Heute präsentiert Bundeskanzler Nehammer seinen ‘Österreichplan’. Selbst wenn ‘nur’ drei seiner Vorschläge umgesetzt werden, fehlen ohne Gegenfinanzierung bis 2030 31 Milliarden Euro im Budget.
Von Jakob Sturn
Dem Kanzler schwebt vor allem eins vor: Kürzungen. Konkret schlägt er vor, die Steuern auf die Überstundenzuschläge komplett zu streichen. Die Kosten dafür? Bis 2030 insgesamt 1,3 Milliarden Euro. Außerdem soll der Steuersatz der ersten Einkommensstufe von aktuell 20 Prozent auf 15 Prozent heruntergeschraubt werden. Und was kostet‘s? Insgesamt 10,3 Milliarden Euro bis 2030. Außerdem möchte er die Sozialstaatsabgaben der Arbeitgeber:innen, also die sogenannten ‘Lohnnebenkosten’ bis 2030 um 3 Prozent kürzen. Und wie viel fehlt uns dann? Nochmal insgesamt 19,9 Milliarden Euro. Summa summarum klafft durch die drei Kürzungen also ein Budgetloch von sage und schreibe 31,3 Milliarden Euro bis 2030. Wie das finanziert werden soll, verrät der Kanzler aber (noch) nicht.
Lohn’nebenkosten’?
Diese Lohnnebenkosten sind ein Beitrag, den Arbeitgeber:innen leisten. Zu zwei Drittel kommen sie direkt den Arbeitnehmer:innen zugute – unter anderem durch Urlaubsgeld, Gehalt während dem Krankenstand und Arbeitslosenversicherung. Das letzte Drittel geht in unsere sozialen Sicherungsnetze, die über eine Million Menschen im Land vor Armut schützen. Von einer Nebensache kann hier also nicht die Rede sein. Werden die Beiträge der Arbeitgeber:innen gesenkt, dann besteht die Gefahr, dass die damit finanzierten Leistungen (weiter) gekürzt werden.
Rotstift beim Familienfonds
Aktuell auf Platz 1 der Kürzungs-Kandidaten: Der Familienlastenausgleichsfonds (FLAF). Klingt sperrig, ist aber ein wesentlicher Topf für Leistungen für Familien und Kinder. Mit 3,7 Prozent des Bruttolohns einer Beschäftigten beteiligt sich das Unternehmen am Familienfonds. Damit finanzieren wir die Familienbeihilfe, das Karenzgeld oder die Schulbücher. Ebenso deckt der Topf ausbleibende Unterhaltszahlungen von 16.000 Kindern im Land. Will der Kanzler den Rotstift nicht bei den Familien und Kindern im Land ansetzen, muss eine Gegenfinanzierung her. Der Vorschlag: Schieben wir einfach alles ins Budget. Die Krux an der Sache: Dann bezahlen Leistungen, die heute die Unternehmen zahlen, morgen wir alle. Jede Pensionistin, jeder Angestellte, jede Arbeiterin, jeder, der sich eine Käsesemmel kauft, kann dann dafür mit Steuern dafür aufkommen, dass Unternehmen noch weniger beitragen müssen.
Auf Staatsverschuldung folgt Sozialstaats-Kürzung
Die Alternative: Wir finanzieren die Kürzung der Lohnnebenkosten über höhere Schulden. Das Drehbuch hinter diesem Stück kennen wir aber nur allzu gut: Erst werden Steuern gesenkt, dann ist der Schuldenstand angeblich zu hoch und damit ist für Kürzungen im Sozialstaat der Weg bereits geebnet.
Entlastung nicht weitergegeben
Hört man auf neoliberale Ökonom:innen und Politiker:innen sei diese Befürchtung aber Humbug denn: “Senkt man die Beiträge der Unternehmen, dann geben die das gänzlich an die Beschäftigten weiter”, so ihre Argumentation. Ein Blick in die empirische Forschung hilft durch den Argumentations-Dschungel. Denn Studien belegen, dass diese Annahme falsch ist. Ein Teil der Beitragssenkung wandert in die Taschen der Unternehmen. Ihre Gewinne und Dividenden steigen dadurch, dass sie einen geringeren Beitrag leisten. Arbeitnehmer verdienen in der Regel dadurch nicht besser.
Dabei beteiligen sich Unternehmen schon eher schlecht als recht: Von 100 Steuereuros kommen 80 aus Arbeit und Konsum, nur 6 kommen von den Unternehmen, 4 von Vermögen. Dass hier eine enorme Schieflage in der Abgabenlast besteht, sieht selbst ein Kind, wenn es einen Blick auf den Abakus wirft. Kürzt der Kanzler die Beiträge der Unternehmen (noch weiter), zäumt er das Pferd von hinten auf. Was tatsächlich notwendig wäre sind höhere Steuern für Unternehmen und auf Vermögen.
Titelbild: Miriam Moné, Ingo Pertramer