Südtirol-„Grenztango“
Tirols Landeshauptmann Platter fällt nun mit PR-Aktionen rund um die Grenzöffnung auf. Doch hinter den Kulissen brodelt es. SPÖ-Chef Dornauer: „Unterwirft sich türkiser Inszenierung“.
Wien, 28. Mai 2020 | Ischgl gerät nicht aus den Schlagzeilen. Erst gestern titelte der „Spiegel“: „Ground Zero in den Alpen“. Das Kieler Weltwirtschaftsinstitut sagt, Ischgl sei für Infektionen in Deutschland die absolute Brutstätte. Da verwundert es nicht, dass der Tiroler Landeshauptmann nun mit PR-Aktionen vorprescht.
Holpriger „Grenztango“ mit Südtirol
Wie die „Tiroler Tageszeitung“ heute berichtet, soll ein geplantes Euregio-Treffen (Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino, Red.) kurzfristig abgesagt worden sein. Man wollte den eskalierenden Grenzstreit zwischen Österreich und Italien eigentlich rasch beenden, die feierliche Öffnung der Grenzen für den Tourismus sollte in den Vordergrund rücken. Doch daraus wurde nur bedingt etwas: statt eines inszenierten Treffens war es doch „nur“ eine Videokonferenz, in der die drei Landeshauptleute zwar vollmundige Forderungen aufstellten.
„Wir alle drei drängen darauf, dass die Grenzen innerhalb der Europaregion so rasch als möglich aufgehen – spätestens aber mit 15. Juni“,
so der auch durch die anstehende Ischgl-U-Kommission unter Druck stehende Landeshauptmann, Günther Platter. Damit konterkariert er die bisherige Linie der Bundesregierung.
Der virtuelle „Grenztango“ kann indes nicht über die frostige Stimmung rund um den Touristen-Kampf hinwegtäuschen. Mitte Mai hieß es vonseiten des Schallenberg-Außenministeriums noch, man könne die Grenzen zu Italien nicht öffnen, da die Zahlen das noch nicht hergeben würden. Gleichzeitig forderte Kurz von Deutschland, die Grenzen nach Österreich rasch wieder zu öffnen. Für seine selektive Grenzpolitik erntete er Kritik aus Slowenien, Italien, Kroatien und Deutschland. Auch Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher reagierte mit Unverständnis auf Kurz‘ Egoposition.
Im Zweifel nur Lombardei isolieren
Ein Vorschlag verwunderte bei der Euregio-Inszenierung besonders: im Fall erneut steigender Infektionszahlen in Norditalien, solle nur die stark betroffene Region Lombardei isoliert werden, so Platter laut „Tiroler Tageszeitung“. Der Tourismus in Tirol, Südtirol und Trentino soll aber ungestört florieren können. Das ist der Eindruck, den Platter nun hinterlässt.
Ob der Wunschtraum eintritt, ist mehr als fraglich: im Angesicht des Ischgl-Versagens und der klammen Geldbörserl aufgrund der Wirtschaftskrise ist unklar, ob die Tourismus-Rechnung aufgehen wird. Mit allen möglichen Mitteln wird deshalb versucht, die Situation irgendwie in den Griff zu bekommen. Der Vorsitzende des Südtirol-Ausschusses im Nationalrat, Hermann Gahr (ÖVP), schlug deshalb einen skurril anmutenden „Touristen-Korridor“ vor: so sollten deutsche Touristen nach Südtirol reisen können, dann aber nicht in Österreich Halt machen dürfen.
Dornauer gegen Platter und Restopposition: „Skandal“
Dem Tiroler SPÖ-Chef Georg Dornauer stößt die Inszenierung indes sauer auf. In einer Aussendung geht er Landeshauptmann Platter scharf an und wirft diesem vor, sich der „türkisen Inszenierungspolitik“ zu unterwerfen. Dornauer weiter:
„In Zukunft möge sich Platter das Glorifizieren der Euregio bei seinen Sonntagsreden gänzlich sparen.“
Im Gespräch mit ZackZack betonte er zudem, dass die von der Restopposition geplante Grenzöffnungs-PK an der Brennergrenze ein „Skandal“ sei. Die italienische SPÖ-Schwester Partito Democratico (PD) sei als einzige nicht eingeladen worden. Die Begründung lässt Dornauer fassungslos zurück: es sollen laut Veranstalter nur deutschsprachige Abgeordnete teilnehmen.
„Das ist ein Denkfehler, aber gewaltig. Der europäische Gedanke wird hier konterkariert“,
so Dornauer, der auf der Seite der „italienischen Freunde“ stehen würde. Es brauche jetzt mehr europäische Solidarität denn je.
(wb)
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