Die rechtsextremen Identitären sehen sich nach den FPÖ-Erfolgen im Aufwind. Auf der blauen Wahlparty huldigten sie ihrer “lebenden Legende” Herbert Kickl. Experten sehen die Aktivisten als freiheitliche Personalressource.
Mindestens so groß wie bei der FPÖ ist die Jubelstimmung seit dem Wahlsonntag bei der Identitären Bewegung. Ihr Sprachrohr Martin Sellner konnte sich mit persönlichen Jubeltönen für Herbert Kickl nach den ersten Hochrechnungen kaum einkriegen: “Ich feiere die lebende Legende die ganze Nacht”, schrieb er bei X.
Es blieb aber nicht nur bei Worten, führende Figuren der Gruppe wollten “ihrem Kanzler” am Sonntag auch physisch nahekommen: Im Netz zirkulieren Bilder der FPÖ-Wahlfeier, die Herbert Kickl Arm in Arm mit mehreren Identitären-Aktivisten zeigen; Journalisten waren zu dieser Zeit auf der Party nicht mehr erwünscht.
Besonders die Geste des IB-Aktivisten Tim Ziegler sorgte für Diskussionen. Die zum Okay-Zeichen geformten Finger werden von Sicherheitsbehörden als “White Power”-Ausdruck gedeutet. Die Gruppe selbst meint, sich mit dem Fingerzeichen bloß über die (Medien)Öffentlichkeit lustig zu machen. Dass sich auch der rechtsextreme Massenmörder Brenton Tarrant mit dieser Geste vor Gericht präsentierte, tat dem Spaß offensichtlich nie Abbruch. Tarrant war es übrigens auch, der der Gruppe vor seinem Terrorattentat 2019 Geldbeträge spendete und mit Martin Sellner in Mail-Kontakt stand.
Vom Verfassungsschutz beobachtet, mit FPÖ verschmolzen
Lange wollte die FPÖ zumindest offiziell nicht an die Aktivisten-Gruppe anstreifen, unter Parteichef Norbert Hofer war es Tabu, gleichzeitig für die Identitären und die FPÖ tätig zu sein. 2020 preschte dann Generalsekretär und Kickl-Vertrauter Michael Schnedlitz vor und ließ sich mit den Aktivisten fotografieren, samt oben beschriebener Geste. Seitdem verschmelzen die Rechtsextremen und die FPÖ immer mehr – vor allem die Freiheitliche Jugend gilt de facto als von Identitären gesteuert. Herbert Kickl bezeichnete sie 2021 als „NGO von rechts“ und „unterstützenswertes Projekt“.
Der Verfassungsschutz wiederum warnt in seinem Bericht von 2023 in einem eigenen Kapitel vor den Aktivisten der Neuen Rechten: “Neben einem schrittweisen Abbau der demokratischen und liberalen Grundprinzipien verfolgt die „Neue Rechte“ das Ziel, grundlegende Menschenrechte im Verfassungsrang infrage zu stellen und allenfalls zu ändern. Mit dem sogenannten „Ethnopluralismus“ verschleiern neurechte Gruppierungen wie beispielsweise die IBÖ den gelebten Rassismus.” Unter ÖVP-Innenminister Karl Nehammer waren 2020 Symbole der Identitären zudem offiziell verboten worden.
“Affekt-Distanzierung” von Rassenfanatiker Erik Ahrens
Die Gruppe ist intelligent genug zu wissen, dass man sich zwischen Staatsschutz-Beobachtung und Parteipolitik-Anbindung auf einer Gratwanderung befindet. So sahen sich die Identitären Anfang September sogar zu einer – für sie ungewöhnlichen – Distanzierung gezwungen: “Frühere Kooperationen und Projekte mit Erik Ahrens haben wir aufgrund unterschiedlicher Erfahrungen, sowie strategischer und weltanschaulicher Differenzen eingestellt”, hieß es auf X. Bei Erik Ahrens handelt es sich um einen deutschen Aktivisten, der immer wieder im neurechten Umfeld auftrat und etwa TikTok-Kampagnen für den AfD-Politiker Maximilian Krah erstellte.
Ahrens bezeichnet sich stolz als Rassist, propagiert in seinen Videos “Rassentheorie” und “Genetik”und spricht unverblümt von der deutschen Abstammung der “Arier”. Ihn selbst verblüffte die IB-Distanzierung offenkundig: “Ich werd weiter hinter den Kulissen mit Leuten zusammenarbeiten, die kontaktieren mich ja auch. Ich glaube, dass das eher so eine Affekt-Distanzierung war”, so Ahrens in einem Clip
“Wichtige Personalreservoirs”
Beim Dokumenationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) bemerkte man jedenfalls die wichtige Rolle der Identitären im heurigen Wahljahr: “Kader der Identitären, ehemalige wie aktuelle, haben die FPÖ auch im jüngsten Wahlkampf auf vielfältige Art und Weise unterstützt. Gerade in der Medienarbeit bzw. im Onlinewahlkampf war ihre Handschrift deutlich zu bemerken”, so DÖW-Experte Andreas Peham gegenüber ZackZack. Man sieht die Gruppe, ähnliche wie die Burschenschaften, als “wichtige Personalreservoirs für die FPÖ, zumal in Zeiten so rasanten Wachstums.” Nach dem Wahlerfolg der FPÖ sehen sich die rechtsextremen Aktivisten jedenfalls im Aufwind – bleibt abzuwarten, welche Dienste sie für die Partei noch erfüllen dürfen.
Titelbild: Christoph Glanzl/ZackZack-Montage