Daniel Wisser über die Berichterstattung zu Jan Marsalek und René Benko im Ausland, sowie den plumpen Ausfall gegen Kay-Michael Dankl in den Oberösterreichischen Nachrichten.
In einer gemeinsamen Recherche haben The Insider (eine russische Investigativplattform), Spiegel, Der Standard und das ZDF das Wirken von Jan Marsalek erforscht. Dabei sind sie vor allem darauf gestoßen, dass der sogenannte Wirecard-Skandal nur Teil einer Geschichte ist, die sich bei hellerem Licht als Spionagegeschichte herausstellt. Die lange Titelstory im Spiegel ist äußerst lesenswert. Würde ein Autor sie bei einem Verlag als Thriller anbieten, würde man sie glatt ablehnen und als zu verwirrend und übertrieben abtun. In der Tat stockt einem der Atem. Für Österreich wird da wenig Erfreuliches bekannt.
Nicht nur die Verbindung zu russischer Spionage ist augenfällig, sondern auch die Tatsache, dass hier zwei frühere Verfassungsschützer des BVT involviert waren. Spiegel Nr. 20/2.3.2024 S. 14f.: Doch Martin Weiss war nicht irgendein Beamter, sondern hat jahrelang die Abteilung II im österreichischen Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) geleitet – zuständig für Informationsgewinnung, Ermittlung und Analyse. Ein Topagent, betraut mit dem operativen Kerngeschäft des Geheimen. […] Marsalek heuert ihn als „Berater“ an, nachdem Weiss den Verfassungsschutz offiziell verlassen hat. Aber die beiden kennen sich vermutlich schon seit 2015. Marsalek braucht Weiss vermutlich nicht für Wirecard-Geschäfte, sondern offenbar als Handlanger für Agenten-Drecksarbeit.
Diese Verquickungen erscheinen ungünstig und dubios, ebenso wie die fotografisch festgehaltene Begegnung Marsaleks mit dem damaligen österreichischen Innenminister Wolfgang Sobotka, heute erster Präsident des Nationalrats. In Beantwortung einer schriftlichen parlamentarischen Anfrage nach den Hintergründen dieses Treffen antwortete Außenminister Mag. Alexander Schallenberg: Soweit rekonstruierbar, wurde Jan Marsalek in seiner damaligen Eigenschaft als Mitglied der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft auf deren Vorschlag eingeladen.
Diese Österreichisch-Russische Freundschaftsgesellschaft spielt auch in der Wirecard-Geschichte eine Rolle, als Markus Braun und Jan Marsalek auf den russischen Markt wollen. So heißt es darüber im Spiegel S.10 : […] ihr Türöffner ist Florian Stermann, Präsident der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft, eine ebenso schillernde wie windige Figur.
Doch die beteiligten Österreicher waren nicht nur diplomatisch tätig, sondern sie „beschäftigten“ sich auch mit Investigativjournalisten, die den Machenschaften auf der Spur sind und Russland unangenehm werden: […] am 15. Dezember 2020 schickt Weiss eine verschlüsselte Nachricht an Ott: »Könnten wir in Ö mal eine Abfrage zu einem Hr. Christo Grozev nachen?« In einer späteren Nachricht schreibt Weiss an Ott: Grozev unterstütze eine Operation »gegen die Causa«. Daraufhin liefert Ott die Anschrift von Grozevs Privatwohnung.
Hier hört der Spaß auf. Es geht, wie wir wissen, möglicherweise um Leben und Tod. Und als Österreicher muss man sich fragen: Tun unsere Ministerien das, wofür sie da sind? Ist der Eid auf unsere Verfassung das oberste Gebot der Politiker, unter denen deratiger Missbrauch wuchert?
Auch die NZZ beschäftigte sich diese Woche mit Österreich, zumindest mit René Benko, der auch in der Schweiz eine Ruine hinterlassen hat: das Luxuswarenhaus Globus. Am 1.3.2024 heißt es in der NZZ auf S. 25: Die Globus-Häuser werden von den Sachverwaltern auf den Markt geworfen, um Geld für Benkos Gläubiger aufzutreiben. Dieser hat eine hochkomplexe Struktur mit Hunderten von Firmen und Subfirmen geschafften.
Und der Artikel widerspricht der Aussage österreichischer Beteiligter an der Benko-Pleite, es seien keine Immobilienbewertungen in die Höhe getrieben worden, diametral: Es gehörte nämlich zum Prinzip von René Benko, von seinen Warenhäusern hohe Mietzinse zu verlangen, um den Wert der Gebäude, die ihm ebenfalls gehörten, in die Höhe zu treiben.
Wie gut, dass wir so etwas zumindest in nicht-österreichischen Medien lesen können. Was sowohl im Fall Wirecard, als auch im Fall Benko passiert ist, ist ein Raub an den österreichischen Steuerzahlenden. Der Schaden dieses Raubs besteht aber nicht nur aus den fehlenden Summen im Budget, sondern auch in den kollateralen Krisen der Teuerung, der rasant steigende Arbeitslosigkeit und Armut. Dass dagegen nun vermehrt Parteien auftreten, die sich für Umverteilung und soziale Politik aussprechen, ist logisch. Österreichs Medien haben aber keine Freude damit, wenn die Verbrechen der Großen erforscht werden. Dann lieber die Kleinen ein bisserl bashen, vor allem wenn sie nicht brav jene Parteien wählen, die für die genannten Missstände verantwortlich sind.
Christoph Kotanko hat in den Öberösterreichischen Nachrichten, 2. März 2024, Seite 3, den Rückwärtsgang eingelegt. Er schreibt, als befänden wir uns in einem Wahlkampf der Fünfzigerjahre und basht die sogenannten Linken, (ein beliebtes, Thema, das in Österreich täglich variationslos wiederholt wird). Diesmal schießt er sich auf die KPÖ Plus in Salzburg und ihren Spitzenkandidaten Kay-Michael Dankl ein. Kotanko empfindet den Zuspruch zu Dankl als Seltsamkeit und als Kokettieren mit einem Kummerl. Rückwärts in die alten Zeiten. Fehlt noch, dass man alte Ikea-Möbel in Dankls Wohnung kritisiert. Er hätte doch besser bei Benkos Kika/Leiner kaufen sollen, um die Möbelpreise wieder hinaufzutreiben.
Nun, Dankl erscheint mir nicht als die rote Spinne aus Moskau und verglichen mit anderen auch nicht als wahrscheinlicher russischer Spion. Seine Plakatsprüche, in denen vom Helfen die Rede ist und vom Umverteilen, vermitteln fast eher christliche Werte, die die Christlich-Sozialen von heute in ihrer Radikalisierung längst hinter sich gelassen haben. Auch braucht Dankl sich vor den österreichischen Medien im Rückwärtsgang nicht zu fürchten: Er benötigt sie nämlich nicht, weil er – wie es sich vielleicht auch andere Parteien überlegen sollten – die Menschen direkt erreicht und nicht über Anfütterung und Inserate.
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