Heute Abend wissen wir, ob ÖVP und FPÖ aus ihrer geheimen Verlobung eine offizielle Hochzeit machen.
Jetzt, am Sonntag Morgen auf der Alm, regnet es und die Sonne scheint. Das ist eine gute Prognose für den Rest des Tages. Daher schaue ich einmal in die Zukunft. Das Nächste, was uns alle interessiert, ist das Wahlergebnis heute Abend. Da weiß ich nicht mehr als viele andere: Es wird keine Überraschung geben oder doch eine.
Dass wir hier so wenig wissen, hat mit der Meinungsforschung, die längst eine Art Meinungslenkung ist, zu tun. „Bei Nehammer haben sich wie bei Babler die Rohdaten nicht geändert. Aber wir geben ein bisserl dazu, weil sich ein paar ÖVP-Wähler nicht deklarieren“. Das habe ich in den letzten Wochen immer wieder gelesen, eher am Rande, weil es in den Redaktionen kaum jemanden aufgeregt hat.
Beinschab und Boulevard
Aus der frisierten Umfrage wird sofort Rückenwind. Die Segel der ÖVP blähen sich, und plötzlich kämpft sie um Platz eins. Natürlich wissen Meinungsforscher, dass sich einige nicht als SPÖ-Wähler deklarieren. Doch für die SPÖ hat niemand Rückenwind bestellt und bezahlt.
Wie unter Immobilienunternehmern oder Automatenaufstellern gibt es auch in der Meinungsforschungslenkungsbranche weiße Schafe. Nicht alle beschränken sich darauf, die sichtbarsten Fehler von Frau Beinschab zu vermeiden. Aber trauen würde ich ihnen gerade so viel wie ihren Meinungszwillingen, den Herausgebern der ÖVP-Kampfblätter, die man verharmlosend als „Boulevard“ bezeichnet.
„Boulevard“ nennt man in Österreich die Zeitungen, die wollen, dass ihre Leser statt ihrer Herausgeber Steuern zahlen. Dafür und für eine zweite Aufgabe gibt es Presseförderung. Zur Beschreibung dieser Aufgabe muss ich noch einmal in die Zukunft schauen, diesmal in den November. Das ist die einfachere Aufgabe.
Regierung und Wende
Etwa im November werden sich ÖVP und FPÖ auf ihre gemeinsame Regierung geeinigt haben. Sachlich wird es ganz einfach, weil die ÖVP nach Kurz und mit Nehammer politisch dort steht, wo die FPÖ kurz vor Kickl gestanden ist. Die Weichen sind längst gestellt, und die Nebelwerfer werden spätestens morgen früh abgestellt.
Die zweite Aufgabe ist so einfach, weil in Österreich seit vielen Jahren die Spatzen die nächste Regierung von den Dächern pfeifen: 2017 war klar, dass die ÖVP die FPÖ wollte. 2019 war ebenso klar, dass Sebastian Kurz Lust auf die Grünen hatte. Jetzt ist klar, dass die beiden Parteien, die ein freiheitliches Programm vertreten, zusammenfinden.
Von Klimapolitik bis Reichenschutz, vom Ende der Korruptionsbekämpfung bis zur Abwanderung in den ungarisch-serbischen Anti-EU-Block kann das der Beginn einer politischen Wende sein.
Kettenreaktion
Aufgabe des Boulevards war, das zu vernebeln. „Nehammer gegen Kickl“ – nur so konnten beide Stimmen von Menschen, die entweder ÖVP oder FPÖ als Regierungspartei strikt ablehnten, gewinnen.
Wie das Täuschungsmanöver von Kronen Zeitung, Heute und Österreich ausgegangen ist, wissen wir heute Abend. Dann hat vielleicht schon der neue Rechtsblock die Macht übernommen.
Ein paar Wochen später kann es Trump schaffen. Dann geht es um Deutschland und um Frankreich.
Jammern nützt auch jetzt nichts. Vielleicht schaffen SPÖ, Grüne und Neos heute eine Überraschung. Vielleicht entwerten die Dosen doch nicht zu viele Stimmen. Vielleicht ist in Österreich ab morgen ein besserer Weg als der in den neuen Ostblock möglich.
Vielleicht aber auch nicht.