. Edtstadler und Schallenberg haben wie Sobotka, Nehammer, Karner und Stocker nur die eine. Auch daher ist mir persönlich Lopatka lieber.

p.s.: (10.20 Uhr) Mit Edstadlers, Nehammers und Fleischmanns Hilfe ist wahrscheinlich, dass Lopatka im Wahlkampf mehr über “Ausländer” als über “Europa” reden muss. Ich würde das schade finden.

Titelbild: EVA MANHART / APA / picturedesk.com

Peter Pilz
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Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.
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33 Kommentare

  1. Herr Pilz, der U-Ausschuss als Minderheitenrecht und Mittel der Parlamentarischen Kontrolle ist mit Sicherheit ein Meilenstein. Leider gibt es dabei ein Problem, die ÖVP. Sie versucht mit allen Mitteln ihn zu sabotieren damit Erkenntnisse über Missstände erst gar nicht gewonnen werden können. Falls dann aber doch etwas zu Tage tritt, das einer dringenden Gesetzesänderung bedarf, wird eben diese blockiert, durch plumpe Erpressung des Koalitionspartners samt Negativpropaganda. Jetzt hat die ÖVP auch noch den U-Ausschuss als Mittel entdeckt, um in Wahlkampfzeiten den politischen Gegner in den Dreck zu ziehen. Lopatka samt Bauernbund mögen etwas beigetragen haben, dass es dieses Kontrollinstrument gibt, aber die ÖVP ist sehr erfolgreich darin ihn zu einem zahnlosen Schauspiel zu machen, das mangels Öffentlichkeit nicht einmal dazu taugt den Steuer zahlenden Pöbel zu unterhalten.

  2. Er soll seinen Töchtern Morphium gegeben haben, eine geladene Waffe, einen Zungenkuss – jahrelang soll ein Landarzt heimlich seine Kinder gequält haben. Doch die Ermittlungen stocken. Weil sein Bruder ein mächtiger Politiker in Österreich ist?
    https://www.spiegel.de/panorama/justiz/oesterreich-ein-landarzt-soll-jahrelang-seine-kinder-gequaelt-haben-a-1154497.html

    War da nicht noch etwas mehr…mit einen “Selbstmord” einer seiner Patienten mit Lops Pistole obwohl dieser Physisch nicht mal in der lage war….
    Alles fein unter den Tisch gekehrt….zustände wie in Russland…

  3. Ich könnte jetzt über Lopatka nichts Positives sagen, tut mir leid. Sollte er irgendwann während seiner politischen Karriere einmal etwas Positives beigetragen haben dann ist das zu begrüßen, zugetraut hätte ich ihm das nicht. Lopatka hat für mich einen ähnlich unguten Beigeschmack wie Wöginger.

  4. “dass Lopatka im Wahlkampf mehr über “Ausländer” als über “Europa” reden muss”

    er wird es dann nicht zum erstenmal tun, und er wird es mit Gusto tun. Er hat trotzdem viel auf dem Gewissen und als Pöbel sieht man es ihm nicht nach.

  5. Warum müssen die “Davos Vertreter von Österreich” (unter anderem Frau Endstadler) nicht öffentlich machen, was diese da tun, abstimmen, oder was sie sonst noch als zumindest mögliche Staatsvertreter dort machen?

    Für mich ist hier aus diesem Grund auch der schwere Verdacht eines Hochverrats schlagend und konkudent damit vorliegend? – Inklusive den nicht dazu nachfragenden Medien und der sonst hier ebenfalls dazu schweigenden Politik?

    • Und was macht der Bastel dort?
      Er drängt zu den Mächtigen, zu den Diktatoren, nur bei denen kann man richtig absahnen.
      Aber als Waldviertler Firmenchef ist man für die ziemlich uninteressant.
      Interessant wird man erst, wenn man BK ist.
      Drängt er darum auf seine – unwahrscheinliche – Wiederauferstehung?

      • Der hat wohl nun absolut nichts mehr zu verlieren, aber kann natürlich trotzdem weiter gewinnen (Siehe die aktuelle “kreuz und quer” Sendung dazu im ORF)
        Er schaut nach vorn und arbeitet wohl schon an seiner Zeit danach, wann auch immer diese kommen wird und drängt das Aktuelle, wenngleich auch noch nicht abgeschlossen, damit wohl schon in die Vergangenheit? – Glaube ich halt…

  6. Lopatka bemüht in seiner Antrittsrede schon wieder den ausgelutschten (gefürchtet Vaupen) “Hausverstand”, den Österreich angeblich bräuchte, um eine aktiv europafreundliche Politik als Vollwert-EU-Mitglied (wieder!) voranzutreiben. “Schon alleine wegen der KI”, ließ er das staunende Publikum wissen.

    Dass der verschworene Ceh-Vau-Club sich vor der KI fürchtet, ja, fürchten muss, liegt auf der Hand: Diese würde doch glatt den systematisch nepotistischen Mummenschanz (=Maskentanz) in unverbrämt brutal exekutierter Deutungshoheit ferne überwiegender Alltagsbürger*inn-Realitäten in Nullkommanix den Rang ablaufen. (Postfaktisch wäre es auch 1000%ig kreativer). Ob das dann für die Allgemeinheit !noch nachteiliger wäre, müsste sich aber erst herausstellen… /sarcoff

  7. Ich habe von Lopatka vor allem negativ in Erinnerung, dass er sehr umtriebig dabei war, einzelne Abgeordnete des unseligen und langsam zerbröselnden “Team Stronach” nach und nach in den ÖVP-Klub zu holen. Ein Tiefpunkt war für mich, dass er am Ende den Neos-Abgeordneten Christoph Vavrik in den Klub holte. Dieser war bei den Neos wegen homophober Äußerungen in Ungnade gefallen und sollte eigentlich, mit dem Neos-Klub einvernehmlich vereinbart, sein Mandat zurücklegen. Er entschied sich in letzter Sekunde für das unmoralische (aber rechtlich einwandfreie) Angebot von Lopatka. Ich fühlte mich als damaliger Neos-Wähler aus der Steiermark (auf deren Landesliste Vavrik eingezogen war) ein wenig um meine Stimme betrogen. Ich nahm Lopatka diese Vorgehensweise schon übel, aber natürlich waren die Abgeordneten, die sein unmoralisches Angebot annahmen, ebenso verantwortlich.

    Wie Peter Pilz schreibt, Lopatka hat mehrere Seiten. Ich finde es gut, dass er hier eine positive Seite von Lopatka herausstreicht, die bei allem Negativen nicht untergehen sollte. Das ist ein Akt politischer und medialer Fairness, den man viel öfter sehen sollte.

  8. Lopatka betrieb mit Amon und Sobotka den Sturz Mitterlehners, um den Wrg für den gesalbten
    Messias Bastibub freizumachen.
    Weiters gab es das Gerücht, dass er für seinen Bruder interveniert hatte, damit grgen ihn n7cht ermittelt wurde.
    Für mich ist Lopatka einer der Tiefpunkte der Vaupen, und bei denen gibt es keinen Mangel davon.

    • Jaja, Nomen est Omen
      Nur zur Erklärung, Lopatka heißt auf Tschechisch “Schaufel”. Und auf diese hat er ja jahrelang politische Gegner und den “Pöbel” genommen. Natürlich war er/sie auch das schmutzige Werkzeug, Reinhold Mitterlehners politisches Grab auszuheben. Ich kann PP in seiner Beurteilung der Person L. nicht zustimmen. Die Tatsache, dass es noch grauslichere Existenzen in der ÖVP gibt, macht ihn nicht automatisch besser. Für mich ist Hr. L. ein janusköpfiger Politiker. Die schmeichelweiche und schleimige Vorderseite hat eine skrupellose, hinterfotzige und berechnende Hinterseite. Passt perfekt zu seinem katholischen Background. Ich denke, er wäre ein sehr geeigneter Papst in den Zeiten des Mittelalters gewesen. Machtgewinn und -erhaltung rechtfertigt jegliches Ränkespiel und Brutalität. Jetzt bekommt er halt ein gut bezahltes ÖVP-Ausgedinge in Brüssel. Er wird den Karren für die ÖVP bei den EU – Wahlen aber auch nicht aus dem Sumpf ziehen können. Aber Schweigegeld ist in Österreich ja seit jeher Landeswährung. Um mit Cicero in seiner Rede gegen Verres übereinstimmend zu sagen: “O tempora, o mores”.

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